Sophia Loren ist die Verkörperung einer italienischen Versuchung. Sinnliche Kurven, eine divenhafte Ausstrahlung, wallendes Haar, sprühend vor Lebenslust – ein rassiges Vollweib eben. Sie liebt ihre Familie, rote Kleider, Spaghetti und – Fußball. Im Mai 2007 überraschte die mittlerweile 72-jährige Schauspielerin mit der Aussage einen Strip hinzulegen, falls ihr Lieblingsverein, der SSC Napoli, den Aufstieg in die Serie A schaffen würde. Das Kunststück gelang den Blau-Weißen im Sommer prompt, Lorens Entkleidungsshow blieb jedoch aus. Erst später deklarierte sie ihr Versprechen als Witz.
Dass Loren als Italienerin Fußball liebt, kann wohl eine Frage der Herkunft sein. Es mag Lokalpatriotismus, Weltanschauung, Familienerbe oder Sonstiges sein, prominente Fußballfans haben mit herkömmlichen Anhängern eines gemeinsam: die Liebe zur schönsten Nebensache der Welt. Im Gegensatz zu unbekannten Ballsportbegeisterten können viele Prominenten ihrer Leidenschaft aber auch öffentlich frönen. Getreu dem Motto: Es gibt keine schlechte Werbung!
Fernseh-Entertainer und Moderator Stefan Raab macht in seiner Abendsendung „TV Total“ kein Hehl daraus, dass sein Herz für den 1. FC Köln schlägt. Beliebtes Witzobjekt ist der allmächtige FC Bayern, damit spricht der Rheinländer der deutschen Fußballszene oft aus der Seele.2002 verewigte Sänger Placido Domingo seine Liebe zu Real Madrid indem er mit „Himno del Centenario del Real Madrid“ eine Stadionhymne für das weiße Ballett komponierte. Die frischgebackene Uroma und Commonwealth-Regentin Queen Elizabeth II gehört angeblich zu den „Supportern“ des traditionsreichen FC Arsenal. Auch Enkelsohn Harry drückt den „Gunners“ die Daumen. Selbst in Liedern ergriffen die Toten Hosen („Wir würden nie zum FC Bayern München geeeeeehn“) Partei für Fortuna Düsseldorf. In den Achtzigern waren die Punkrocker sogar als Trikotsponsoren des Kultklubs tätig. Mit Erfolg, denn besagte Dress war eine der meistverkauften Deutschlands. Die Sympathie ging so weit, dass die Band den Düsseldorfern sogar einen Spieler finanzierte. Frontmann Campino ist „im Nebenberuf“auch noch begeisterter Liverpool-Jünger.
In Österreich durften die Kabarettisten Florian Scheuba und Thomas Stipsits im mündlichen Schlagabtausch ihre Fußballbegeisterung unter Beweis stellen: Stipsits („Bevor Rapid Meister wird, heiratet der Papst.“) und Scheuba („Die Austria ist wichtig, denn sie erfüllt für Wien jene Funktion, die Atletico für Madrid oder Espanyol für Barcelona haben.“) führen die Rasenschlacht im Verbalduell fort und halten meist, was Derbys nur versprechen: Spielwitz, Leidenschaft und Überraschungsmomente.
Vom Arbeitersport hat sich der Fußball längst emanzipiert, seine Anhänger finden sich in allen Gesellschaftsschichten. Viele bekommen ihre Leidenschaft im Elternhaus oder durch ihren Wohnort vermittelt, manchmal ist es aber auch mehr als das: Die Fanszene des Kultklubs FC St. Pauli schlägt zum Beispiel stark aus der Art. Anhängerschaften von Fußballvereinen, die oft ins rechte Eck gerückt werden, und sich seit Jahren bemühen als unpolitisch zu erscheinen und lediglich ihr Interesse am Spiel bekunden, finden sich bei St. Pauli großteils nicht: Ein nennenswerter Teil der Zuschauer versteht sich ausdrücklich als politisch. Die Fans starten selber Kampagnen gegen Rassismus und Sexismus, ungewöhnlich in einer maskulin-dominierten Szene. Die Hamburger Elf mit dem schmalen Budget versteht sich dank Piratenkopf auch als Außenseiter, der sich mit Herz und Leidenschaft gegen die Ligagrößen durchsetzen muss. Ein Zufall, dass sich Bela B. (Schlagzeuger der Punkband „Die Ärzte“) als Pauli-Fan outete?
Der Musiker selbst sagt: „Die gute Musik, das ehrliche Publikum, die überwiegend linke Gesinnung. St. Pauli ist Punkrock. Damit kann ich mich identifizieren.“ Also doch kein Zufall.
Klar ist, dass Grenzen verschwimmen: Rapid Wien, der Arbeiterverein mit Holzfüßen und Kampfgeist, gegen Austria Wien, den bürgerlichen Sportklub mit dem Geld in der Tasche und dem eleganten Rist. Doktoren und ihre Söhne halten also den Favoritnern ihre Daumen, während der Proletariernachwuchs die Grün-Weißen anfeuerte. In den 60er und 70er-Jahren war dies tatsächlich noch so, wie es die Autorin dieses Artikels in ihrer eigenen Familie erlebte. Der Großvater, seines Zeichens selbständiger Malermeister, freute sich bei der morgendlichen Zeitungslektüre über Tore von Ernst Fiala, Tommy Parits oder Felix Gasselich. Und die Mutter der Autorin bringt die Leidenschaft ihres Vaters für die Austria auf einen Punkt: „Rapid war Prolo.“
Diese Klischees leben weiter, obwohl sie vermessen und nicht mehr realitätsgetreu sind. Kabarettist und Schauspieler Alfred Dorfer (ein Erzvioletter) lässt in der Bürohälfte des MA 2412-Beamten Mike Weber einen Rapid-Schal die Wand zieren. Seine Kollegen Erwin Steinhauer und Rupert Henning vergleichen in ihrem Kabarettstück „Freundschaft“ Rapid Wien mit der Sozialdemokratie: „ … dann fällt das 0:4, aber keiner geht nachhause!“
Tatsächlich scheint es besonders in der österreichischen Sozialdemokratie viele Rapid-Fans (Renate Brauner, Rudolf Edlinger, Norbert Darabos, etc.) zu geben, freilich mit so mancher Ausnahme, wie Bürgermeister Michael Häupl. Doch für junge Wiener hat das Einkommen ihrer Eltern heute wenig damit zu tun, welchem Fußballverein sie sich verschreiben.
Manches Mal hat man jedoch doch das Gefühl, dass andere Kriterien als die herkömmlichen eine Rolle spielen. