Tod durch Verletzungen der Leber, die durch das Eindringen von stumpfen Gegenständen in die  Bauchhöhle verursacht worden sind. Erschlagen, um es mit anderen Worten... Forza imbecillità?! –Faschismus in der italienischen Fußballfanszene (1)

Fußball in ItalienTod durch Verletzungen der Leber, die durch das Eindringen von stumpfen Gegenständen in die  Bauchhöhle verursacht worden sind. Erschlagen, um es mit anderen Worten zu sagen. Diesen qualvollen Tod musste Filippo Raciti, ein vierzigjähriger Sizilianer, sterben. Der Ehemann, Vater von zwei Kindern und Polizist verlor sein Leben durch ein zerbrochenes Waschbecken. Raciti war einer von vielen Ordnungshütern, die versuchten die Krawalle nach dem Erstliga-Derby zwischen Catania Calcio und der US Palermo im Februar 2007 einzudämmen. Sein Mörder: Ein 17-jähriger Calcio-Fan. Vor sieben Jahren war der Polizeiinspektor das zweite Gewaltopfer des italienischen Fußballs innerhalb einer Woche. Auch ein kalabrischer Funktionär starb, als er während eines Amateurspieles einen Streit auf der Tribüne schlichten wollte. Er wurde von Fans zu Tode getreten.

…denn sie wissen sehr wohl, was sie tun

Die italienischen Fußballfans machen immer wieder schlechte Schlagzeilen: Rassistische Verhöhnungen und bürgerkriegsähnliche Ausschreitungen sind leider ein Teil ihrer Fankultur geworden. Fußball und Politik sind am Stiefel schon lang eng miteinander verbunden. Diktator Benito Mussolini entdeckte früh die Zugkraft des populären Ballsportes. Er begründete die fragwürdige faschistische (Fan)Tradition von Lazio Rom, indem er den Verein für seine Zwecke vereinnahmte. Der gelernte Volksschullehrer und seine Söhne waren begeisterte Tifosi und oft bei Spielen zugegen.

Der Umgang mit der Vergangenheit ist in Italien lockerer: Bilder und Kalender mit dem Abbild des „Duce“ erfreuen sich bei Einigen noch immer großer Beliebtheit und werden öffentlich feilgeboten. Vor allem Mussolinis Heimatdorf Romagna zelebriert den Kult um den 1945 von italienischen Partisanen ermordeten Politiker besonders. Von der Büste bis zum Feuerzeug kann man sämtliche Devotionalien erwerben.

Faschismus und Fußball gingen in Italien ab den 20er-Jahren Hand in Hand. Wie ein Virus wurde der gesamte Sport infiziert: Der italienische Fußballverband (FICG) verbot sogar zeitweise die Verpflichtung von Legionären. Um die Jahrhundertwende hatte es als faschistischen „Antagonisten“ auch noch den wachsenden Sozialismus, dem viele Arbeiter anhingen, gegeben. Doch mit der ersten Ministerpräsidentschaft von Mussolini schrumpfte dessen Zugkraft. Der Radsport, der früher den ersten Platz der Beliebtheits-Ränge im Land, wo die Zitronen blühen besetzt hatte, vermochte als Einzelsport wenig politische Breitenwirkung zu erzielen. Die Azzurri, deren Trikotfarbe auf das italienische Königshaus zurückging, sollten die Einheit Italiens stärken. Als Gegenläufer zur Nationalmannschaft gründeten sich zahlreiche Fußballklubs: Den Anfang machten Mailand, Genua und Turin, von dort griff die „Ballesterer-Bewegung“ schnell auf kleinere Städte Norditaliens über.

1929 gründete Mussolini die Serie A, er betrachtete den Fußball als Band, das den nationalen Zusammenhalt sicherte. Zudem holte der faschistische Staatsmann 1934 die Weltmeisterschaft nach Italien. Die Lazio-Fans haben ihren Gönner, der übrigens auch das Stadio Olimpico di Roma, die Heimstätte des Vereins erbauen ließ, bis heute nicht vergessen. „Duce, Duce, Duce!“, hallt es zeitweise von der Curva Nord, der Tribüne wo die abgebrühtesten Lazio-Anhänger stehen.

Richtig rund ging es auf der Halbinsel aber erst in den 60er-Jahren. Fußball wurde nun zum beliebtesten Sport der Italiener. Die Fankulturen entwickelten sich und die Ultra-Bewegung wurde geboren. Letztere fand ihr Vorbild interessanterweise in linken Subkulturen. So unterschieden sich die italienischen Fans von den englischen Anhängern, indem sich ihr Rebellentum anfangs fast ausschließlich gegen die Obrigkeit richtete. Die Ultra-Gruppen sahen zunächst die Polizei, die Regierung und den Staat als ihre Kontrahenten an. Der Begriff „Hooligan“ fand in Italien keine breite Verwendung.

