Neidvoll blicken oft viele fußballinteressierte Österreicher zu unserem westlichsten Nachbarn, der Schweiz. Der FC Basel sorgt in der Champions League regelmäßig für Furore und füllt sein Stadion auch in der Liga nahezu problemlos. Ebenso hört man immer wieder, dass die Schweizer ihren EURO-Partner infrastrukturmäßig um Längen abgehängt haben, weil die neugebauten Stadien in der Eidgenossenschaft wie Schwammerln aus dem Boden schießen. Dies ist zwar im Großen und Ganzen zutreffend, aber wie sieht es im biederen Ligaalltag aus? Um dieser Sache näher auf den Grund zu gehen, begab sich abseits.at am ersten Märzwochenende in die Schweiz.
Es ist Samstagmorgen, noch dunkel als wir uns mit dem Auto auf den Weg machen. Trotz Urlauberverkehr kommen wir gut voran und sind gegen Mittag in Vorarlberg. Dort machen wir noch einen obligatorischen Tankstellenstopp, um den teuren Dieselpreisen (ja, noch teurer) in der Eidgenossenschaft zu entgehen. Beim Überqueren der Grenze gibt es wieder einmal die Kontrolle vom Schweizer Zoll, der es nicht für möglich hält, dass die Stadt Thun im Kanton Bern und diese vor allem wegen dem Fußball unser Reiseziel sein sollte. Für uns war es in der Relation zur bereits zurückgelegten Strecke jedenfalls nicht mehr so weit, allerdings erreichten wir Thun aufgrund der überlasteten Schweizer Autobahnen doch etwas später als erwartet.
Es bleibt jedoch noch ein wenig Zeit, um kurz die Altstadt zu besichtigen, ehe es zur neugebauten Arena Thun ging. Am heutigen Tag war Servette aus Genf zu Gast. Eigentlich unspektakulär, hätte Servette nicht zwei Tage zuvor Konkurs angemeldet und die auf den Dächern sitzenden Pleitegeier nicht vermeldet, dass es wahrscheinlich das letzte Spiel der Genfer werden würde. Nachdem im Winter bereits Xamax Neuchatel die Lizenz entzogen wurde, wäre dies wohl ein herber Schlag für die Axpo Super League gewesen, wenn auch ein zweiter Verein mitten in der Saison von der Bildfläche verschwinden würde. Dieses Szenario würde ein weiteres Kuriosum mit sich bringen, denn der mit 36 Minuspunkten belegte FC Sion würde sich somit auch definitiv die Relegation ersparen! Servettes Probleme gehen übrigens Hand in Hand mit einem Namen, der auch in Österreich nicht unbekannt ist: Majid Pishyar. Der Iraner versprach den Genfern, wie seinerzeit der Admira, Spitzenfußball und verabschiedet sich nun mit einem Schuldenberg. Servette wurde dann doch – so wie einst die Admira von Trenkwalder – von einem Gönner gerettet. Dieser unterstützt ansonsten jedoch hauptsächlich den Genfer Eishockeyverein. Pishyar plant nun nach Portugal zu ziehen, wo er bereits innig auf der Suche nach einem neuen Verein ist.
Aber nun wieder zurück zur Thuner Arena. Die ist für 10.000 Besucher konzipiert und erinnert durch die Bergkulisse und die grauen Sitze an ein kleines Innsbrucker Tivoli neu. Zu Spielbeginn kamen 4.611 Zuschauer in die Arena, um diesem Spiel auf dem in der Arena verlegten Kunstrasen beizuwohnen. Bedenkt man, dass hier zwei Teams aufeinander trafen, die beide sehr gute Chancen auf einen internationalen Startplatz haben, so ist diese Zuschauerzahl auch für österreichische Verhältnisse eher bescheiden. Selbst das Wetter, zumal es frühlingshaft war, konnte daher nicht als Ausrede für den schwachen Besuch herhalten. Aber auch auf dem (Kunst-)Rasen war die Darbietung ziemlich dürftig. Es gab kaum Torszenen und so stand es zur Pause logischerweise auch 0:0. Nach der Pause kam doch noch etwas Farbe in Spiel. Der Thuner Marco Schneuwly sah eine sehr umstrittene rote Karte und wenige Minuten später traf sein Bruder Christan zum Führungstreffer für Thun. Weitere Treffer wollten irgendwie nicht mehr fallen und so bleiben nur mehr die Hassgesänge der Servette-Fans gegen Pishyar erwähnenswert.
Für uns ging es wieder zurück nach Bern, wo wir direkt zur Eishalle fuhren. Beim Play-Off-Spiel von Bern gegen Kloten herrschte dann doch eine andere Stimmung als in Thun beim Fußball. Die 17.000 Zuschauer fassende Halle war nahezu ausverkauft und Bern gewann mit 6:3. Selbst wenn man nicht der große Eishockeyfan ist – ein Besuch eines Spiels der NLA verdient auf jeden Fall das Prädikat sehenswert. Nach dem Spiel machten wir Bekanntschaft mit der Schweizer Parkraumbewirtschaftung am Stadtrand von Bern. Da in den Wohngebieten überall Parkverbot für alle Nichtanrainer bestand, musste man einen von 0-24 Uhr zu bezahlenden, öffentlichen Parkplatz anfahren. Etwas perplex waren wir dann, als wir bei der Besichtigung der Berner Innenstadt feststellten, dass die dortigen Parkplätze am Wochenende gratis zu benutzen waren. So könnte man sich allerdings ohne Zeitdruck der Schweizer Bundeshauptstadt widmen, ehe es um die Mittagszeit weiter in Richtung Genfer See ging.
