Nun folgt die Fortsetzung unseres Rumänienabenteuers. Wo haben wir noch aufgehört? Aja, am Donnerstag! An dem Tag wurde es nach dem Steaua-Spiel wieder spät. Wir nahmen uns am nächsten Morgen prompt wieder den Luxus, länger zu schlafen, weil bei uns nur ein Spiel auf dem Programm stand. Dieses sollte am Abend in Buzău stattfinden, das 100 Kilometer nordöstlich von Bukarest liegt. Die Zeit bis zur Abfahrt vertrieben wir uns in der Altstadt, denn eine Besichtigung des Präsidentenpalastes wäre wohl ein wenig zu knapp geworden. Stress wollten wir an diesem Tag gar nicht antun und so fuhren wir auch schon am frühen Nachmittag zu unserem Zielort. Auch wenn halb Bukarest am Freitagnachmittag aus der Stadt wollte, war die Landstraße ab der Stadtgrenze überraschenderweise nicht so voll und somit erreichten wir Buzău sogar zwei Stunden vor Spielbeginn. Wir machten es uns in einer Schirmbar bei einem Park unweit des Stadions bequem und genossen bei sommerlichen Temperaturen das Treiben der Bevölkerung auf den Straßen.
Kurz vor 18.00 Uhr begaben wir uns dann ins Stadionul Municipal, wo etwa 500 Besucher auf den Anstoß dieses Zweitligaspiels gegen FCM Dunărea Galați warteten. Während Gloria Buzău nur mehr theoretische Chancen auf den Klassenerhalt hatte, waren die Gäste aus Galați bereits all ihrer Abstiegssorgen entledigt. Aufgrund dieser Voraussetzungen war dieser Kick der Ostgruppe in Liga 2 nicht wirklich eine Offenbarung. Jedoch hatte das Publikum nach langer Zeit wieder einmal Grund zur Freude, denn Gloria ging in Führung und hielt diese auch bis weit in die zweite Spielhälfte. Dann nahm der Gloria-Trainer den dunkelhäutigen Publikumsliebling Mbella vom Feld. Dies zog heftige Unmutsäußerungen von den Tribünen nach sich, weshalb die Auswechselbank das Publikum beruhigte und andeutete, dass eine Verletzung zu diesem Spielertausch führte. Jedoch kippte nach dieser Auswechslung das Spiel zu Gunsten von Dunărea Galați. Der einzig mitgereiste Fan (!) war völlig aus dem Häuschen als sein Team ein Tor nach dem anderen erzielte und den Rückstand in einen 3:1-Auswärtssieg umwandelte. Wir hatten ein wenig Mitleid mit Gloria, denn die Stadt und das Stadion hätten sich auf alle Fälle weiterhin Zweitligafußball verdient. Das Leben ist aber leider kein Wunschkonzert und so muss man der Realität ins Auge sehen – diese bedeutet nun für Buzău mindestens ein Jahr Drittligafußball.
Wir tauchten nach unserer Rückfahrt noch ins Bukarester Nachtleben ein. Allerlei Interessantes war dabei zu sehen – leider aber in gebotener Kürze, um den auf 07.00 Uhr eingestellten Wecker am Samstag hören zu können. Mein Plan zum Eisernen Tor und zum späteren Erstligaaufsteiger nach Turnu Severin zu fahren sowie davor ein weiteres Zweitligaspiel in Râmnicu Vâlcea mitzunehmen wurde mehrheitlich abgeschmettert, denn die Alternative war ein Tag am Schwarzen Meer. So fuhren wir 230 Kilometer gegen Osten und machten halt in Ovidiu, wo der 2009 neugegründete Verein, FC Viitorul Constanţa, seine Heimspiele austrägt. Dieser Verein ist hauptsächlich ein Sammelbecken und erste Anlaufstelle für die Abgänger der Gheorghe-Hagi-Akademie. Die hier ausgebildeten Kicker sind aber wirklich gut und spielen in ihren Nachwuchsteams immer um die Meisterschaft mit. Da auch der FC Viitorul derzeit Tabellenführer der zweiten Liga und wohl nur mehr hypothetisch von einem Aufstiegsplatz zu verdrängen ist, scheint der Umstieg in den Erwachsenenbereich ebenfalls gut zu klappen. Das Umfeld lässt allerdings noch etwas zu wünschen übrig. Das Stadion ist nämlich keineswegs erstligatauglich! Es gibt lediglich eine vernünftige Tribüne, auf der auch nur einige hundert Personen Platz nehmen können. Der Rest des Zuschauerbereiches besteht dann aus zwei billigen und kleinen Stahlrohrtribünen. Eine von diesen fungiert als Gästesektor. In diese Szenerie fügen sich auch die Ordner bei der Haupttribüne, die waren an Freundlichkeit – freilich ironisch gemeint – nicht zu überbieten waren als sie zu uns meinten, dass wir die Digitalkameras nicht ins Stadion mitnehmen dürfen. Da es offensichtlich war, dass sie sich willkürlich was einfallen haben lassen, um uns zu schikanieren, sind wir einfach in der ersten Halbzeit auf die Stahlrohrtribüne gegangen und machten unsere Bilder eben von dort.
