Gradačac ist eine Stadt mit 48.000 Einwohnern im Kanton Tuzla. Die Stadt gehört seit dem Daytoner Abkommen aus dem Jahre 1995 zur Föderation und... Groundhopper’s Diary | Bosnien – Der Fußball als Spiegelbild der (zerrütteten) Gesellschaft?

bosnienGradačac ist eine Stadt mit 48.000 Einwohnern im Kanton Tuzla. Die Stadt gehört seit dem Daytoner Abkommen aus dem Jahre 1995 zur Föderation und liegt an der Grenze zur Republika Srpska. Die Sehenswürdigkeiten sind der (Aussichts-)Turm Kula und eine Moschee. Des Weiteren ist die Stadt seit 2008 in der obersten Spielklasse Bosnien-Herzegowinas, der Premijer Liga, vertreten. Damals stieg der NK Zvijedza Gradačac überlegen auf und hielt sich seither problemlos in der Liga. Das Stadion Banja Ilidža wird seitdem auch stetig erweitert. Bis jedoch die ehrgeizigen Pläne mit zwei vollständig überdachten und über die gesamte Längsseite gehenden Tribünen verwirklicht werden, wird wohl noch etwas Zeit vergehen. Zumindest steht eine neue Tribüne bereits, wenngleich diese auch noch unüberdacht ist und sich der Innenbereich noch in der Rohbauphase befindet. Die Kapazität des Stadions beträgt derzeit 5.000.

„Horde Zla“ zu Gast in Gradačac

Warum gerade Gradačac das heutige Ausflugsziel sein sollte, ist auch schnell erklärt, denn der NK Zvijedza Gradačac hatte den Vizemeister FK Sarajevo zu Gast. Einerseits lockt dieser Gegner generell mehr Zuschauer an, andererseits kann man sich sicher sein, dass der FK Sarajevo mit einer mindestens dreistelligen Anzahl von Fans der „Horde Zla“ begleitet wird. Daher war auf den Rängen eine tolle Stimmung garantiert.

Auf Deutsch bedeutet der Name dieser Ultragruppe übrigens „Horde des Übels“. Schon vor dem Zerfall Jugoslawiens und den Kriegswirren Anfang der 1990er Jahre, war diese sich als „bosnisch“ bezeichnende Gruppierung berüchtigt und in Ausschreitungen mit meist nationalistischem Hintergrund verwickelt.

Der lange Schatten des 04.10.2009

Am 04.10.2009 geriet die „Horde Zla“ in die Schlagzeilen. Damals kam es im Zuge des Meisterschaftsspiels in Široki Brijeg zu einer der schlimmsten Ausschreitungen im bosnischen Fußball der Gegenwart. An diesem Tag waren die Einsatzkräfte in der Herzegowina, dem mehrheitlich von Kroaten bewohnten Teils des Landes, auf das zeitgleich in Mostar stattfindende Derby zwischen dem muslimischen FK Velež und dem kroatischen HŠK Zrinjski fokussiert, um dort mögliche Ausschreitungen der nationalistischen Fangruppen zu verhindern. Široki Brijeg war daher mit Einsatzkräften unterbelegt, obwohl bei diesem Spiel dieselben brisanten Voraussetzungen der rivalisierenden Fangruppen wie beim Derby in Mostar herrschten. Die Polizei hatte die Lage in jedem Fall (bewusst oder unbewusst) falsch eingeschätzt und so gerieten die Fangruppen vor dem Stadion aneinander. 30 Personen wurden verletzt, sechs davon schwer. Im Getümmel fiel ein Schuss aus einer Polizeiwaffe, der das „Horde Zla“-Mitglied Vedran Puljić tötet. Ein Polizist und ein Passant, die auf die Menschenmenge geschossen haben, werden festgenommen. Dem verdächtigen Passanten gelingt nach wenigen Stunden die Flucht aus dem Gefängnis.

Die folgenden Ermittlungen waren voll von Ungereimtheiten und es bleiben viele Fragen offen. Offiziell führten sie zu keinen Ergebnissen, weshalb dieser Fall ungesühnt bleibt.

