Wien und Bratislava trennen nur 70 Kilometer und mittlerweile hat die Bevölkerung auf beiden Seiten diese Nähe im Alltag zu schätzen gelernt. Größtenteils noch... Groundhopper’s Diary | Fußballromantik bei unseren slowakischen Nachbarn

Slowakei Flagge_abseits.atWien und Bratislava trennen nur 70 Kilometer und mittlerweile hat die Bevölkerung auf beiden Seiten diese Nähe im Alltag zu schätzen gelernt. Größtenteils noch unentdeckt ist bislang das Unterhaus der dortigen Region. Immerhin wurde die Stadtliga Bratislavas durch eine Ligareform zu einer Regionalliga aufgewertet und zieht seither auch vermehrt Besucher aus Österreich an. Aber auch unterhalb dieser dritten Leistungsstufe, gibt es einiges Sehenswertes in Bratislava und wenn man noch ein Kilometer Richtung Osten fährt, dann bekommt man im Bezirk Dunajská Streda von idyllischen Dorfplätzen bis zu überdimensionierten Stadien für Fünftligisten wirklich alles zu sehen.

ŠK Krasňany Bratislava – OFK Dunajská Lužná B 1:2 (1:0)

Am Samstagvormittag trägt der ŠK Krasňany im Stadtteil Bratislava-Rača in der VI. Liga Bratislava, der zugleich niedrigsten Spielklasse in dieser Region, seine Heimspiele aus, wobei man mit dem Futbalové ihrisko ŠK Krasňany sogar mit einem eigenen Sportplatz aufwarten kann.

Dort fühlte ich mich sofort an meine Kindheit in den 1980ern erinnert. Alles ist genauso wie damals, als ich an den Wochenenden meine ersten Fußballspiele auf diversen Wiener Fußballplätzen zerrissen habe. Das waren allesamt Plätze, auf denen es neben dem Feld nur noch eine Holzbaracke gab, die sowohl die Kabinen als auch die Kantine beherbergte. In Wien sind diese Plätze mittlerweile entweder geschliffen oder renoviert worden, aber hier in Bratislava gibt es diese fußballhistorischen Stadtsportplätze noch. So war es wahrlich eine Freude, dass ich hier zwei Stunden verbringen dürfte.

Rund 40 Zuschauer verfolgten das Spiel gegen die Zweitvertretung des Zweitligisten OFK Dunajská Lužná. Der ŠK Krasňany ist als Tabellendritter gegen den Vorletzten klarer Favorit. Es werden sich zahlreiche Chancen erspielt und der Pausenstand von 1:0 ist für die Gäste schmeichelhaft. Nach dem Seitenwechsel werden weiterhin unzählige Hochkaräter vergeben, während Dunajská Lužná schnörkellos mit der ersten Chance den Ausgleich erzielte. Wenig später sind die Gäste nach einer roten Karte nur mehr zu zehnt, aber in Unterzahl gelang kurz vor Schluss völlig überraschend deren zweiter Treffer. Im Gegenzug setzte der ŠK Krasňany einen Schuss an die Innenstange. Das war die letzte Aktion in diesem Spiel. Mit hängenden Köpfen verlassen die Gastgeber das Feld. „Chancen für zehn Spiele und dennoch verlierst Du“, meinte ein Spieler Krasňanys beim Abgang und damit hatte er vollkommen recht.

ŠK Svätý Jur – FK Rača Bratislava 4:0 (3:0)

Am Nachmittag ging es in Svätý Jur wieder zurück in die Gegenwart. Der dortige Drittligist befindet sich im Aufstiegskampf in die zweite Liga, sodass das Štadión ŠK Svätý Jur bereits zweitligatauglich gemacht wird. Immerhin hat man schon eine moderne Tribüne, in der Kantine und der Umkleidebereich integriert sind, errichtet. So ähnelt der Platz ein wenig einem der vielen Neubauten im österreichischen Unterhaus und im Falle eines Aufstiegs eignet sich die brachliegende Gegenseite perfekt zur Installierung der noch fehlenden, aber notwendigen Sitzbereiche sowie des Gästesektors.

In dieser Runde traf man auf den geografischen Nachbarn FK Rača. Die Gäste, die ihres Zeichens von 2006 bis 2011 in der zweiten Liga spielten, hatten aber sportlich dem ŠK Svätý Jur nichts entgegen zu setzen. Rača geriet bereits nach wenigen Minuten in Rückstand und war zur Pause schon mit 3:0 hinten. So musste Svätý Jur nach dem Seitenwechsel nicht mehr ans Limit gehen, um diese Partie zu gewinnen. Dennoch fiel ein vierter Treffer für die Gastgeber, die damit in dieser Saison weiterhin ungeschlagen bleiben. Aufgrund einer Niederlage des bisherigen Leaders, dem SK Báhoň, konnten sie sich auch an die Tabellenspitze setzen.

 TJ Dynamo Blatná na Ostrove – TJ Kostolné Kračany 0:2 (0:1)

Am Sonntag sollte es in den Bezirk Dunajská Streda, der Hochburg der ungarischsprachigen Minderheit in der Slowakei gehen. Die dortige sechstklassige Bezirksliga ist, ob ihrer zahlreichen Spiele um 10.30 Uhr, wahrlich ein Eldorado für Groundhopper. Nette Dorfplätze mit aufgeheizter Stimmung sind dort immer garantiert. So auch an diesem Sonntag auf dem Futbalové ihrisko in Blatná na Ostrove.