Als in den 1980ern die italienische Wirtschaft in eine Krise schlitterte, gewann die politische Rechte am Stiefel deutlich an Macht. Der Fußball spürte die Veränderung, auch auf den Tribünen schienen sich die Fans zu wandeln. Die Instrumentalisierung der Fanblöcke, die in Italien ja schon immer Tradition hatte, setzte sich nun fort.  Trotzallem blieb die Ultra-Kultur in Italien bis heute eine heterogene Szene und es gibt genügend Fans, die nur wegen des Fußballes die Stadien besuchen. Der Anteil Politisch-Extremer ist jedoch erstaunlich hoch.

Der „erste“ Tote

Am 28. Oktober 1979 wurde ein Lazio-Fan kurz vor Beginn des Spieles von einem Feuerwerkskörper im Gesicht getroffen und erlag schließlich seinen Verletzungen: Vincenzo Paparelli – die erste Symbolfigur italienischer Stadiongewalt. Jener Zwischenfall unterstreicht die Gefährlichkeit des Stadtderbys zwischen Lazio und dem Stadtrivalen Roma. Im  Derby della Capitale“ treffen Fans der Gelb-Roten, deren Anhängerschaft traditionell in der Arbeiterschaft beheimatet ist, mit Anhängern der Biancocelesti, die ursprünglich eher aus der bürgerlichen Mittelschicht kommen, zusammen. Nicht nur die Lazio-Fans verfügen über einen rechtsdenkenden Fankern, in Teilen der Fanszene der Associazione Sportiva Roma bekennt man sich ebenso offen zu faschistischem Gedankengut.

Das Münchner Derby sei verglichen mit dem römischen Derby Kindergeburtstag gewesen, erzählt Rudi Völler, der heutige Sportdirektor Leverkusens. Er kickte von 1987 bis 1992 für Roma. Der Hanauer, der 142 Spiele in der Serie A machte, lernte bald nach seiner Ankunft in der „ewigen Stadt“ den Fanatismus der Fans kennen: „Ich kann mich an kein Derby erinnern, wo nicht mindestens zwei Mann vom Platz gestellt wurden.“

Der Staat reagierte auf Paparellis Tod mit einem erhöhten Polizeiaufgebot. Doch die Veränderung innerhalb der Kurve schritt voran, die Ultra-Bewegung war im Begriff sich zu transformieren: Bedingungslose Verbundenheit zum Verein wurde immer öfter mit Nationalstolz und Lokalpatriotismus gleichgesetzt. Rechtsextreme Splittergruppen verstanden es die Fankreise zu unterlaufen: Die „Lega Nord“ und „Forza Nuova“ rekrutiert ihre Mitglieder seitdem nicht zu knapp auch auf den Rängen.

Mit Vincenzo Spagnolo wurde im Jänner 1995 ein Genua-Fan im Vorfeld der Begegnung gegen Milan von einem Anhänger der Rot-Schwarzen erstochen. Die Fangruppierungen lieferten sich daraufhin Straßenschlachten mit der Polizei, die Begegnungen dieser beiden Teams sind bis zum heutigen Tag Risikospiele. Im harten Kern der italienischen Ultra-Bewegung führte Spagnolos Tod allerdings zu einem gewissen Umdenken: In der Republik setzen sich Rädelsführer der Anhängerschaft an einen Tisch und überlegten, wie es nun weitergehen soll. Einige Fangruppen erarbeiteten in der Folge einen „Ehrenkodex“: Basta Lame, Basta Infami“ – „Schluss mit Klingen, Schluss mit Verrätern.“ Doch die Regelungen wurden von vielen Anhängern geschlossen abgelehnt, es war außerdem schwer sich auf einen kleinsten, gemeinsamen Nenner zu einigen. Die Initiative scheiterte und bis heute muss man eine beachtliche Zahl an Toten beklagen: 17 Todesfälle hat es im italienischen Fußball seit 1979 gegeben.

Die linken Wurzeln der Fangemeinschaft begannen zu verfaulen, ein deutliches Zeichen hierfür war das Verschwinden des „Commando Ultra Curva Sud“. Dieses Sammelbecken von AS-Roma-Fans verbreitete zweiundzwanzig Jahre lang als linke Protestgruppe Stimmung im Stadion. 1999 löste es sich auf.

Di Canio – Ein fragwürdiges Idol

Dass das italienische Klima gegenüber faschistischen Strömungen etwas nachsichtig eingestellt ist, wurde schon anhand des Mussolini-Kultes beschrieben. Ein weiteres gutes Beispiel dafür ist auch Paolo di Canio: Der Offensivspieler bezeichnet sich selbst als Faschisten. Di Canio ist Mitglied der „Irriducibili“, der rechtsradikalen Lazio-Ultras, als Jugendlicher stand er als Fan bei diesen auf der Tribüne. Später spielte Di Canio für die Blau-Weißen. Er hob mehrmals den rechten Arm zum Gruß um seine Zugehörigkeit zu den Lazio-Fanatikern auszudrücken. In Österreich wurde man einen derartig ausgestreckten rechten Arm als „Hitler-Gruß“ bezeichnen und sich bei der Nachahmung desselben strafbar machen. Auch in Italien ist der der „saluto romano“ per Gesetz als Ausdruck faschistischer Ideologie verboten. Als der 1968 geborene Angreifer zum zweiten Mal den Arm streckte, wurde er von der italienischen Liga mit einer Sperre für ein Spiel und einer Strafe von 7.000€ belegt.

