Nach Rapids Kantersieg über den schwachen Kapfenberger SV sind die Meinungen über die Leistung geteilt. Wie abseits.at bereits berichtete kann man aus dem Sieg... Wenn auf der Südtribüne ein Platz in Reihe 10 (Aufgang 4) leer bleibt…

Nach Rapids Kantersieg über den schwachen Kapfenberger SV sind die Meinungen über die Leistung geteilt. Wie abseits.at bereits berichtete kann man aus dem Sieg durchaus positive taktische Schlüsse ziehen, allerdings war die Art und Weise, wie das Spiel gewonnen wurde, noch keineswegs überzeugend. Zu viele Fehler im Aufbau, zu viele vergebene Chancen – aber auch eine sehr seltsame Allgemeinstimmung im Gerhard-Hanappi-Stadion, die vielleicht auf das Zuhausebleiben des Rapid-Geist zurückzuführen ist, wie ein Fan im Austrian Soccer Board, in diesem melancholisch-humoristischen Beitrag vermuten lässt.

14.000 Grüne fanden gestern gegen Kapfenberg den Weg ins Stadion. Nur einer – ein ganz Wichtiger – war heute wiederholt ferngeblieben: Der Rapid-Geist. Der Rapid-Geist ist ein alter Herr – man kann schon sagen “ein Greis”. Er ist im biblischen Alter von 112 Jahren und hat schon so ziemlich alles erlebt, was man fußballerisch beim SK Rapid so erleben kann: Europacup-Titel … Meistertitel … Stadion Umzüge … Legenden … den Franz Bimbo Binder … aber auch sehr schwere Zeiten. Der Rapid-Geist sitzt seit Jahrzehnten auf “der Süd”. Dort hat er sein Platzerl’ (ein ganz gemütliches, sei bemerkt!). Nämlich oben am “Oberen Rang – Aufgang 4 – Reihe 10”. Der ganz unscheinbare Platz gleich am Gang ist es. Dort sitzt er für gewöhnlich immer.

Der Rapid-Geist kommt meistens schon eineinhalb Stunden vorm Spiel und sitzt während der Partie meistens seelenruhig auf seinem Platz‘l und rührt sich wenig. Wer kann’s so einem alten Herren verdenken, wenn er nicht bei jedem Wer-nicht-hüpft-der-ist-ein-Irgendwas mitmacht? Wenn der alte Herr beim Stadion ankommt und sich langsam und bedächtig den Weg zu seinem Platz bahnt, dann g’freut sich jeder der ihn sieht!

In dem Moment wenn ich den Greis seh’, fühl’ ich mich erst richtig z’haus im Stadion! Ich denke mir dann: “Schau an … der Rapid-Geist ist auch wieder da heut’! Heut’ kann nichts schief gehen. Auch wenn wir hinten sind … des wird scho passen!” Und innerlich spürt man die Anspannung des bevorstehenden “Matches” – spürt die tiefen Wurzeln der Tradition und vor allem die Einheit aller Menschen in diesem Stadion, aller Menschen zuhause vor den Fernsehgeräten und aller Menschen die grad nicht schauen können (aber innerlich nervös sind, weil’s wissen, dass “die Rapid” gleich spielen wird).

Das erste Mal ist es mir beim Heimspiel gegen Ried aufgefallen. In der 10. Minute schaue ich runter und der Platz vom Rapid Geist ist leer. Das war nicht der Fall seit ich zurückdenken kann. Ich denk mir: “Der wird krank sein. Ist ja schon alt. Gute Besserung alter Mann!”. Das Spiel war mühevoll. Ein mieses 0:0. Kein Support vom Block West. Eine komische – geisterhafte, Rapid unwürdige Atmosphäre.

Und dann, im zweiten Heimspiel der Saison der Schock: Sein Sessel ist und bleibt auch während des Spieles leer. Seine Nachbarn gestikulieren aufgeregt. Immer mehr Leute sammeln sich da unten bei der Reihe 10. Ich bin neugierig und schau runter und merke, dass heftig debattiert wird: “Vielleicht ist er g’sturbn?” fragt der älterer Herr auf Platz 139. “Um Gottes Willen … hoffentlich is ihm nix passiert!” höre ich von der Dame daneben. Ein junger Mann mit Kapperl schreit dazwischen: “Aber geh’ meine Herrschaftn’ … der ist sicher nur beim Wirt’n und schaut des Spiel im Sky!?”. Es folgen wilde Spekulationen von allen möglichen Leuten, eine besagt sogar, dass er am Platzsturm beteiligt war und ein Stadionverbot bekommen hat. Absurd.

Das folgende Spiel war eine Katastrophe. So schlecht haben wir gegen Matterburg schon lange nicht mehr gespielt. Wenigstens wieder ein bisserl – wenn auch selbstherrlich inszenierter – Support vom Block West.

Heute war ich den ganzen Tag angespannt. Bei meinem ersten Schritt aus dem Bett musste ich an den Rapid Geist denken: “Wird er heute wieder dabei sein?”.

Doch wieder war heute sein Platz … LEER.
Mit dem Schiedsrichter als 12. Mann haben wir gegen Kapfenberg einen schmeichelhaften Sieg eingefahren. Die Schwächen der Mannschaft, die Verunsicherung, die Probleme im Spielaufbau waren abermals augenscheinlich.

Ich stehe noch lange vor seinem Sitzplatztäfelchen des alten Herren und denke zurück an die vielen emotionsgeladenen Spiele, an denen er ruhig unten gesessen hat und das Spiel verfolgt hat.

Austrian Soccer Board User „Gezeichnet fürs Leben“ nach dem 5:1-Sieg über den Kapfenberger SV

Daniel Mandl Chefredakteur

Gründer von abseits.at und austriansoccerboard.at | Geboren 1984 in Wien | Liebt Fußball seit dem Kindesalter, lernte schon als "Gschropp" sämtliche Kicker und ihre Statistiken auswendig | Steht auf ausgefallene Reisen und lernt in seiner Freizeit neue Sprachen

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