150 Zuschauer kamen zum heutigen Spiel gegen den Tabellenführer TJ Kostolné Kračany, aus dem gleichnamigen Vorort der Bezirkshauptstadt Dunajská Streda. Der TJ Dynamo Blatná na Ostrove geriet von Beginn an spielerisch ins Hintertreffen und folgerichtig auch bald in Rückstand. Drei ältere Herren waren daher mit der Leistung ihres Teams überhaupt nicht zufrieden und schimpften unentwegt. Erst als der Kapitän der Heimmannschaft ihnen bei einer Spielunterbrechung betont seine Meinung darüber sagte, wurde es ruhiger. Gekränkt von dieser Kritik boykottierten die Drei in der Pause die Ausschank des Vereins und fuhren per Fahrrad in die Dorfkneipe, um dort ihren Schnaps zu kippen.

In den zweiten 45 Minuten kam Blatná na Ostrove zwar besser ins Spiel, ein Treffer wollte aber nicht gelingen. Der TJ Kostolné Kračany ließ sich von der Drangperiode der Gastgeber auch nicht aus dem Konzept bringen. Nach einem Eckball konnte der Stürmer ungedeckt und aus kurzer Distanz einnicken. Der zweite Treffer an diesem Vormittag entschied sohin diese unterhaltsame Vormittagspartie im slowakischen Unterhaus.

FK Zlaté Klasy – ŠK Šoporňa 1:0 (0:0)

Da Blatná na Ostrove und Zlaté Klasy nur 14 Kilometer trennen, hatte man doch einiges an Zeitpolster bis zum Anpfiff des Nachmittagsspiels. Essen gehen ist da natürlich ein willkommener Zeitvertreib, aber wenn das einzige Restaurant am Sonntag geschlossen hat, gestaltet sich die Sache schon etwas schwieriger. Immerhin gab noch einen Pizzazustelldienst, der von einer Mutter und ihrer Tochter betrieben wird. Meine Ungarischkenntnisse reichten immerhin aus, um vor Ort ein Mittagessen zu erhalten und die Neugier der Inhaberin, warum es uns gerade hierher verschlagen hat, zu befriedigen.

Gestärkt ging es dann ins Futbalový štadión FK Zlaté Klasy, wobei der Ort von den Bewohnern ausschließlich – in ihrer Muttersprache – Nagymagyar, wie es auch ein Graffiti auf der Haupttribüne zeigt, genannt wird. Das Stadion ist für einen Fünftligisten überdimensioniert und bietet Platz für 4.000 Besucher. Es hat auf beiden Längsseiten zwei überdachte Tribünen und einen weitläufigen Eingangsbereich mit zahlreichen Stehtischen vor der Ausschank.

Die meisten der 250 Zuschauer kamen pünktlich zum Anpfiff und versäumten daher die musikalische Zeitreise durch ungarische Schlagerwelt. Von den fünfziger Jahren bis hin zur Gegenwart gab es jede Menge Gute-Laune-Musik an der Frühlingssonne. Das Spiel an sich hatte nur wenige Höhepunkte. Gleich in der ersten Aktion verletzte sich ein Stürmer des ŠK Šoporňa beim Zusammenprall mit dem Tormann und musste mit einer offenen Wunde am Bein ausgewechselt werden.

Bereits weit mitten der zweiten Halbzeit gab es einen Freistoß für den FK Zlaté Klasy. Mitfahrer Alex meinte erwartungsvoll, dass es jetzt klingeln wird und das tat es tatsächlich. Es war zwar nur das Handy des Vordermanns, aber immerhin lag er mit seiner Prognose richtig. Der Freistoß war aber gar nicht schlecht platziert und ging an die Stange. Dennoch lasse ich mich in der 83. Minute zu einem Kommentar hinreißen, dass nichts mehr passieren wird. Weit gefehlt, denn nur Sekunden später zappelte der Ball im Netz. Dank eines Kopfballtreffers ging Zlaté Klasy in Führung.

Die aus Šoporňa mitgereisten Zuseher lassen danach auf Slowakisch ihrem Unmut freien Lauf darüber, dass sie als bessere Mannschaft auf der Verliererstraße sind. Das heimische Publikum quittierte in der Landessprache, dass sie doch nach Hause fahren sollten, punktelos wohl gemerkt. Das taten die Gäste dann auch. Beim Abgang gab es natürlich wieder einen ungarischen Schlager. Dieser trug der den Titel „Győztünk“ (übersetzt: „Wir haben gewonnen“).

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Heffridge

Philipp Karesch alias Heffridge wurde 1979 in Wien geboren und hatte von Kindesbeinen an die Lust am Reisen und Fußball zu spielen. Durch diese Kombination bedingt, zieht es ihn nach wie vor auf die Fußballplätze dieser Welt. Die dort gesammelten Eindrücke sind ein fixer Bestandteil der abseits.at-Kolumne Groundhopper's Diary.

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