Es ist ganz normaler Tag im Oktober und ich sehe in den sozialen Netzwerken Bilder von einem Spielbesuch im polnischen Opole. Selten, aber manchmal... Groundhopping: Der (vor-)letzte Tanz in Opole

Es ist ganz normaler Tag im Oktober und ich sehe in den sozialen Netzwerken Bilder von einem Spielbesuch im polnischen Opole. Selten, aber manchmal doch, klicke ich diese an und lese im Text, dass das Stadion nicht mehr allzu lange bespielt werden wird. Nach kurzer Recherche findet man Bilder vom schon ziemlich weit fortgeschrittenen Neubau, sodass man sich sicher sein kann, dass der polnische Zweitligist OKS Odra Opole hier ab dem Frühjahr 2025 seine Heimspiele austragen wird.

Also werden die Spielpläne durchforstet und dabei festgestellt, dass hier nur mehr am 26.10., am 29.10. und am 09.11.2024 ein Spiel angepfiffen werden wird. Da ich an zwei dieser drei Termine verhindert bin, bleibt nur mehr der 29.10.2024 offen, um dem Stadion in Opole noch einen Besuch abzustatten. Es gibt an diesem Tag sogar eine direkte Busverbindung von Wien nach Opole, wodurch die Entscheidung, diesen Ground doch noch zu besuchen, gefallen ist.

Ich bin zwar noch etwas müde, als ich mich am Montagabend zum Busbahnhof begebe, war ich doch am Wochenende noch bei der Schwiegerfamilie in Ungarn und auf zahlreichen Fußballplätzen in Slawonien unterwegs, aber in diesem Ausnahmefall muss man die eigene Müdigkeit übertauchen. Immerhin verläuft die Nachtfahrt nach Polen ziemlich unspektakulär und ich erreiche kurz nach 06.00 Uhr morgens Opole. Da bleibt dann genügend Zeit, die etwa 120.000 Einwohner zählende Stadt zu erkunden. Die Stadt ist übrigens Zentrum eines Gebiets der deutschen Minderheit und liegt an der Oder, an deren Ufer man auch einige Zeit erholsam verbringen kann.

Um die Mittagzeit geht es dann zum Stadion, das sich im Nordosten der Stadt Befindet. Es liegt an der Bahnlinie und ist direkt an das Stadtzentrum anschließend. Das Polizeiaufgebot ist schon enorm, was bedeutet, dass zum heutigen Spiel im Sechszehntelfinale des Puhar Polski gegen den MKS Pogoń Szczecin doch Gästefans aus Stettin anwesend sein werden. Dass die Fans von Odra Opole und von Pogoń Szczecin natürlich nicht befreundet sind, ist spätestens anhand des heutigen Polizeiaufgebotes klar ersichtlich.

OKS Odra Opole – MKS Pogoń Szczecin 0:1 n.V. (0:0, 0:0)

Ich begebe mich rund eineinhalb Stunden vor Spielbeginn ins Stadion Miejski „Odra“ und genieße auch noch ohne Zuschauer die Atmosphäre in einem Stadion, dass es in dieser Form, insbesondere in Polen, immer weniger zu sehen gibt. Waren solche Stadien mit einer Haupttribüne, zwei Kurven und unüberdachten Stehplätzen auf der Gegengerade bis vor rund zehn Jahren in Polen noch der Standardtyp, sind diese zumeist durch moderne, aber sich in der Form und Architektur gleichenden Arenen ersetzt worden.

Zu Spielbeginn füllt sich der zugelassene Zuschauerbereich von insgesamt 3300 Plätzen wohl zu knapp weniger als die Hälfte. Immerhin ist der Gästeblock voll, sodass rund 400 bis 500 Personen aus Stettin mitgereist sind und den Erstligisten lautstark unterstützen. Der MKS Pogoń Szczecin geht als Tabellensechster der Ekstraklasa auch als klarer Favorit in diese Begegnung, denn Opole befindet sich in einer Formkrise und liegt in der zweitklassigen I. Liga bloß an drittletzter Stelle.