Das Spiel gegen den Nachzügler CS aus Otopeni fand dann vor nicht mehr als 150 Besuchern statt und war in den ersten 45 Minuten alles andere als gut. Eigentlich ging Viitorul kurz vor der Pause sogar unverdient in Führung, aber nach dem Seitenwechsel drehten die aus der Akademie entwachsenen Jungspunde so richtig auf. Es wurde herrlichster Kombinationsfußball geboten und die Tore fielen nahezu nach Belieben. Die Fans skandierten „tici-taca de Viitorul“ und nach 90 Minuten stand es 5:1 für die Hausherren! Otopeni wurde aber auch klar unter seinem Wert geschlagen. Spielerisch konnte Viitorul überzeugen, aber das Umfeld ist – wie bereits erwähnt – nicht einmal für rumänische Verhältnisse annähernd erstligawürdig. Naheliegend wäre es ja, dass Viitorul ins Stadion vom Stadtrivalen Farul Constanţa übersiedelt, aber da lasse ich mich noch gerne überraschen. Ein weiteres Kombinationsspiel dieser Klasse sehe ich mir in einem vernünftigen Stadion jedenfalls mit Vergnügen mal wieder an.
Überrascht und überzeugt hat uns dann der Rest des Tages, obwohl dieser fußballfrei war. Am Stand von Mamaia kommen Sonnenanbeter völlig auf ihre Rechnung. Die Anlagen sind modern, die Preise sind moderat und der Massentourismus hat dort noch nicht Einzug gehalten. Ganz und gar ein Gegenteil zum bulgarischen Teil der Schwarzmeerküste! Abgerundet wird dieser Geheimtipp für Badeurlauber noch durch die zahlreich anzutreffenden Badenixen.
Auch unsere Zeit am Strand neigte sich unaufhaltsam dem Ende zu und so wurde noch die Altstadt von Constanţa besichtigt. Abseits des Industriehafens gibt es dort einige schöne Plätze, wie das alte Kasino und die Uferpromenade. Bevor es also wieder zurück nach Bukarest ging, genossen wir noch in der Gastromeile am alten Hafen die maritimen – übrigens schmackhaft und günstig – Spezialitäten. Wieder zurück in Bukarest, war abermals ausgehen angesagt. Im Gegensatz zu den anderen, konnte ich es diesmal nicht solange werden lassen, denn am Sonntag war wieder sehr zeitig Tagwache. Um 11.00 Uhr war schon das Sonntagsspiel der zweiten Liga in Slatina angesetzt.
Die Mitfahrer waren ob der durchzechten Nacht nicht besonders erfreut, so zeitig geweckt zu werden. Zumindest nutzten sie aber die 170 Kilometer lange Fahrt in Richtung Westen als Schlafmöglichkeit. Slatina wurde rechtzeitig erreicht und wir fanden auch das Stadion an der mit Sorgfalt herausgesuchten Adresse. Aber: Bis auf einen Platzwart war dort niemand anzutreffen und eigentlich war klar, dass auf diesem Platz in 15 Minuten kein Zweitligaspiel angepfiffen werden wird. Nun war guter Rat teuer. Dem Platzwart konnten wir immerhin entlocken, dass es in der Stadt noch ein weiteres Stadion geben sollte. Dieses liege allerdings einige Kilometer entfernt und am anderen Ende der Stadt. In Alarmbereitschaft versetzt wurde bei den nächsten Taxifahrern angehalten und ihnen das Problem geschildert. Während der eine vorfahren und mit der Leerfahrt einen Gewinn machen wollte, skizzierte der andere den Weg zum Stadion auf einem Blatt Papier und meinte, dass es sich hinter dem Hotelkomplex von Razvan Rat, seines Zeichens aktueller rumänischer Nationalspieler, der auch in Slatina geboren wurde, liegt. In der Hitze des Gefechts vergaß der Taxifahrer allerdings, dass er den Plan auf die Rückseite einer Zeichnung seines Sohnes angefertigt hat. Die Zeichnung ist nun in unserem Besitz und wer weiß, vielleicht haben wir in ein paar Jahren ein Erstlingswerk eines Malers aus Slatina erhalten!
