Begonnen hat eigentlich alles zu Ostern 2011. Da standen wir noch auf der Baustelle des Nationalstadions in Bukarest und schworen, zum Finale der Europa League 2012 wieder hierher zu kommen. Nun ist seither über ein Jahr vergangen und nachdem die Flüge schon vor einigen Monaten gebucht und uns Karten für das Endspiel zugeteilt wurden, war klar, dass sich dieser Plan in die Tat umsetzen lassen würde.
Außerdem hatten wir großes Glück mit den Ansetzungen! Da die ersten Frühjahrsrunden der rumänischen Meisterschaft aufgrund der Witterungsbedingungen im Februar verschoben wurden, gab es jetzt ein Terminproblem, sodass er rumänischen Verband zur Zeit des Europa-League-Finales eine englische Runde abhalten musste.
Am Finaltag mussten wir zeitig in der Früh am Flughafen sein: Der Abflug war ja bereits vor sieben Uhr. Als wir am Vormittag in Bukarest ankamen, war bereits alles auf das Finale abgestimmt und Basken sowie Spanier wurden gleich zu ihren Fanmeilen gelotst. Uns interessierte das Finale und das Drumherum vorerst nicht. Nachdem wir unser Mietauto abholten und unser Gepäck im Hotel ablieferten, ging es nämlich direkt weiter nach Mioveni, das 130 Kilometer westlich von Bukarest liegt.
Selbst am frühen Nachmittag waren die Ausfallstraßen in Bukarest verstopft, was uns für die Anreise zum Europa-League-Finale am Abend etwas Kopfzerbrechen bereitete. Mioveni wurde jedenfalls problemlos erreicht, wobei es vom Autobahnende in Pitesti bis zum Ziel rumänische Landstraßen vom Feinsten – mit großem Schlaglochfaktor – gab. Beim Stadion war eine Stunde vor Spielbeginn natürlich noch nichts los, sodass wir uns noch ins Zentrum der Stadt des (Haupt-)Dacia-Werks begaben.
Wieder zurück beim Stadion war dann schon etwas mehr los und kaum waren wir drinnen gab es schon den ersten Ärger. Wir wurden einer Ausweiskontrolle unterzogen, weil wir den Einsatzwagen der „Jandarmeria“ (rumänische Spezialbehörde mit Militärstatus) fotografierten. Doch mit ein bisschen Blödstellen und dem Versprechen, so etwas nicht mehr zu tun, entließ man uns gleich wieder. Da haben wir nochmals Glück gehabt, aber nun stand dem Fußballvergnügen wirklich nichts mehr entgegen.
Im Stadionul Orăşenesc, das aus drei massiven Stahltribünen besteht, war an diesem Nachmittag der FC Braşov zu Gast. Mehr als 500 Zuschauer verirrten sich aber nicht zu diesem Erstligaspiel, zumal der CS Mioveni, der überhaupt nur durch zahlreiche Lizenzentzüge in dieser Saison als Aufsteiger nachgerückt ist, bereits wieder abgestiegen und hoffnungslos am Tabellenende einzementiert ist. Das Spiel war dann auch ein Langeweiler. Es gab kaum Torchancen oder nennenswerte Spielzüge. So kam es aber, dass wir uns beim Körnerverkäufer unseres Vertrauens zahlreiche Snacks besorgten und uns dieser in der zweiten Halbzeit sogar mir frischen Brezen belieferte.
Dank unserer Freigiebigkeit machte er wohl an diesem Nachmittag den Umsatz seines Lebens. Apropos zweite Halbzeit… Zu Beginn dieser kamen auch die Fans aus Braşov an. Die Vermutung liegt hier nahe, dass die Supporter die kurzfristige Verlegung des Spiels von 17.00 auf 16.00 Uhr nicht mehr mitbekommen haben. Nach mehrmaligen Aufenthalten in Rumänien war ich schon öfters von kurzfristigen Spielplanänderungen betroffen. Diese gibt es im rumänischen Spielplan leider so häufig, wie das Amen im Gebet. So kam es beispielsweise auch zur skurrilen Situation, dass in dieser Runde das Spiel von Sportul Studendesc gegen den amtierenden Meister Oţelul Galaţi am Dienstagabend von Donnerstagabend auf Mittwochnachmittag vorverlegt wurde. Dass dann nur mehr 200 Zuschauer bei diesem Spiel waren, braucht niemanden mehr wundern.
