Nachdem abseits.at immer mal wieder auf Unterhaus-Sportplätzen zu Gast ist, scheuten wir dieses Mal weder Wind noch Regen und waren bei der oberösterreichischen Relegation... Groundhopper’s Diary: Das Schicksalsspiel im oberen Mühlviertel

SpielszeneNachdem abseits.at immer mal wieder auf Unterhaus-Sportplätzen zu Gast ist, scheuten wir dieses Mal weder Wind noch Regen und waren bei der oberösterreichischen Relegation live vor Ort. Für die einen heißt es bitte nachsitzen, um die Klasse doch noch zu halten. Für die anderen gibt es eine zweite Chance zum Aufstieg. Auch im oberen Mühlviertel war es gestern wieder so weit: Die Union Nebelberg (Zweiter der 2. Klasse Nordwest) empfing die Union aus Klaffer (11. der 1. Klasse Nord). Die beiden Orte trennen keine zehn Kilometer, dementsprechend groß ist die Rivalität und somit trotz herbstlicher Witterungsverhältnisse auch der Fan-Andrang.

Für die große, weite Fußballwelt mag dieses Match wohl von eher untergeordnete Bedeutung sein, doch für die knapp 2.000 Einwohner der beiden Ortschaften ist es – zu Recht – das Spiel des Jahres! Und für die meisten Hobbykicker die am Nebelberger Sportplatz auflaufen dürfen, ist es sowieso ein Karriere-Highlight, weil wohl nur die Wenigsten bald mal wieder vor so vielen Zuschauern aufgeigen dürfen.

Doch für den Heimverein kommt diese „Zusatzbelastung“ zu einem denkbar ungünstigen Zeitpunkt. „Dieses Wochenende wäre ja eigentlich für das stattfindende Zeltfest reserviert“, klagt der Obmann. So steckt der Durchschnitts-Nebelberger jetzt in der Zwickmühle in seiner Sonntagsplanung: beschaulicher Familiennachmittag im örtlichen Bierzelt oder doch auf zum Rückspiel nach Klaffer? Auch die Aufbauarbeiten für eben jenes Zelt verkomplizierten sich durch die Sonderschicht der Kicker zusehends. „So müssen eben die Kollegen von der Feuerwehr vermehrt mit anpacken, hilft nichts“, erklärt ein Zuschauer emotionslos. Dagegen dürften zumindest die Eintritte die Mühen finanziell entschädigen, laut Platzsprecher pilgerten 856 Zuschauer ins „Waldparkstadion“, das nur einen Torwartausschuss von der bayerischen Grenze entfernt liegt.

Stolz ist man auf die Tatsache, dass beide Mannschaften nur auf heimische Spieler setzen. Bei Nebelberg stammt sogar der ganze Kader aus der eigenen Gemeinde, die aber eben nur knapp 600 Seelen zählt! Was wenig überraschend denkbar ungünstig für die Größe des Kaders, aber optimal für den Lokalpatriotismus ist, gefühlt ist nämlich heute der ganze Ort hier am Sportplatz vertreten. Da zur Feier des Tages auch der Griller vom Dachboden geholt und angeworfen wurde, geht’s gestärkt mit dem Lieblingssnack des Oberösterreichers – einer leckeren Bosna – dann endlich los. Die besten Plätze am Kantinen-Balkon und auf der Tribüne sind rar und demnach auch schon vergeben, auf der angrenzenden Böschung wird man bei der Platzsuche fündig. Mit viel Tamtam und unter tosendem Applaus ziehen dann die 22 lokale Helden ein. Beiden Mannschaften kennt man die Bedeutung dieses Abends an, die Beine wirken etwas verkrampft. So ist es auch wenig verwunderlich, dass anfangs nur wenig zusammenläuft. Ein Elfmetertor für die Gäste ist das Highlight der ersten Halbzeit.

In die Pause glühen die provisorisch aufgestellten und von der hiesigen Damenmannschaft routiniert betreuten Zapfanlagen auf Hochtouren, der Mühlviertler ist donnerstagabends eben durstig. Am Feld gaberln sich die Ersatzspieler im Dauerregen die Bälle zu und aus dem schon etwas stockend klingenden Lautsprecher wird pausenfüllend noch einmal auf das Fest und sämtliche andere Aktivitäten aufmerksam gemacht. Rund geht es dann im zweiten Abschnitt, wo der Topscorer der Heimischen, David Pfoser, die Gäste vernascht und zum vielumjubelten Ausgleich trifft. Doch nur zwei Bierschlucke später legt der Gast das zweite Auswärtstor nach und sichert sich mit einem 2:1 auswärts eine perfekte Ausgangsposition.

Zum Abschluss drückt ein eher enttäuschter Stammgast der Heimmannschaft seine Meinung über den Relegationsmodus mit nicht ganz so freundlichen Worten, dafür aber umso lautstärker aus. Wenigsten die Jüngsten sind zufrieden, auf die achtlos stehengelassenen Becher wird Jagd gemacht und so das Taschengeld aufgefettet. Nach dem Spiel zieht die Besucherschar dann wieder von Tannen, was nicht mehr ganz so stressfrei abläuft. Die begrenzten Abreise-Möglichkeiten führen zu einem eher unüblichen Mini-Verkehrschaos in der kleinen Gemeinde. Doch der Blick auf das idyllische Grün ringsum, eingehüllt in einen nassen Nebelschleier entschädigt zumindest im warmen Auto für die Beschwerlichkeiten dieses herbsttauglichen Juni-Abends.

 

Werner Sonnleitner

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