Wie jedes Jahr steht Ende November das Belgrader Derby bei Crvena Zvezda (Anm.: Roter Stern in der Landessprache) auf dem serbischen Spielplan. Da zu dieser Zeit die unteren Ligen in unseren Breiten meist schon pausieren und rund um das Derby auch noch weitere Spiele mitgenommen werden können, ist eine Fahrt auf den Balkan gegen Ende des Jahres immer eine willkommene Abwechslung.
Smederevo, Borča oder doch Vulkanizare
Zeitig in der Früh ging es über Budapest und Novi Sad nach Belgrad, wo wir um die Mittagszeit eintrafen. Es war so geplant, dass wir uns die Karten für das Derby noch vor den Nachmittagsspielen beim Stadion von Roter Stern besorgen wollten. Da auch alles wie vorgenommen verlief, hätten wir noch genügend Zeit gehabt, um das Spiel von Smederevo in der Superliga anzusteuern. Im Vorfeld hat man sich ja noch mögliche Alternativspiele in der Stadt und in der nahen Belgrader Umgebung (wie etwa in Borča) ausgesucht, wobei ich aber noch in Wien gesagt habe, dass sich Smederevo sicher ausgehen wird und sollte sich Smederevo nicht ausgehen, dann will es halt das Schicksal, dass wir zu dieser Zeit gar kein Spiel sehen.
Und dieses Schicksal schlug leider gnadenlos zu. Ein harmloser Kreisverkehr machte unseren Fahrer dermaßen nervös, dass er diesen völlig unkonzentriert verlässt. Es folgt seinerseits keine Reaktion auf die Schilder der kurz darauf folgenden Autobahnauffahrt und die Anzeige des Navis. Also folgte die Mitteilung, dass wir da eigentlich abfahren sollten. Der Rest ging dann ganz schnell. Gas geben und das Lenkrad verreißen ist jetzt nicht so optimal und wenn man dann bei dieser Geschwindigkeit mit dem Vorderreifen den Randstein touchiert, dann sagt dieser eben einfach: „Da mach` ich nicht mehr mit!“ Also war nun ein Boxenstopp angesagt. Zuerst wechselten wir den Reifen und dann ging es zum nächsten „Vulkanizare“, der Art von Werkstatt, die sich am Balkan aller Probleme in Bezug auf Reifen annimmt.
Wie so oft galt auch hier die goldene Regel in Südosteuropa: Es klappt eigentlich nichts, aber irgendwie funktioniert es eigentlich immer. So konnten wir nach zwei Stunden Wartezeit zumindest die Reise in unser nur wenige Kilometer entferntes Hostel fortsetzen.
FK Crvena Zvezda Beograd – FK Partizan Beograd 3:2 (1:2)
Nach den doch turbulenten Ereignissen am Nachmittag ging es dann gemütlich und zu Fuß zum Stadion des FK Crvena Zvezda, das auch noch Marakana genannt wird. Gestärkt von einem Pljeskavica, also Faschiertem in Burgerform, konnte dieses Derby nun beginnen. Beide Fangruppen boten vor dem Anpfiff eine Pyroshow der Sonderklasse und aus Kurve Zvezdas wurde zusätzlich noch ein Feuerwerk abgebrannt, das an einen verfrühten Jahreswechsel erinnerte.
Auch auf Rasen wurde ein Feuerwerk abgebrannt. Partizan ging nach 10 Minuten in Führung, was zur Extase in der untereinander zerstrittenen und somit geteilten Kurve der Schwaz-Weißen führte. Die Freude über diesen Treffer währte allerdings nur kurz, denn fünf Minuten später schaffte Zvezda den Ausgleich. Nun kannte die gegenüberliegende Kurve kein Halten mehr. Dort gab es Pyrotechnik, wohin das Auge reichte. Doch der Rauch der zahlreichen bengalischen Fackeln war noch nicht einmal verzogen, schon klingelte es erneut! Der Ex-Rapidler Milan Jovanović fabrizierte nur eine Minute nach dem Ausgleich ein Eigentor und sorgte somit für die erneute Führung Partizans. Dass die Gästekurve erneut lichterloh brannte, muss ich mittlerweile wohl nicht mehr erklären.
Danach verflachte vor den 44.155 Zuschauern die Partie auf dem Rasen etwas und es fielen bis zu Pause keine weiteren Treffer mehr. Nach dem Seitenwechsel kam Crvena Zvezda aktiver aus der Kabine und erzielt durch einen herrlichen Weitschusstreffer den Ausgleich. So wurden die Karten wieder neu gemischt und je länger das Spiel dauerte, desto unsicherer wurde die Mannschaft von Tabellenführer Partizan. Es kam dann auch so, wie es kommen musste und Crvena Zvezda erzielte aus einem schönen Spielzug den verdienten 3:2-Führungstreffer. Da sich in der letzten Viertelstunde an diesem Ergebnis auch nichts mehr änderte, feierte nahezu das ganze Stadion den Sieg von Crvena Zvezda. Die Derbyniederlage Partizans verhinderte auch deren erneuten Alleingang in der Meisterschaft, zumal Crvena Zvezda den Rückstand in der Tabelle auf die Schwarz-Weißen auf fünf Punkte verringern konnte.
