Jeden Sonntag wollen wir in dieser neuen Serie einen Blick in die Vergangenheit werfen: Wir spielen sozusagen einen Zuckerpass in den Rückraum und widmen... Wiederholung in Zeitlupe (31) – Tote in Moskau  (KW 42)

Jeden Sonntag wollen wir in dieser neuen Serie einen Blick in die Vergangenheit werfen: Wir spielen sozusagen einen Zuckerpass in den Rückraum und widmen uns kurz und bündig legendären Toren, Spielen, Fußballpersönlichkeiten, Ereignissen auf oder neben dem Platz und vielem mehr. Wir wollen Momente, Begebenheiten, Biografie im Stile von Zeitlupenwiederholungen aus dem TV nochmals Revue passieren lassen. Zum Anlass nehmen wir hierbei Vergangenes, das in der abgelaufenen Kalenderwoche stattgefunden hat: Heute wollen wir ein Unglück am 20. Oktober 1982 anlässlich einer UEFA-Cup-Partie näher beleuchten…

Massenpanik im Olympiastadion

An diesem Herbstabend vor fast 40 Jahren deutete anfangs wenig auf eine Katastrophe hin: Bitterkalt war es in Moskau, das Rückspiel der zweiten Runde des UEFA-Cups Spartak Moskau gegen HFC Haarlem war für 19 Uhr Ortszeit angesetzt: Kein Fußballwetter, kein Klassiker. Nur wenige Fans holten sich deshalb Karten für das Olympiastadion Luschniki, das in den 50ern errichtet worden und zwei Jahre zuvor eine der Spielstätten der Olympischen Sommerspiele in Moskau gewesen war.

82.000 Plätze standen zur Verfügung, gerade 16.500 Tickets wurden verkauft. Aus diesem Grund entschlossen sich die Verantwortlichen nur zwei Blöcke zu öffnen – ein folgenschwerer Fehler, wie sich später herausstellen sollte. Das Match selbst verlief unspektakulär, Spartak führte ab der 16. Minute mit 1:0. Die Anhänger langweilten sich: Man genehmigte sich einen Wodka gegen die Kälte, schoss mit Schneebällen aufeinander und – leider – gab es auch die „üblichen“ Handgreiflichkeiten. Letztere waren der Grund weshalb die Ordnungskräfte nur einen Ausgang öffneten: Sie hatten vor die Missetäter aus der Menge zu fischen – der Anfang vom Ende.

In der Schlussviertelstunde hatten viele lokale Fußballanhänger genug vom Zittern im Schneegestöber auf der Tribüne: Spartak schien der Sieg sowieso nicht mehr zu nehmen zu sein, sie wollten nur mehr nachhause. Eine Menge an Fans strömte zum Ausgang, es ging allerdings nur schleppend voran. Später erzählten Augenzeugen eine Frau habe im Gedränge ihren Schuh verloren und danach gesucht. Andere halfen ihr, es kam zu ersten Zusammenstößen. Stellenweise kam bereits Panik auf.

Der Knackpunkt war jedoch das Tor zum 2:0 der Gastgeber: Nun liefen einige der hinausströmenden Fans zurück um mitzufeiern und lösten so endgültig die fatale Massenpanik aus. „Auf den glatten Treppen gab es Stürze; jeder fiel über jeden.“, erinnert sich ein Augenzeuge. Menschen wurden gegen die Geländer gepresst und zu Tode getrampelt. Während die Spieler ahnungslos in den Kabinen saßen, starben mindestens 66 Fans, hunderte wurden – zum Teil schwer – verletzt. Die Leichen mussten vor der riesigen Lenin-Statue vor dem Stadion abgelegt werden.

Die Hintergründe und wahren Ausmaße der Katastrophe wurden in der Sowjetunion geheim gehalten. Bis heute ist die Zahl der Toten fraglich. Erst sieben Jahre später unter Michail Gorbatschow und der Öffnung gegenüber dem Westen wurde auch das Unglück von Luschniki aufgearbeitet: Kein Trost für die Toten.

Marie Samstag, abseits.at

Marie Samstag

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