Mit ein wenig Verspätung trafen wir dann doch beim richtigen Stadion ein. Das Spiel von AS ALRO Slatina gegen den Tabellennachzügler Juventus Bucureşti war bereits im Gange. Eintritt wurde übrigens keiner verlangt. So kam es aber auch, dass sich mindestens eine vierstellige Zuschaueranzahl im Stadion befand. Da uns um die Mittagszeit die Sonne keine Verschnaufpause gönnte und wir alle doch ziemlich müde waren, wurden die schattigen Plätze in der Kurve bevorzugt. Slatina machte das Spiel und hatte zahlreiche Chancen. Die 1:0-Pausenführung war daher mehr als verdient. Danach kamen die Gäste immer besser ins Spiel und drängten auf den Ausgleich. Ein Kontertor Slatinas in der Schlussphase beendete allerdings die Hoffnungen der Hauptstädter, dass sie Punkte aus dem Hauptort des Județul Olt mitnehmen können. Mit dem Schlusspfiff dieses Zweitligaspiels der Westgruppe war auch unser Programm fast beendet.
Wir fuhren danach schon in die Nähe des Flughafens zurück. Unser Rückflug ging allerdings erst um 21.00 Uhr, wodurch der Spielplan doch noch einen Leckerbissen für uns parat hatte. Um 17.00 Uhr fand in Chiajna das Erstligaspiel von Concordia gegen den FCM Târgu Mureş statt. Der Aufsteiger stammt aus einem Vorort nordwestlich von Bukarest. Dieser Ort an sich, übrigens der kleinste Ort der jemals in der ersten Liga Rumäniens mitgekickt hat, verfügt über ein Flair von Unterhaching und Maria Enzersdorf. Die dortige Hauptattraktion ist nämlich genau das Vereinsgelände und der Sportkomplex. Chiajna hat mittlerweile auch ein schmuckes Kleinstadion und damit auch ein paar Besucher bei den Matches sind, werden hier unzählige Freikarten an die Dorfbewohner aller Altersklassen ausgegeben. Fanutensilien in gelb-grün hat auch nahezu jeder Stadionbesucher artig mit, allerdings hat für diese wahrscheinlich auch niemand – so wie für die Eintrittskarten – nur einen Lei zahlen müssen. Chiajna, das mit zahlreichen Legionären spielt und vom in Deutschland bekannten Laurențiu Aurelian Reghecampf trainiert wird, konnte mit einem Sieg endgültig den Klassenerhalt fixieren. Der FCM Târgu Mureş ist schon so gut wie abgestiegen, wurde aber von einer für rumänische Verhältnisse guten Anzahl an Auswärtsfans unterstützt. Vor 2.000 Zuschauern ging Chiajna schon in der Anfangsphase in Führung und kontrollierte das Spiel bis zur Pause. Nach dem Seitenwechsel fielen die Tore Schlag auf Schlag und Concordia zog auf 4:0 davon. In der Schlussphase gelang den Gästen noch der Ehrentreffer, jedoch blieb unter dem Strich eine nicht erstklassige Leistung für Târgu Mureş stehen.
Wir fuhren danach die letzten 20 der insgesamt 1.600 gefahrenen Kilometer zum Flughafen nach Otopeni, wo wir unser Mietauto zurückbrachten und für unseren Rückflug nach Wien eincheckten. Rumänien wusste wieder einmal mit Land und Leuten zu überzeugen – zahlreiche Eindrücke konnten wir erneut auch abseits des Fußballs sammeln. Auch die Leute, die bei diesem Aufenthalt zum ersten Mal in Rumänien waren, fiebern schon einer weiteren Tour in eines der besten Hoppingländer des Kontinents entgegen. Und zur liebgewonnen Schwarzmeerküste komme ich sowieso gerne wieder.
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Heffridge
Philipp Karesch alias Heffridge wurde 1979 in Wien geboren und hatte von Kindesbeinen an die Lust am Reisen und Fußball zu spielen. Durch diese Kombination bedingt, zieht es ihn nach wie vor auf die Fußballplätze dieser Welt. Die dort gesammelten Eindrücke sind ein fixer Bestandteil der abseits.at-Kolumne Groundhopper's Diary.
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