Auch wenn diese Partie einige Runden zurückliegt, wollen wir euch diesen Reisebericht nicht vorenthalten. Löwenduell: TSV 1860 München gegen Eintracht Braunschweig. Gelungenes Heimdebüt des neuen Trainers lässt die Sechziger auf den Klassenerhalt hoffen.
Der Heimverein
Über den „Turn- und Sportverein München von 1860 e.V.“ habe ich bereits berichtet. Seitdem konnte die zweite Bundesliga mit recht gutem Erfolg bespielt werden. Nur in den letzten beiden Saisonen hakte es etwas, 2015 konnte der Abstieg nur in der Relegation vermieden werden und auch diese Saison steht den Löwen das Wasser bis zum Hals. Drei Punkte müssen gegen Braunschweig daher unbedingt eingefahren werden und auch für den neuen Trainer wäre ein gutes Initialergebnis gegen die Eintracht Braunschweig natürlich wichtig.
Die Gäste
Eben jener „Braunschweiger Turn- und Sportverein Eintracht von 1895“ wurde in diesem Jahr als „Fußball- und Cricket-Club Eintracht Braunschweig“ gegründet und steht nun nach einer wechselhaften Geschichte mit mehreren Namensänderungen im Mittelfeld der zweiten Liga. In der Vergangenheit wurden einige Höhen und Tiefen durchlaufen. Anfänglich als Hobbyverein gegründet, konnte man sich rasch im regionalen Sportgeschehen etablieren. Die Wirren des zweiten Weltkriegs wurden nur mit einiger Mühe überstanden, danach konnte der erfolgreiche Werdegang fortgesetzt werden. Dieser gipfelte 1967 in der deutschen Meisterschaft, danach folgte ein langsames Abgleiten in die Zweit- und Drittklassigkeit. Die größere fußballerische Bedeutung haben mittlerweile die Nachbarstädte Hannover und Wolfsburg inne. Regional erfreut sich der Verein allerdings immer noch großer Beliebtheit, wohl auch durch die breite Aufstellung mit mehreren Sportsektionen. Mehrere Änderungen der Ligaformate ließen den Verein schließlich in der dritten Liga landen, von wo der Aufstieg allerdings 2011 gelang. Seitdem hat man sich in der zweiten Liga etabliert und spielt dort mit Ausnahme der Saison 2013/2014 – da wurde ein kurzer und erfolgloser Ausflug in die erste Bundesliga unternommen. Und auch heuer haben sich die Braunschweiger wieder einen abgesicherten Mittelfeldplatz erspielt, weder nach oben noch nach unten ist diese Saison noch viel zu erwarten.
In The Subway
Wegen in der Vergangenheit bereits gemachter, einschlägiger Erfahrungen wählte der Groundhopper mittleren Alters die U-Bahn als Anreisemittel. Diese bietet neben einer schnelleren und nervensparenden Anreise auch finanzielle Vorteile, denn das Parkhaus in der Allianz Arena ist nur etwas für gut Betuchte. Ebenso einschlägig – was die Spiele der Sechziger betrifft – dürften die Erfahrungen auch für das Personal des Münchner Verkehrsverbundes sein, ein Großaufgebot von Stations- und Sicherheitskräften sorgte für eine reibungslosen Anreise. Von der Station Fröttmaning sind es dann nur wenige Meter bis zur Allianz Arena.
Die Spielstätte
Was soll man zur Allianz Arena sagen, will man nicht in Superlativen sprechen? Der Bau ist absolut beeindruckend, sowohl wegen der Größe als auch wegen der Optik. Auf den ersten Blick erinnert es an ein gelandetes UFO (und auch einige der Hardcore-Löwen sind offenbar nicht von dieser Welt, Anm.). Innerhalb der Anlage sind die Katakomben großzügig ausgelegt und die vielen Verpflegungsstände lassen keine langen Wartezeiten aufkommen. Man muss allerding auch sagen, dass die Arena alles andere als ausverkauft war. Der Kartenkauf selbst verlief problemlos, da ich bereits eine gute Stunde vor Anpfiff vor Ort war und es noch eine große Auswahl an Karten gab. Geschlossen war lediglich der dritte Rang, was der Verfügbarkeit aber keinen Abbruch tat. Auch die Tribünen und das Spielfeld wirkten atemberaubend – ich bekam die Kamera fast nicht aus der Hand, denn die Szenerie wirkte stark beeindruckend.