OFK Balkan Mirijevo – FK Budućnost Dobanovci 0:0
Der Sonntag gehört in Serbien immer der dritten Liga und da es in der sogenannten Srpska Liga neben den Gruppen Ost, West und Vojvodina auch eine eigene Gruppe für Belgrad gibt, findet man eigentlich immer problemlos Spiele. Des Weiteren tragen auch einige Vereine am Vormittag ihre Heimspiele aus, sodass wir wussten, dass sich an diesem Tag mit Leichtigkeit zwei Spiele ausgehen werden. Also ging es bereits am Morgen nach Mirijevo, das sich am östlichen Stadtrand Belgrads befindet. Auch wenn mir die Plattenbauromantik der osteuropäischen Großstädte bestens vertraut ist, muss ich ehrlicherweise zugeben, dass ich schon schönere Flecken auf dieser Erde gesehen habe. Immerhin schien die Sonne und das machte das Ganze dann nicht ganz so trostlos. Das Stadion vom Mirijevo taucht dann eigentlich ziemlich plötzlich hinter den Plattenbauten auf. Es liegt in einer Senke, wobei die Straße diese umrundet. Also muss man auch vom Parkplatz ein paar Höhenmeter zurücklegen, um auf das Niveau des Spielfeldes zu gelangen. Der Platz an sich lässt die Herzen aller Freunde nostalgischer Sportplätze höher schlagen. Der Eingang ist ziemlich provisorisch und unterscheidet sich in keiner Weise von einem handelsüblichen Gartentor. Höchstens, dass das handelsübliche Gartentor wohl in einem besseren Zustand ist. Daneben befindet sich das Vereinsgebäude samt Kabinentrakt, bei dem man offensichtlich erkennt, dass es ebenfalls schon einmal bessere Zeiten erlebt hat.
Das Stadion des OFK Balkan ist an sich dann auch alles andere als modern. Eigentlich ist in diesem überhaupt nur eine Seite benutzbar und auf dieser gibt es fünf Reihen Stehstufen. Diese verdienen das Prädikat gesundheitsgefährdend und wären hierzulande wohl schon längst von der Baupolizei gesperrt worden. Architektonisch interessant ist es noch, dass direkt an die marode Tribüne moderne Wohnhäuser anschließen und ein Kaffeehaus diese Tribüne ein paar Meter überdacht.
Über das Spiel an sich gibt es nichts zu berichten. 100 Zuschauer sahen einen langweiligen Kick ohne jedwede zwingende Torchancen. So war das logische Ergebnis ein 0:0. Auch wenn vom Spiel wenig in Erinnerung bleiben wird, wird mir der Platz aufgrund der tollen Fotomotive von der Anhöhe noch etwas länger in Erinnerung bleiben.
FK Radnički Kragujevac – FK Sloboda Sevojno Užice 0:2 (0:1)
Es hätte noch zahlreiche Drittligaspiele in Belgrad gegeben, aber wenn sich die Möglichkeit eines Erstligaspiels eröffnet, dann nimmt man diese auch wahr. So ging es noch einmal 140 Kilometer südwärts, um nach Kragujevac zu gelangen. Dort fand im Stadion Čika Dača diesmal das einzige Sonntagspiel der Superliga statt.
Rund 2.000 Besucher kamen und erhofften sich gegen den FK Sloboda Sevojno Užice einen Punktezuwachs für Radnički im Kampf um den Klassenerhalt. Sevojno ist übrigens ein Vorort der rund 120 Kilometer östlich von Kragujevac gelegenen Stadt Užice. Im Stadion dieser nahe der bosnischen Grenze gelegenen Stadt, trägt der FK Sloboda auch seine Heimspiele aus. Da nun alle über den Herkunftsort der Gastmannschaft verwirrt sind, können wir uns dem Spiel widmen.
Dieses war dann auch überraschend unterhaltsam und da sowohl Heim- als auch Gastmannschaft auf Fanunterstützung zählen konnten, war es auch auf den Rängen in keiner Weise langweilig. Also ich habe in Serbien schon bei weitem trostlosere Partien in der obersten Spielklasse gesehen, sodass ich den Nachmittag wahrlich genießen konnte. In einer ausgeglichenen Partie gingen die Gäste aus Užice in der 22. Minute in Führung. Diese sollte kurz nach dem Seitenwechsel ausgebaut werden. Nach dem 2:0 war die Gegenwehr Radničkis endgültig gebrochen. Auch wenn Kragujevac auf den Rasen an diesem Tag nichts mehr zu melden hatte, war der Heimkurve dennoch guter Dinge und machte kurz vor der 60. Minute noch eine ansehnliche Choreographie. Jubeln durfte hingegen nur 100 Mann starke Auswärtsblock aus Užice. Nach dem Spielende sogar ausgiebig mit der Mannschaft. Es war echt schöne Jubelszenen, wie man sie in unseren Breiten bei einem Bundesligaspiel nur mehr sehr selten sieht!
Danach neigte sich das Wochenende wieder dem Ende entgegen. Ein Wochenende, das mit einer Schrecksekunde begann und alles in allem wieder versöhnlich endete. Apropos enden. Das wird das Jahr 2012 auch bald und da meinerseits die nächsten Fußballreisen erst wieder im Jahr 2013 auf dem Programm stehen, war dies auch der letzte Bericht in diesem Jahr. Aber wie gesagt, allzu lange dauert es ja nicht mehr, bis das neue Jahr beginnt und weitere Reisen anstehen!
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Heffridge
Philipp Karesch alias Heffridge wurde 1979 in Wien geboren und hatte von Kindesbeinen an die Lust am Reisen und Fußball zu spielen. Durch diese Kombination bedingt, zieht es ihn nach wie vor auf die Fußballplätze dieser Welt. Die dort gesammelten Eindrücke sind ein fixer Bestandteil der abseits.at-Kolumne Groundhopper's Diary.
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