Groundhopper’s Diary | „Wir sind nur ein Karnevalsverein!“
Fankurve 7.November.2013 abseits.at News 0
Nach Peter Stögers Engagement in Köln richtet sich vermehrt das rot-weiß-rote Auge gen zweite Bundesliga. Umso mehr ein Grund dem Treiben rund um diesen Klub mit ehemals „elitärer Arroganz“ auf den Zahn zu fühlen. Welches Spiel wäre dafür geeigneter als das Spitzenspiel Erster gegen Zweiter zum vorgezogenen Karnevalsauftakt. Union Berlin, ebenfalls bekannt für nicht gerade singfaule Fans, spielte bisher eine außergewöhnliche Saison und kam als ungeschlagene Auswärtsmannschaft ins Rhein-Energie-Stadion. Da dies ein Montagsspiel war und die anderen bereits spielten, war klar: Auch nach dem 13. Spieltag würden beide Vereine die Ligaspitze bilden. Lediglich die Konstellation war die Unbekannte.
So wurde kurzerhand ein Flug nach Frankfurt gebucht (hin und retour 107€), ein Ticket der deutschen Bahn zum Sonderpreis nach Köln (hin und retour 39€) und schlussendlich auch noch ein Ticket für den Effzeh (41€, zweitbeste Kategorie). Bereits kurz nach 10 Uhr in Köln eingetroffen war genügend Zeit um Dom, Rhein und Museum Ludwig zu begutachten und fleißig durch die Stadt zu flanieren. Im Laufe des Tages merkte man – vor allem um die neuralgischen Punkte – vermehrte Polizeipräsenz, aber zu keinem Zeitpunkt war es unangenehm. Da es ein Montagsspiel war geht auch der klassische „Fußballtourismus“ in der inneren Stadt ein wenig im Wochenanfangstreiben unter; aber laufend liefen einem Union-Fans über den Weg.
Ins Rheinenegiestadion kamen 45.000 Fans, davon etwa 1.500 Fans aus der Hauptstadt. Etwa eine halbe Stunde vor Spielbeginn begann der Stadionsprecher sein Programm und es fehlte noch ein wenig das Prickeln des Spitzenspiels. Man konnte kurz vor Spielbeginn dann allerdings auch gut feststellen, dass viele wenig Zeit zwischen Arbeit und Spiel hatten. Montag ist eben kein Spieltermin für Stadiongeher!
Eingeläutet wurde das Spitzenspiel mit einem Karnevalslied, dem vorstellen der Gäste und der Heimmannschaft und anschließend mit der in Deutschland üblichen Vereinshymne. Diese war zwar inbrünstig („FC Köööölleee!!“) mit wechselnder Schalchoreo vorgetragen, aber Vereinshymnen sind leider selten – vorsichtig gesagt – epische Musik. Es wurde von beiden Seiten gleich zu Beginn versucht laut zu sein. Allerdings wurden die Versuche der Union-Fans mit Massengesang („Steht auf…“) im Keim erstickt. Es war eine sehr gute Stimmung, einem aberkannten Union-Tor gleich zu Beginn hängte sich kollektive Erleichterung an und da wusste man, hier leben sie alle mit auf der Tribüne. Mir ist es ja im Ausland schon mal passiert, dass ich nach einem Tor der Einzige auf der Längstribüne war, der stand. Ein Tor für die Heimmannschaft wohlgemerkt, seitdem beobachte ich die ersten Minute auch genauer was sich neben mir abspielt.
Das Spiel selbst wurde zunehmend zu einer Machtdemonstration der Mannen von Peter Stöger. Nachdem Risse zum 1:0 traf war gewiss, hier lebt eine Region für den Verein. Wobei der Torjubel „Kölle Alaaf“ in dieser Form ein Novum für mich darstellte. Schön das es noch ein paar Mal passierte. Risse macht was er immer macht wenn er zuhause trifft: Er haut auch noch einen zweiten rein. So auch diesmal, lediglich acht Minuten später. Kurz vor der Halbzeit wollte der FC Köln noch nachlegen was dem Doppeltorschützen auch noch beinahe gelang.
Nach der Pause wurde die spielerische Überlegenheit der Kölner noch deutlicher; durch Tore von Gerhardt und Hector wurde „Kölle Alaaf“ zum Gassenhauer und die Stimmung erreichte ihren Höhepunkt. Mehrfach rollte die Welle durchs Stadion, sitzen wollten noch die wenigsten, und die zweite Hintertortribüne stimmte mit der Fankurve Wechselgesänge an. „Grüße“ nach Düsseldorf und Gladbach durften auch nicht fehlen und Union Berlin begnügte sich mehr mit der passiven Variante des Stadiongehers. Die lauten „Spitzenreiter“-Rufe stellten den Schlusspunkt dieser Partie dar.
Sportlich war der 1.FC Köln deutlich überlegen und schielt nicht nur tabellarisch sondern auch spielerisch auf die erste Liga. Da wurde in der Bundesliga schon schlechter gespielt. Das Offensiv- wie Defensivverhalten, Umschaltspiel, Pressing und Passgenauigkeit war eines Spitzenspiels der zweiten Bundesliga würdig.
Das Wechselkontigent wurde einmal mehr voll ausgenützt und dabei sieht man, dass diese Mannschaft die bestaufgestellte der zweiten Liga ist. Alle Mannschaftsteile funktionieren, das Pressing übernehmen abwechselnd fünf Spieler, nach hinten wird abgesichert und beim Stand von 4:0 wird immer noch ein Angriff mit sieben Akteuren abgeschlossen.
Zum Österreicher in Köln: Kevin Wimmer spielte wieder eine sichere Partie als Innenverteidiger. Er wusste die wenigen Zweikämpfe zu beherrschen, spielt den langen Pass ebenso genau wie den kurzen, gibt Anweisungen und geht auch schon mal über die Mittellinie. In dieser Form kann er durchaus den Sprung von der österreichischen U21 ins Team schaffen. Der junge ÖFB-Legionär machte diese Saison einen Riesenschritt nach vorne.
Der überragende Mann bei Köln: Wenn man von Doppeltorschützen Risse absieht muss man den erst 19-jährigen Yannick Gerhardt besonders hervorheben. Nominell auf der Sechs eingesetzt, kann er jeden Part im Mittelfeld übernehmen, hat das Auge für Räume, versteht es das Tempo entsprechend zu variieren, übernimmt ebenfalls das Pressing und ist zusammen mit Halfar das spielerische Element der Mannschaft. Ein herausragendes Talent das bereits nach 13 Profieinsätzen Taktgeber einer (Zweitliga-)Spitzenmannschaft ist.
Fazit: Der bisher beste Groundhop in deutsche Gefilde, das aktivste Stadion und eine sehenswerte Stadt! Wer Zeit, Geld und Lust hat dem ist ein solcher Kurztrip nach Köln sehr zu empfehlen – gerade jetzt, wo auch der Österreicher-Bezug gegeben ist!
Florian Bauer, abseits.at
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