Der Tod Puljićs dokumentierte auch die latent vorliegenden, ethnischen Spannungen in Bosnien-Herzegowina und senkte erneut das ohnehin schon geringe Vertrauen der Fußballfans in die Sicherheitskräfte.

Die Polizei zog nach den Vorfällen in Široki Brijeg hingegen die Daumenschrauben gegenüber einzelner Ultragruppen noch fester an. Die Horde Zla wird seither vor allem bei Auswärtsfahrten streng bewacht und beim Einlass ins Stadion genau kontrolliert. So auch diesmal in Gradačac, zumal sich die Vorfälle vom 04.10.2009 zum vierten Mal jährten. Im Minutentakt werden vier bis fünf Fans ins Stadion gelassen, sodass es schon bis zur Halbzeit dauerte, bis der mitgereiste Block (rund 300 Personen) vollzählig im Stadion war.

NK Zvijezda Gradačac – FK Sarajevo 0:0

Das Stadion Banja Ilidža war mit 2.500 Zuschauern an diesem Tag ganz gut besucht. Das Heimpublikum nahm auf der großen Haupttribüne Platz, während sich auf der Gegentribüne nur die Gästefans und die Kamerateams befanden. „Gratisblitzer“ gab es auch noch. Rund 100 Leute zogen es vor, sich die fünf konvertible Mark (= 2,50 Euro) Eintrittsgeld zu sparen und verfolgten das Spiel von einem Waldhang hinter dem Tor. Einen Heimsupport gab es nicht wirklich. Am Ende der Haupttribüne versuchten eine Gruppe von Kindern – wohl allesamt Nachwuchskicker von Zvijezda – ein wenig Stimmung zu machen. Doch sobald die „Horde Zla“ einen Gesang anstimmte – was bei Dauergesang fast 90 Minuten immer der Fall war –, wurden diese übertönt.

Auch auf dem Spielfeld gab Sarajevo das Tempo vor. Trotz Feldüberlegenheit kamen die Gäste zu wenigen Torchancen. Kam es dann zu einer solchen, dann war der Tormann Gradačacs zur Stelle. Zvijezda spielte aber gut mit, sodass das Heimpublikum  jedenfalls zufrieden mit der Leistung ihrer Mannschaft war. Applaus wurde auch für die „Horde Zla“ gespendet als diese ein Spruchband mit den Worten „Istina za Vedrana“ (= Wahrheit für Vedran) in die Höhe hielt. Eine Aktion, die einerseits zeigt, dass man Puljić auch an seinem vierten Todestag noch gedenkt, anderseits zeigt sie aber auch den Protest gegen die Exekutive des Landes.

Zu Beginn der zweiten Spielhälfte war die Polizei dann direkter Angriffspunkt der Gästefans. Diese zündeten nämlich einige Bengalen und warfen diese zielgerecht in Richtung der Polizeibeamten, die den Gästesektor bewachten. Die Beamten zeigten aber keine Reaktion auf diese Würfe. Das war wohl das Sinnvollste, um eine Eskalation zu verhindern und möglicherweise erneut Verletzte in Kauf zu nehmen.

So kam es auf den Rängen bis zum Schlusspfiff zu keinen weiteren Vorkommnissen. Auf dem Spielfeld blieb es ebenfalls ruhig. Der FK Sarajevo war dem Sieg zwar näher, aber ohne ein Tor zu erzielen holt man eben bestenfalls nur einen Punkt. So blieb es bei einem torlosen Unentschieden in einem sportlich eher schwachen Spiel. Die Hauptakteure waren heute nicht auf dem Rasen, sondern auf den Rängen zu finden. Durch sie konnte man an diesem Tag einen kleinen Einblick über den Alltag und Verständnis für die Probleme Bosnien-Herzegowinas bekommen.

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Heffridge

Philipp Karesch alias Heffridge wurde 1979 in Wien geboren und hatte von Kindesbeinen an die Lust am Reisen und Fußball zu spielen. Durch diese Kombination bedingt, zieht es ihn nach wie vor auf die Fußballplätze dieser Welt. Die dort gesammelten Eindrücke sind ein fixer Bestandteil der abseits.at-Kolumne Groundhopper's Diary.

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