In Mioveni sah jedenfalls alles nach einem torlosen Unentschieden aus. Wir waren schon am Weg zum Ausgang, als es noch zu einem Konter für den FC Braşov kam. Dieser führte in der Schlussminute zum völlig unverdienten 0:1 und bescherte dem Mittelständler aus Braşov glückliche drei Punkte.
Wir kämpften uns auf der Rückreise durch den Bukarester Abendverkehr und waren kurz nach 20 Uhr beim Hotel. Da uns noch über eineinhalb Stunden bis zum Anpfiff im Bukarester Nationalstadion blieben, konnten wir sogar gemütlich zu Fuß dorthin gehen. Das war auch die richtige Entscheidung, denn die Busse wären sowieso im Stau gestanden und so konnte man noch gemütlich etwas Trinken und dabei das Fantreiben ein wenig genießen. Offiziell war das Stadionul Naţional Bucureşti an diesem Abend in spanischer Hand, aber bei näherer Betrachtung war das Spiel Atlético de Madrid gegen Athletic Club Bilbao, doch ein „Länderkampf“ zwischen Spanien und dem Baskenland, der diesem Endspiel durchaus internationales Flair verlieh.
Vor 52.347 Zuschauern wurde auf dem Rasen eine imposante Eröffnungszeremonie geboten und Atlético sorgte seinerseits auch noch für eine Choreografie auf den Rängen. Auch zu Beginn des Spiels nahm Atlético das Heft in die Hand und führte durch einen Doppelschlag von Falcao zur Pause bereits mit 2:0. Bilbao war dadurch sichtlich geschockt und kam erst nach der Pause so richtig ins Spiel. Mitte der zweiten Spielhälfte wurden einige hochkarätige Chancen vergeben, doch der Ball wollte nicht ins Tor und es sollte einfach nicht der Abend der Basken werden.
So setzte auch noch in den letzten Minuten dieser Partie der von Wolfsburg geliehene Diego mit dem 3:0 den Schlusspunkt! Die leicht zu favorisierenden Basken wurden somit haushoch geschlagen. Dies führte im Block Bilbaos zu zahlreichen ratlosen Gesichtern und einem Meer von Tränen. Atlético und deren Fans hingegen feierten im Stadion noch ausgiebig. Nach der Pokalübergabe machten sie in Bukarest auch die Nacht zum Tag und feierten bis in die Morgenstunden.
Da es auch bei uns etwas länger wurde, blieben wir am nächsten Morgen etwas länger liegen und wechselten unser Quartier, zumal wir anfangs nur für die Nacht des Finales ein Zimmer gebucht hatten. Es wusste vorab auch keiner, wie der Spielplan aussehen würde und so hätte durchaus passieren können, dass wir Bukarest hätten verlassen müssen und wir das Wochenende im Norden oder Westen des Landes verbracht hätten. Nachdem uns die Ansetzungen gestern zusätzlich das Spiel in Mioveni bescherten, war uns das Glück auch an diesem Donnerstag hold.
Um 17.00 Uhr sollte das Erstligaspiel Astra Ploiesti gegen Concordia Chiajna (phonetisch: Kiaschna) stattfinden. Ist die Verkehrshölle der Bukarester Innenstadt einmal durchquert – mittlerweile hatten wir darin auch eine halbwegs respektable Übung –, geht es dann ziemlich zügig die 80 Kilometer in den Norden. Da das Astra-Stadion in Ploiesti mehr als zeitgerecht erreicht wurde, konnte zuvor noch etwas Verpflegung besorgt werden. Schließlich sollte einem bekannt sein: Mit Snacks im Stadion zu rechnen, ist in Rumänien immer ein Vabanquespiel und das hat sich an diesem Nachmittag einmal mehr bestätigt. Zu Spielbeginn fanden sich nur rund 400 Besuchern ein, von denen sich auch noch etwa 150 im Auswärtssektor befanden. So blieben im Stadion alle Gastronomieeinrichtungen geschlossen und auch alle Körnerverkäufer schwänzten das Spiel.
Auf dem Rasen wurde auch Magerkost serviert. Immerhin gab es aber in den ersten 45 Minuten einen Treffer für Chiajna. Richtig los war nur etwas kurz vor der Pause, denn es gab eine gelb-rote Karte gegen Astra. Die Spieler und die Betreuer waren selbst nach dem Pausenpfiff noch so sehr erbost darüber, dass der Schiedsrichter von allen Seiten attackiert wurde. Zum Glück blieb dieser ruhig, denn es wäre nicht das erste Mal gewesen, dass in Rumänien ein Spiel wegen Prügeleien auf dem Platz vorzeitig abgebrochen worden wäre.
