Auch das dritte Wochenende der Weltmeisterschaft in Katar stand im Zeichen der Suche nach dem wahren Fußball, doch diesmal sollten unsere Pläne von kurzfristigen Verschiebungen oder dem Schlechtwetter durchkreuzt werden, sodass es per Flugzeug am Freitag in den Norden Deutschlands gehen sollte, wo wir Bremen anflogen und per Mietauto ins Quartier nach Westerstede, westlich von Oldenburg, weiterfahren. Dort hielten wir uns nicht lange auf, denn unser erstes fußballerische Ziel an diesem Wochenende sollte nämlich noch weiter westlich im ostfriesischen Emden liegen, wo der BSV Kickers Emden in einem Spiel der viertklassigen Regionalliga Nord auf den VfB Lübeck 1919 treffen sollte.
BSV Kickers Emden 1946 – VfB Lübeck 1919 0:6 (0:2)
Als Ballspielverein Emden 1946 gegründet, wobei das „B“ im Vereinsnamen in Zuge einer Fusion im Jahr 2008 von „Ballspielverein“ in Barenburger SV umbenannt wurde, durchlebte der Verein nach der Fusion zahlreiche Höhen und Tiefen. Man schaffte gleich die Qualifikation zur 3.Liga, jedoch zog man sich von dieser 2009 aus wirtschaftlichen Gründen wieder zurück und spielte danach in der Oberliga Niedersachsen. Für die Saison 2011/12 wurde keine Lizenz erteilt und noch im November 2011 Insolvenz angemeldet. Erst in der Saison 2019/2020 kehrte man in die Oberliga zurück und von dort aus gelang 2022 auch der Aufstieg in die Regionalliga Nord. Dort ist man derzeit (nach Absolvierung der Hinrunde) abgeschlagenes Schlusslicht und hat heute im Ostfrieslandstadion den Tabellenführer VfB Lübeck zu Gast, der doch eine ziemlich weite Anreise von der Hansestadt an der Ostsee hierher an das westlichste Ende der deutschen Nordseeküste hatte.
Die Lübecker streben nach dem Abstieg im Jahr 2021 eine Rückkehr in die 3.Liga an und sind daher heute auch klarer Favorit. Doch bevor es hier losgeht, wird die Stadiongastronomie ausprobiert. Wir verzichten auf die in Deutschland im Stadion traditionelle Bratwurst und gehen direkt zum Fischstand, wo uns das Überangebot an Fischbrötchen überfordert. Nach längerem Überlegen entscheiden wir uns für eine Bratheringsemmel. Ein Einheimischer ist da zielstrebiger als wir und ist mit dem Wort „Krabb´nbroot“ mit seiner Bestellung auch schon wieder fertig. Auch wenn die Bratheringsemmel in weiterer Folge mehr als gut mundet, wissen wir nun, dass wir diese Spezialität an diesem Wochenende jedenfalls auch noch probieren müssen.
Vor 911 Zuschauern sind zu Spielbeginn beide Fanseiten sehr motiviert. Die Emdener haben eine Fähnchenchoreo mit Überziehfahne vorbereitet. Diese präsentieren sie bereits zehn Minuten vor dem Spielbeginn und natürlich auch zum Mannschaftseinlauf. Der Gästeblock ist zu diesem Zeitpunkt noch betont zurückhaltend, doch kurz nach Spielbeginn wird der gut gefüllte Sektor der Lübecker durch bengalische Fackeln hell erleuchtet. Dieser fulminante Beginn auf den Rängen ist ganz nach unserem Geschmack und auch die Bestätigung, dass wir hier an der Nordseeküste eine richtig gute Begegnung zweier Traditionsvereine mit tollen Fanblöcken ausgewählt haben.
Auf dem Rasen kann das Schlusslicht aus Emden in der ersten halben Stunde überraschend gut mithalten. Allerdings hätte Lübeck in der 28.Minute nach einem Handspiel von Faqiryar per Elfmeter in Führung gehen können, ja eigentlich müssen. Doch Drinkuth schoss den Ball vom Elfmeterpunkt meterweit über das Tor. Im Publikum hört man ein hämisches: „Der könnte glatt für Deutschland spielen!“ Ein bisschen Sarkasmus findet sich in der Aussage wieder, denn Deutschland ist am Vortag ein zweites Mal hintereinander bei einer WM in der Gruppenphase ausgeschieden. Generell ist auf den Fußballplätzen aber doch mehr eine Boykottstimmung zu empfinden. An ein etwaiges Wintermärchen denkt hier niemand und diese Stimmungslage hätte sich auch bei einem Achtelfinaleinzug der Deutschen im Lande nicht geändert.
Doch die Führung der Lübecker lässt nicht lange auf sich warten, denn Thiel köpfelt in der 36.Minute das 1:0. Hauptmann erzielt mit einem Lupfer in der 45.Minute noch das 2:0 und somit scheint hier doch alles nach der Papierform zu verlaufen.
Nach dem Seitenwechsel kann Emden den Lübeckern nur mehr selten Paroli bieten. Egerer sorgte nach einem Eckball in der 50.Minute mit dem 3:0 für die Vorentscheidung. Drinkuth köpfelte in der 60.Minute völlig freistehend das 4:0, wobei Lübecker Großchancen davor und danach von der Emdener Hintermannschaft vereitelt werden konnten.
Die Grün-Weißen aus Lübeck schalten danach zwei Gänge zurück, aber die Emdener konnten die wenigen daraus resultierenden Chancen nicht nutzen. Einen Konter verwertete der eingewechselte Taritas in der 80. Minute, ehe Hovi in der 86.MInute zum Endstand von 6:0 für Lübeck traf. Während sich die VfB-Elf in der Gästekurve verabschiedete, wurde im Fansektor der Emdener die Mannschaft noch mit einer Pyroshow verabschiedet. Mit diesen tollen Eindrücken aus dem für uns doch schon sehr exotischen Emden geht es zurück ins Quartier, wo wir unser Samstagsprogramm noch völlig umstoßen sollten.
Heffridge
Philipp Karesch alias Heffridge wurde 1979 in Wien geboren und hatte von Kindesbeinen an die Lust am Reisen und Fußball zu spielen. Durch diese Kombination bedingt, zieht es ihn nach wie vor auf die Fußballplätze dieser Welt. Die dort gesammelten Eindrücke sind ein fixer Bestandteil der abseits.at-Kolumne Groundhopper's Diary.
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