Die Darbietung
Geboten wurden bereits vor dem Match einige (!) Fan-Choreografien, von schwenkenden Fahnen auf dem Feld über ein Banner quer über den ganzen Fanblock, das an ein Jubiläum erinnern sollte. Außerdem wurden auch mehrere großflächige Bilder von Vereins-Legenden hochgezogen. Die Fans hatten sich wirklich etwas einfallen lassen. Die Gästefans zollten der Darbietung auch durchaus Respekt, von den etwa fünfhundert mitgereisten Braunschweigern war jedenfalls kein einziger Pfiff zu vernehmen. Das war durchaus respektvoll und angenehm.
Anders als am Vortag in Stuttgart waren die Kräfteverhältnisse nicht so klar geregelt. Die Münchner jedoch ob des Tabellenstands ziemlich verkrampft, zeigten eine ambitionierte, wenngleich auch etwas nervöse Leistung. Die Braunschweiger wehrten sich nach Kräften und suchten auch den Weg nach vorne. Besonders die Meter um die Mittelauflage waren teilweise hart umkämpft, die eng gestaffelten Reihen lieferten einander ein zähes Ringen um jeden Meter, zwangen die anderen immer wieder zu Fehlern, was zeitweise in minutenlangen Fehlpass-Orgien gipfelte. Doch die Münchener Löwen (die Braunschweiger werden wegen ihres Wappens ebenfalls nach den Großkatzen genannt) schafften es, sich ein leichtes Übergewicht zu erspielen, wenngleich echte Torchancen in der ersten Hälfte Mangelware waren. Einzig eine Tripel-Chance mit einem Lattenpendler ließ den Puls der 1860er-Fans in schwindelerregende Höhen schnellen, ansonsten machten sich die Sechziger mit vielen Eigenfehlern selbst das Leben schwer. Der torlose Halbzeitstand war eine logische Folge davon.
Ähnlich ging es in der zweiten Hälfte weiter. Torsten Lieberknecht ließ ab der fünfundsiebzigsten Minute auf Halten spielen, das Signal war die Auswechslung des glücklosen Stürmerstars Kumbela. Daniel Bierofka reagierte mit der Einwechslung der ÖFB-Kicker Okotie und Liendl, was bei den Fans gemischte Gefühle auskommen ließ – offenbar haben die beiden nicht das stärkste Standing unter der Anhängerschaft. Interessanter Weise waren es aber genau die beiden Österreicher, die für die Sechziger alles klar machten. Drei Minuten vor Schluss trat Liendl einen präzisen Eckball auf Okotie und dieser zeigte, warum Marcel Koller immer wieder gerne auf ihn zurückgreift. Der Jubel bei Spielern und Fans danach grenzenlos, die zum Teil abwertenden Kommentare bei der Einwechslung der ÖFB-Spieler waren vergessen. Nach dem Schlusspfiff noch minutenlange Feierlichkeiten in den Katakomben und auf dem Vorplatz, auch die teils nicht fußballaffinen U-Bahn-Fahrgäste wurden mit Gesängen „beglückt“. Und mittendrin stand ich in einer Gefühlslage zwischen Euphorie und Todesangst (ok, das ist jetzt etwas übertrieben ;-))
Conclusio
Die Allianz Arena ist immer wieder eine Reise wert. Ob es an den Sechzigern oder der Anlage selber liegt, kann der Groundhopper mittleren Alters nicht sagen, er ist nur jedes Mal wieder aufs Neue davon angetan. Auch wenn die Mehrzahl der Münchner Löwenfans mit der Arena nicht so richtig warm werden, ich nehme den Weg immer wieder gerne auf sich. An diesem Tag hatte auch das Wetter in seiner Mischung zwischen strahlendem Sonnenschein und dem ärgsten Schneegestöber für eine zusätzliche wilde Abwechslung gesorgt, fügte sich in die manisch-depressive Stimmung und dem finalen Auszucker der Fans jedenfalls nahtlos ein. Fazit: Absolut empfehlenswert.
Albert Weniweger, abseits.at
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Albert Weniweger
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