Lausanne haben wir zwar gemütlich erreicht, jedoch viel zu knapp, um stressfrei ans Seeufer zu gelangen. So ging es etwas früher zum Stadion, das natürlich Stade Olympique – Mit dem Zusatz „de la Pontaise“ – heißt, zumal Lausanne der Sitz des Internationalen Olympischen Komitees ist. Bekannt ist das für die WM 1954 erbaute Stadion insbesondere auch durch dieses Ereignis. Bis heute ist dieser Austragungsort die Stätte des torreichsten Spiels bei einer Fußballweltmeisterschaft. Damals gewann Österreich die Hitzeschlacht von Lausanne gegen den Veranstalter Schweiz mit 7:5. Jeder fußballinteressierte Österreicher kennt auch noch – bald 60 Jahren nach diesem Spiel – die Geschichte von Goalie Kurt Schmied, der trotz Sonnenstich durchhalten musste, da damals Auswechslungen noch nicht erlaubt waren. Die Gegenwart sieht in Lausanne allerdings nicht mehr so glorreich aus. Obwohl man 2010 als Zweitligist und Pokalfinalist bis in die Gruppenphase der Euro League vorstoßen konnte, gelang es dem Team nach dem diesjährigem Aufstieg nicht, in der Axpo Super League mitzuhalten. Ohne Neuchatels Lizenzentzug und den 36 Minuspunkten gegen Sion, würde sich das Team aussichtslos am Tabellenende wiederfinden. Aller Abstiegssorgen ist man allerdings dennoch nicht entledigt, denn der FC Sion holt Woche für Woche Punkte auf und könnte den FC Lausanne-Sports noch auf den Relegationsplatz verdrängen.
An Punktezuwachs war an diesem Sonntag auch nicht unbedingt zu rechnen, zumal mit den Young Boys aus Bern eines der Spitzenteams der Liga im Kanton Waadt zu Gast war. Die Fans der Berner gaben vor Spielbeginn mit einer schönen Choreographie auch die Devise „Auswärtssieg“ aus, jedoch kam diese Botschaft auf dem Rasen nicht wirklich an. Vor 5.800 Besuchern boten beide Mannschaften leider Schlafwagen-Fußball erster Klasse. Möchte man es allerdings nicht so negativ formulieren, könnte man es als Rasenschach bezeichnen. Es sah aber tatsächlich so aus, als wären beide Mannschaften nur darauf aus, einen Punkt mitzunehmen. In der ersten Halbzeit kamen lediglich die Gäste aus Bern einmal gefährlich vor das Tor von Lausanne. Erwähnenswert ist aber jedenfalls die Spielunterbrechung kurz nach Wiederbeginn: Der im Gästesektor gezündete Rauch verteilte sich ziemlich gleichmäßig über den Strafraum des Heimtores, sodass aufgrund der Sichtbehinderung das Spiel für zwei Minuten unterbrochen werden musste. Selbst die Unterbrechung führte aber nicht dazu, dass das Spiel besser wurde. Der einzig weitere Höhepunkt war noch eine Bengale, die im Sektor der Berner gezündet wurde. Entgegen jeder Erwartung schritten hierbei weder Polizei noch Ordnerdienst auf irgendeine Weise ein. Nachdem Lausanne zehn Minuten vor dem Spielende die beste Gelegenheit auf einen Treffer – nämlich aus 20 Metern freistehend dem Tormann gegenüber – vergeben hat, war uns klar, dass es beim torlosen Unentschieden bleiben würde. So verabschiedeten wir uns in Richtung Parkplatz. Auf der Heimfahrt hörten wir, dass der FC Basel gegen seinen ersten Verfolger, den FC Luzern, gewonnen hat. So war für YB der Punkt in Lausanne zu wenig, um noch im Titelkampf mitmischen zu können. Für uns hieß es noch einmal durchbeißen, ehe wir um 03.30 Uhr zu Hause waren. Zumindest gingen sich noch drei Stunden Schlaf aus, bis der Wecker wieder läutete.
Das Fazit dieser Fahrt: Die Schweiz hat auf alle Fälle infrastrukturell ihre Hausaufgaben erledigt und es geschafft, mit dem FC Basel mittlerweile einen europäischen Topklub in ihren Reihen zu haben. Auf der anderen Seite gibt es in der ersten Spielklasse auch Misswirtschaft, dubiose Investoren und Konkurse. Hierbei ist man froh, dass Österreich dies bereits vor etwa zehn Jahren durchgemacht hat, wodurch die Bundesliga auch eine positive Trendwende erlebt hat. Da beide Ligen mittlerweile reine Ausbildungsligen sind, unterscheiden sie sich in ihrem Niveau jedenfalls kaum.
Heffridge, abseits.at
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Heffridge
Philipp Karesch alias Heffridge wurde 1979 in Wien geboren und hatte von Kindesbeinen an die Lust am Reisen und Fußball zu spielen. Durch diese Kombination bedingt, zieht es ihn nach wie vor auf die Fußballplätze dieser Welt. Die dort gesammelten Eindrücke sind ein fixer Bestandteil der abseits.at-Kolumne Groundhopper's Diary.
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