Nach dem Wiederanpfiff ging es dann auch wieder gesitteter zu. Sportlich sorgten aber nur mehr die Gäste aus Chiajna für Aufsehen. In der 50. Minute vergaben sie einen Elfmeter und somit die Chance zur Vorentscheidung. Allerdings machten sie diesen Fehler wenige Minuten später wieder gut und trafen aus dem Spiel ein zweites Mal. In der letzten halben Stunde konnte man die Abendsonne auf der Tribüne genießen, denn einerseits lud das Wetter dazu ein und andererseits passierte im Astra-Stadion bis zum Schlusspfiff auch nichts Erwähnenswertes mehr.
Danach ging es für uns wieder zurück nach Bukarest. Diesmal in den Stadtteil Ghencea, wo der erfolgreichste Verein Rumäniens, Steaua Bukarest, beheimatet ist. Da Partie gegen Aufsteiger Ceahlăul Piatra Neamţ erst um 21.30 Uhr angepfiffen wurde, blieb uns wieder etwas Zeit, um sich vor dem Stadion bei der obligaten Zigeunerin seines Vertrauens eine Packung Sonnenblumenkörner zu besorgen. Diesmal habe ich die Rechnung allerdings ohne den Wirt gemacht: Die Security nahm mir das Sackerl mit den Körnern gleich beim Eingang wieder ab, denn im Steaua-Stadion herrscht offizielles Körnerverbot. Glücklicherweise schafften es andere Leute ihrer Körner sicher ans Ziel zu bringen. So war es dann zumindest eine Genugtuung zu sehen, wie die Tribünen im Stadion – trotz des Verbotes – von den Schalen der Körner übersät wurden.
Die Zuschauerzahl war mit 7.234 doch ganz ordentlich (eine Hochrechnung der Körnerreste überlasse ich gerne der Security), wobei Steaua sogar zwei Fanblöcke aufzuweisen hatte und Ceahlăul auch einen Bus mit Auswärtsfahrern mitbrachte. Nicht schlecht, wenn man bedenkt, dass unter der Woche gespielt wurde und man doch schon ein Weilchen (fast 400 Kilometer über die Landstraße) in den Norden fahren muss, um nach Piatra Neamţ zu gelangen.
Spielerisch war die erste Halbzeit ganz ansehnlich. Steaua dominierte zwar die Partie und erspielte sich einige gute Chancen. Die Gäste aber waren beim Kontern stets brandgefährlich. In der zweiten Halbzeit verflachte das Spiel leider zusehends. Dies lag vor allem daran, dass Steaua kaum mehr brauchbare Angriffe zeigte. Ceahlăul blieb seiner Taktik treu, versemmelte aber die wenigen Konterchancen kläglich. So kam es wie es kommen musste und der Serbe Novak Martinovic traf – wenn auch eher zufällig – zum 1:0 für die Hauptstädter. In der Schlussphase konnte Ceahlăul dem Spiel keine Wende mehr geben, sodass es bei einem doch glücklichen Sieg für Steaua blieb.
In das Rennen um die Meisterschaft konnte Steaua trotz des Siegs allerdings nicht mehr eingreifen. Diese wurde zwischen dem CFR Cluj und dem FC Vaslui entschieden. Für Steaua blieb immerhin der Trost noch die Nummer eins der Stadt zu sein.
Für uns war fußballerisch bereits die Halbzeit angebrochen. Nun sollten vermehrt Zweitligaspiele folgen, die jedoch bezüglich Erlebnissen und sonstiger Skurrilitäten den ersten Teil der Reise noch übertreffen. Mehr darüber allerdings im zweiten Teil des Rumänien-Berichtes.
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Heffridge
Philipp Karesch alias Heffridge wurde 1979 in Wien geboren und hatte von Kindesbeinen an die Lust am Reisen und Fußball zu spielen. Durch diese Kombination bedingt, zieht es ihn nach wie vor auf die Fußballplätze dieser Welt. Die dort gesammelten Eindrücke sind ein fixer Bestandteil der abseits.at-Kolumne Groundhopper's Diary.
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