15. Mai, Düsseldorf: Gegen 22:20 stürmen einige Hundert Fortuna Fans beim Relegationsspiel gegen Hertha BSC Berlin auf den Platz, um den Aufstieg nach 15 Jahren Unterklassigkeit zu feiern. Einziges Problem: Schiedsrichter Wolfgang Stark hat die Partie noch gar nicht beendet. Während die Düsseldorfer den Aufstieg erst ca. 20 Minuten später deutlich schaumgebremst feiern durften, geht in Deutschland medial die Welt unter. Die hektische Schlussphase hat ein gerichtliches Nachspiel, da Hertha die Wertung anzweifelt.
Relationen wahren
„Die Fußball-Schande von Düsseldorf“ (bild.de); „Chaos-Spiel“ (sport1.de), „Skandalspiel“ (Süddeutsche.de). Nur ein kleiner Ausschnitt aus der deutschen Medienlandschaft zum entscheidenden Relegationsspiel, das über die Zugehörigkeit zur 1. Liga entschieden hat.
Der Platzsturm der Düsseldorfer Fans während (!) des Spiels ist an Idiotie kaum zu überbieten und der Verein wird die Konsequenzen zu tragen haben (im schlimmsten Fall den Nicht-Aufstieg, eine Entscheidung steht noch aus), aber die mediale Verurteilung der Platzstürmer weist ein Merkmal auf, das die Medienlandschaft im Umgang mit Fans in letzter Zeit leider immer häufiger aufweist: das Fehlen jedweder Art der Differenzierung.
Denn eines steht nach Sichtung der Fernsehbilder eindeutig fest: Dem Platzsturm liegt ein Missverständnis, keinesfalls aber böse Absicht zugrunde! Die Düsseldorfer Fans hatten ja auch keinerlei Grund den Platz gewaltsam zu okkupieren, es hat sich „lediglich“ eine Massendynamik ausgebildet, die zu diesem unwürdigen Schauspiel beitrug.
Bereits zuvor musste das entscheidende Relegationsspiel für mehrere Minuten unterbrochen werden, als nach dem 2:1 für Fortuna Leuchtkörper aus dem Berliner Gästesektor auf das Spielfeld geworfen wurden. Gleichzeitig zündete der Fanblock von Düsseldorf ebenfalls einige Bengalische Feuer, die, soweit dies im Fernsehen beobachtet werden konnte, sachgemäß abgebrannt wurden. Differenzierung? Wozu auch? Ist doch alles dasselbe (vgl. den Kommentator http://www.youtube.com/watch?v=RKlO6nHM8kE“ frameborder=“0″ allowfullscreen>)! Bengalo-Benützer sind Chaoten, ein Umstand, den man auch beim deutschen Pokalfinale beobachten konnte. Béla Réthy, der Kommentator des ZDF, erklärte beim Anblick von Bengalos, dass man darauf bestens verzichten könnte, weil man ein friedliches Fußballfest verbringen wolle. Zu einem Zeitpunkt wohlgemerkt, wo das Spiel längst für den BVB entschieden war und keinerlei Aggressionspotential vorhanden war.
Es wird also systematisch der Gebrauch von pyrotechnischen Gegenständen mit Gewaltbereitschaft und Unruhestiftung gleichgesetzt.
Diese Gleichmacherei ist einer ausgewogenen Berichterstattung nicht nur nicht zuträglich, sondern führt sie ad absurdum. Natürlich ist jeder Gewalteinsatz aufs Schärfste zu verurteilen. Selbstredend wird jeder vernünftig denkende Fußballfan Wurfgeschosse ablehnen (gleich ob es sich um Feuerwerkskörper, Münzen, Feuerzeuge, Trommelschläger oder aber um Bierbecher handelt, da von jedem dieser Gegenstände Gefahr ausgeht, und der Respekt für die Beteiligten auf der Strecke bleibt).
Aber es muss möglich sein, gewisse Vorfälle in einen Kontext zu bringen.
Deutschland wurde in der jüngsten Vergangenheit immer wieder mit Ausschreitungen konfrontiert (u.a. bei Köln-Bayern, KSC- Regensburg, Nürnberg- Greuther Fürth, Dortmund-Dresden), die niemand sehen will. Und auch wenn die herbeigeführte Unterbrechung absolut entbehrlich war, kann nicht oft genug darauf hingewiesen werden, dass es sich eben nicht um gewalttätige Ausschreitungen handelte.
Hertha macht sich lächerlich
„Todesangst“ wollen die Spieler ausgestanden haben, BSC Tormann Kraft fühlte sich bedroht. Fakt ist, dass es zu keinen Übergriffen auf Offizielle kam. Die Bedrohung entstand wohl eher aus einem subjektiven Wunschglauben etwas zu schaffen, was man auf dem grünen Rasen verabsäumt hat, die sportliche Qualifikation für die deutsche Bundesliga.
Die erste Verhandlungsrunde am Freitagnachmittag brachte keine Entscheidung. Nach über 6 Stunden Verhandlung vertagte sich das DFB-Sportgericht. Eine Entscheidung soll nun am Montag um 15 Uhr bekannt gegeben werden.
Unterdessen zeigte Schiedsrichter Wolfgang Stark einen Berlin-Spieler wegen Körperverletzung an. Im Kabinentrakt soll es zu handgreiflichen Auseinandersetzungen und verbalen Entgleisungen gegen Stark gekommen sein.
Fest steht, dass der Platzsturm dem deutschen Fußball und den Fans noch schwer schaden könnte (sogar ein Ende der Stehplätze und teurere Karten, also „englische Verhältnisse“, stehen im Raum). Das Verhalten der Berliner Offiziellen trägt aber sicher nicht zu einer Deeskalation bei. Auch wenn der Protest aus Sicht der Hauptstädter verständlich ist (und deutsche Sportjuristen ihm gute Erfolgschancen einräumen), sollte die sportliche Entscheidung bestand haben.
Patrick Redl, abseits.at
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