Auf dem Rasen wirken heute auch zwei österreichische Legionäre mit. Der mittlerweile 36-jährige Alexander Gorgon und der bald 34-jährige Benedikt Zech sind mittlerweile schon einige Jahre in Stettin aktiv und gehören dort zu den Veteranen. Beide haben es wohl gemeinsam, dass sie ihre Karriere, trotz internationaler Erfolge, ohne ein A-Länderspiel für Österreich bestritten zu haben, beenden werden.

Spielerisch wird in den ersten 45 Minuten wenig geboten. Wie auf den Rängen hat auch Stettin auf dem Rasen die Hoheit, jedoch hat man sowohl bei den Fans als auch der Mannschaft das Gefühl, dass da sicherlich mehr möglich wäre. Die Mannschaft Opoles hält sportlich gut mit und auch der doch kleine Sektor an Heimfans mit vielen Casuals und Jugendlichen bietet den Ultras von Pogoń ganz gut Paroli. Man muss übrigens auch nicht dem Polnischen mächtig sein, um die abwertigen Fangesänge der beiden rivalisierenden Fangruppen verstehen zu können.

In der Pause verlasse ich im Stadion die Zuschauerseite und begebe mich auf den gegenüberliegenden Stehplatzbereich, von wo man eine gute Sicht auf die Tribüne und den Auswärtssektor hat. Dieser sorgt in der 70.Minute mit einer tollen Pyroshow für das erste richtige Highlight im heutigen Cupspiel. Aber auch die Mannschaft des MKS Pogoń Szczecin zeigt sich in der Schlussphase stark verbessert und drängt auf den Führungstreffer. Da dieser jedoch nicht gelingen will, bleibt es nach 90.Minute torlos, sodass es in Verlängerung geht.

In der Zugabe von 2x 15 Minuten ist Kapitän Grosicki bereits in der zweiten Minute erfolgreich, denn er bringt mit einem platzierten Flachschuss die Gäste in Führung. Der MKS Pogoń Szczecin kontrolliert danach diese Verlängerung und bringt dieses knappen Vorsprung auch über die Zeit.

In der letzten Minute sind die Gäste nach einer gelb-roten Karte gegen den Griechen Koulouris, der vor einigen Jahren in 14 Spielen für den LASK auflief, in Unterzahl, aber dieser Platzverweis ist nicht mehr entscheidend für den Ausgang dieses Spiels. Der MKS Pogoń Szczecin müht sich ins Achtelfinale des polnischen Pokals, aber am Ende des Tages zählt sowieso nur mehr, dass man die Runde überstanden und nicht das „Wie“.

Ich halte noch einmal inne und betrachte die mittlerweile im Flutlicht beleuchtete Tribüne. Während der Schreiber, der veranlasste, dass ich heute hier bin, vermeinte, dass es nicht Schade um dieses Stadion ist, bin ich da anderer Meinung, denn alles in allem hat der Charme der vergangenen Tage auch seinen Reiz und bietet eine gute Abwechslung zu den in Polen mittlerweile fast ausschließlich vorhandenen, modernen Einheitsarenen.

Ich begebe mich nun wieder zurück in die Stadt, wo am Hauptplatz auch eine Fotoausstellung von den schönsten Momenten in diesem Stadion gibt. Auf dem Weg zurück zur Busstation sehe ich noch ein Plakat, dass für das Abschiedsspiel in diesem Stadion am 09.11. wirbt. Wer kurzentschlossen ist, dem kann ich es nur empfehlen den allerletzten Tanz in diesem Stadion mitzuverfolgen.

Hier findet ihr einige Impressionen von dieser Reise:

Heffridge

Philipp Karesch alias Heffridge wurde 1979 in Wien geboren und hatte von Kindesbeinen an die Lust am Reisen und Fußball zu spielen. Durch diese Kombination bedingt, zieht es ihn nach wie vor auf die Fußballplätze dieser Welt. Die dort gesammelten Eindrücke sind ein fixer Bestandteil der abseits.at-Kolumne Groundhopper's Diary.