VAR: Strittige Regel sorgt für Diskussion
Fankurve 12.Oktober.2024 Andreas Nachbar
Seit einigen Jahren lebt der Fußballfan mit der Einführung des Video-Assistenten. Akzeptiert, aber längst nicht von allen Fußballfreunden befürwortet, sorgt der VAR nahezu wöchentlich für Gesprächsstoff. Gerade bei Fußballromantikern steht der Assistent häufig in der Kritik. Ist die Freude über ein erzieltes Tor des geliebten Teams doch groß, kommt der VAR um die Ecke und unterbricht den Jubelsturm des langersehnten Treffers. Nach minutenlangem Video-Studium fällt er dann die Entscheidung, doch wie diese zustande kommen, ist noch immer für viele ein Rätsel.
Allsvenskan die einzige Liga der Top-30 Europas ohne VAR
Schaut man in die europäischen Ligen, so findet man kaum noch eine Liga, die gänzlich auf den Video-Assistenten verzichtet. Eine Liga, die auch immer wieder Mannschaften in den europäischen Wettbewerben Conference League, Europa League oder Champions League stellt ist, die schwedische Liga Allsvenskan. In Schweden spielt die Verbandsdemokratie eine tragende Rolle bei der Entscheidung gegen den Video-Beweis. „Wir schützen die Verbandsdemokratie und die einzigartige Kraft, die sie für den schwedischen Fußball bedeutet“, hieß es in einer Mitteilung des schwedischen Fußballverbandes SvFF bereits im Jahr 2022. In einer demokratischen Abstimmung der Teams entschied sich die große Mehrheit gegen eine Einführung des VAR, welche noch bis heute Bestand hat. „Unsere Aufgabe ist es, unsere Mitglieder in dieser Angelegenheit zu vertreten. Und eine Mehrheit der Klubs hat eine klare Haltung eingenommen“, erklärte Johan Lindvall, der Generalsekräter des schwedischen Fußballverbandes Svensk Elitefotboll im Anschluss an die Abstimmung.
Diskutable Entscheidungen aufgrund von mangelnder Transparenz
In den Ländern, in denen der VAR bereits längst zum Fußball-Alltag gehört, sorgt er mit seinen Entscheidungen teils wöchentlich für Diskussionen. Ex-FIFA-Schiedsrichter Manuel Gräfe sieht in den „Schwarz-Weiß-Entscheidungen“, wo es nur eine Meinung gibt, im VAR einen klaren Mehrwert, der den Sport ein Stück gerechter macht. Bei Entscheidungen, die Auslegungssache des Schiedsrichters ist, bleibt der VAR aufgrund fehlender Transparenz umstritten. Hier geht es weniger um den Punkt, weshalb sich der Video-Assistent beim Hauptschiedsrichter meldet, denn diese Entscheidung wird in den Stadien auf der Video-Leinwand mitgeteilt.
Ein Problem des VAR ist das immer komplexer werdende Regelwerk im Allgemeinen. Das Thema, welches häufig für Diskussion sorgt, ist die Frage wann ein Handspiel strafbar ist. Der Video-Assistent hat den Auftrag Kontakt mit dem Schiedsrichter aufzunehmen, wenn eine klare Fehlentscheidung vorliegt, doch wann ist das? Ein anderer Diskussionspunkt, der gerade zuletzt in der Deutschen Bundesliga für Aufsehen sorgte, ist das Eingreifen bei einer Roten Karte, aber nicht bei einer klaren Fehlentscheidung, die zu einer Gelb-Roten Karte führt. Beides geschehen bei der Bundesligapartie von Ralph Hasenhüttls VfL Wolfsburg gegen den VfB Stuttgart.
Spielentscheidende Situation: Rote Karte – was ist anders bei einer Gelb-Roten Karte?
Platzverweise, egal ob mit einer Roten Karte oder einer Gelb-Roten Karte können spielentscheidend sein, da sie zu einer Unterzahl führt. Spielentscheidend muss die Aktion sein, damit sich der VAR einschalten darf. Dies ist laut Regelwerk bei einem Ausschluss nach einer Roten Karte der Fall, doch nicht bei einer Gelb-Roten Karten. Der Grund liegt darin, dass es bei einer Gelb-Roten Karte in der Theorie nur um eine Verwarnung handelt, weshalb sich der VAR nicht einschalten darf, egal wie klar die Fehlentscheidung auch ist. Bei der Situation beim Spiel des VfL Wolfsburg gegen den VfB Stuttgart kam es zu einem Zweikampf zwischen Maximilian Arnold (VfL Wolfsburg) und Atakan Karazor (VfB Stuttgart), der bereits gelb verwarnt war. In der Zeitlupe war zu erkennen, dass Arnold Karazor auf den Fuß stieg und zu Boden sank. Da der Schiedsrichter in der Realgeschwindigkeit ein Foul von Karazor erkannte, schickte er ihn mit Gelb-Rot vorzeitig zum Duschen. Hätte der VAR eingreifen dürfen, wäre diese Entscheidung zurückgenommen wurde.
Im selben Spiel sah Mohamed Amoura (VfL Wolfsburg) die rote Karte, welche nach Video-Beweis wieder (zurecht) einkassiert wurde, was die Gemüter der Stuttgarter verständlicherweise erhitzte. Das Spiel, welches am Ende Unentschieden endete, hätte einen anderen Spielverlauf nehmen können. Was, wenn so eine Situation zum Ende der Saison passiert, bei der es neben Sieg und Niederlage, Aufstieg oder Abstieg, Meisterschaft oder nicht, auch um Millionen Euro geht? Aufgrund der Tatsache, dass ein Platzverweis in jedem Fall eine spielentscheidende Situation ist, werden die Rufe nach einer Revolution lauter.
Konflikt zwischen Fairness und zeitintensiven Video-Sichtungen
Von den Fans ist häufig zu hören, dass der Video-Beweis zu viel Zeit in Anspruch nimmt und der Spielfluss verloren geht. Diesen Fakt nutzt die Deutsche Fußballliga (DFL) nun, um sich gegen eine Regelanpassung auszusprechen. Schiedsrichter Sven Jablonski, der Schiedsrichter der besagten Bundesligapartie, erkannte seinen Fehler an, ist jedoch der Meinung, dass die Anpassung nicht umsetzbar sei. Seiner Aussage nach müsste danach jeder Zweikampf eines gelb verwarnten Spielers kontrolliert werden. Dies wäre natürlich zeitintensiv, doch würde sicherlich der Fairness nicht schaden. Außerdem müsste nicht jeder Zweikampf unter die Lupe genommen werden. Was, wenn man einen Zwischenweg findet und nur die gelben Karten, die zu einem Platzverweis führen untersucht oder wie es vom VAR erwartet wird, nur bei klaren Fehlentscheidungen, die zu einer Verwarnung führen eingreift? Ist es in Anbetracht dessen nicht eine Überlegung wert, die Regel nicht doch anzupassen und allen Beteiligten ein faires und gerechtes Spiel zu ermöglichen?
Andreas Nachbar
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