Die rechten Fans vergötterten Di Canio trotzdem, die Klubführung schwieg zu den Ereignissen. Auch der Spieler selbst machte aus seiner Gesinnung keinen Hehl: „Ich werde immer so grüßen, wie ich es getan habe, weil es mir das Gefühl gibt, zu meinen Leuten zugehören.“ Di Canio philosophiert auch gerne über Mussolinis „missverstandene Persönlichkeit“, dem Diktator selbst hat er den Schriftzug „DUX“ (lat.: Führer) und einen riesigen römischen Adler gewidmet. Diese Zeichen trägt er als Tätowierungen auf seiner Haut.

Roma resta fascista

2005 waren 30.000 von 80.000 italienischen Ultras in rechtsradikalen Organisationen eingeschrieben. Schuld daran ist aber nicht (nur) der Fußball: Die Italiener leiden an einer hohen Jugendarbeitslosigkeit (40%), der langjährige Ministerpräsident Berlusconi scheute sich nicht mit der Enkelin des „Duce“ zusammenzuarbeiten. Die Kollaboration mit Alessandra Mussolini bearbeitete ein politisches Terrain, auf dem sich Nationalgesinnte besser bewegen konnten.

Nur ein paar Provinzklubs, wie Lecce, Siena und Cagliari, sind ohne eine nennenswert organisierte faschistische Fanszene geblieben. In Livorno gibt es erstaunlicherweise eine breite kommunistische Anhängerschaft: Vor Heimspielen ertönte einst sogar die Hymne der Sowjetunion.

Die wirtschaftliche Seite des Fußballs verändert sich ebenso, viele Vereine sind schon seit langem vielfach zum Spielzeug ihrer Mäzene mutiert: Der „Fiat-Familie“ Agnelli gehört der italienische Rekordmeister Juventus Turin, Öl-Tycoon Massimo Moratti war bis 2013 Präsident von Inter Mailand, Silvio Berlusconi besitzt den AC Milan. Die Ultras sind solchen Investoren zwangsläufig ziemlich egal. Aus Angst ihren Einfluss auf ihre jeweiligen Vereine zu verlieren, reagierten viele Fangruppen mit Protest und Gewalt auf die Übernahme der Klubs durch Investoren. Die Inter-Anhänger erwiesen sich sogar als außerordentlich kreativ: Sie schmuggelten einen Motorroller ins Stadion mit welchem sie anschließend Krawall machten. In Verona verhinderten Ultras die Verpflichtung des dunkelhäutigen Holländers Michel Ferrier. „Negro go away“ schrieben sie auf ein Schild, das sie an einer schwarzen Stoffpuppe befestigten. 90 Minuten lang musste Ferrier diese Demütigung ertragen, der Stadionsprecher schwieg.

Zum schlimmsten Fall kam es aber wieder einmal bei römischen Derby: 2004 verbreiteten die Ultras von Lazio und Roma -in selten trauter Einigkeit- kurz vor Anpfiff des Spieles das Gerücht, dass die Polizei vor dem Stadion ein Kind überfahren habe. Die Stimmung kippte: Drei Fans stürmten auf das Spielfeld und bedrohten die Spieler. Die Partie wurde abgebrochen, draußen ging der Kampf weiter: Es gab 13 Festnahmen und 176 Verletzte.

Die „Irriducibili“ („Die Unbeugsamen“), die treuen Lazio-Anhänger, waren eindeutig positioniert. Der harte Kern der Ultras bestand seit 1987 und zählte an die 6.000 Mitglieder. Im „Hauptquartier“ hing ein Mussolini-Porträt an der Wand und auch im Stadion wurde dem Kriegsverbrecher gehuldigt. Nebenbei pflegten diese Fans auch „alte, deutsche“ Traditionen: Das blau-weiße Fahnenmeer wurde gerne mit einigen Hakenkreuzfahnen durchsetzt. Mit dem Schild „Klose mit uns“ wurde der deutsch-polnische Stürmer gegrüßt, die „s“ in diesem Satz wurden als Runen gestaltet. Bei einem weiteren Derby entrollten die Lazio-Anhänger ein Transparent, auf dem „Auschwitz, la vostra patria. I forni le vostre case“ geschrieben stand. Übersetzt bedeutet dies: „Auschwitz, eure Heimat. Die Öfen eure Häuser“. Diesen Hardcore-Lazio-Anhänger blühten wie Unkraut: Sie konnten sich rasend schnell vermehren, da man sie einfach gewähren ließ.

Teil 2 unserer Reportage über Italiens faschistische Fans findet ihr morgen auf abseits.at!

Marie Samstag, abseits.at

Marie Samstag

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