Es gilt abzuwarten, wie die österreichische Nationalmannschaft auf die 2:1 (1:0)-Niederlage gegen die Ukraine reagiert. Bisher zeigten die Kicker auf ein gutes Spiel gleich... Kommentar | Zuerst muss das ÖFB-Team hinten dicht machen…

Es gilt abzuwarten, wie die österreichische Nationalmannschaft auf die 2:1 (1:0)-Niederlage gegen die Ukraine reagiert. Bisher zeigten die Kicker auf ein gutes Spiel gleich ein mehr oder weniger mieses. Auch wenn Marc Janko und Co. beteuern, die Fehler „eh“ zu kennen und gegen Finnland alles besser machen zu wollen, bleibt die Frage, ob sie das überhaupt können.

Denn gibt es die Marke „Österreich“ im Fußball überhaupt? Bis auf die Wiener Austria in dieser Spielzeit präsentierten sich die Teams in Europa in den letzten Jahren immer auf die Defensive bedacht und auf Konter ausgelegt. Das machten von Red Bull Salzburg bis zur die SV Ried alle Mannschaften so. Salzburg gewann nicht sechs Europa League Gruppenspiele, weil der Ballbesitz 70:30 betrug, Rapid schoss Aston Villa nicht zwei Mal aus dem Europacup, weil sie spielerisch zerlegt wurden. Und die Austria? Der fehlt die Kraft, um 90 Minuten Powerplay zu praktizieren. Somit könnte die Marke „Österreich“ an der sicheren Abwehr und einem reagierenden Offensivspiel fest gemacht werden. Wird ein Blick auf Europa geworfen, so bestätigt sich dieser Eindruck. Der langen Liste an Defensivakteuren von Stranzl über Macho bis Baumgartlinger stehen mit Janko, Harnik, Arnautovic oder Ivanschitz lediglich eine Handvoll Offensivspieler gegenüber.

Du bist, was du produzierst

Die heimische Bundesliga zeichnet eine gewisse Härte aus, die Grundphysis überwiegt. Darunter leiden die im modernen Fußball wichtigen Faktoren Spritzigkeit und Schnelligkeit. Kein Mensch würde auch von Prödl, Schiemer und Co. erwarten, dass sie Franck Ribery niedersprinten. Wie das Spiel gegen die Ukraine gezeigt hat, fehlt es vor allem dem Defensivverbund an der Geschwindigkeit, sowohl in den Beinen, als auch im Kopf. Darum muss dem Offensivfußball der Rücken gekehrt werden. Wir sollten aufwachen und uns eingestehen, dass Österreich trotz einiger Ausnahmen wie Arnautovic, Hoffer oder Harnik einfach im Kollektiv zu langsam ist.

Bieder, bieder, bitte!

„Die Null muss stehen!“, „Offense sells tickets, defense wins championships“, „Aus einer gesicherten Defensive angreifen.“ – diese Stehsätze, wie leere Worthülsen anmutend, sollte sich das Trainerteam Koller/Schmid/Janeschitz über das Bett schreiben. Gut spielen und am Ende ohne Punkte da stehen verdirbt den Ruf. Kein Gegner wird Respekt vor Österreich haben, wenn sich die Verteidiger so weit raus locken lassen. Man muss kein Oleg Blochin oder Jogi Löw sein, um die Schwachpunkte des ÖFB-Teams auszumachen. Seit Jahren stimmt die Koordination in der Verteidigung nicht, Hickersberger, Brückner, Constantini scheiterten daran, hoffentlich tut das Koller nicht.

Der Versuchung widerstehen

Jeder Fußballfan in Österreich kennt die Offensivpappenheimer, die in guten Teams ansprechende Leistungen vollbringen. Jeder weiß auch um die Abwehrspieler Bescheid. Marcel Koller muss der Versuchung widerstehen, Spiele machen zu können. Österreich ist nicht der Grasshoppers Club, der Meister werden will, sondern der VfL Bochum, der nicht absteigen will! Und wenn die Spiele hässlich anzusehen sind, wenn 9 von 10 Toren aus Standards fallen, wenn es vier Jahre dauert, bis eine Ballstafette zum Torerfolg führt – die Marke Österreich entsteht eben noch nicht in den Käfigen der Großstädte, sondern an der Peripherie, wo Punkte erkämpft, nicht erspielt werden.

Straff, straffer, Österreich

Ein Blick nach Irland: Mit den Iren, der Vergleich Irland = Österreich und England = Deutschland hilft, konnte sich der Papst des Defensivfußballs für die Euro qualifizieren. Langweiliger Konterfußball mit einem straffen Defensivkonzept bringt Punkte – und nebenbei brachte es dem Maestro Giovanni Trapattoni 22 Titel. Fußballösterreich hat nun mal nichts davon, wenn die gegnerischen Trainer das gute Pressing loben und über Glück für die eigene Mannschaft schwadronieren. Es sollen Sätze fallen wie „Es war extrem hart, sie standen dicht am Mann!“ oder „Wir haben die Lücke nicht gefunden und mussten hinten aufmachen!“. Eventuell ist genau das die Erkenntnis, die Marcel Koller gewonnen hat.

Auftrag für die restlichen Testspiele

Österreich braucht hinten Beton und davor Abräumer. Damit fällt beispielsweise Christian Fuchs raus und Schiemer ins defensive Mittelfeld. Biedere Außenbahnspieler wie Andi Ibertsberger oder Gyuri Garics sollen hinten dicht machen. Mit Baumgartlinger und Paul Scharner, eventuell Veli Kavlak, verfügt Koller auch über Box-to-Box-Midfielder, die defensiv stark sind und nach vorne arbeiten können. Auf die Halbpositionen im Mittelfeld gehören ebenfalls ausgewogen starke Spieler. Ein Fuchs über links, ein Alaba über rechts könnten das. Vorne würde dann Marc Janko rausfallen, Arnautovic, Hoffer oder Harnik wären die Alternativen.

Constaninis Irrglaube darf nicht Kollers werden!

Offensivspektakel dürfen gegen schwächere Gegner gezündet werden, gegen Teams auf Augenhöhe oder drüber sollte bei Karl Rappan, er erfand in den 30er-Jahren die Grundzüge des Catenaccio, nachgeschlagen werden. Am Ende des Tages zählt nur das Ergebnis. Und wenn Österreich mit Catenaccio, Brechstange und ernudelten Siegen zur Weltmeisterschaft fährt, wird sich sicherlich keiner aufregen. Denn erst wenn hinten die Null wirklich steht, kann man sich über Tiki-Taka Gedanken machen.

Georg Sander, abseits.at

Georg Sander

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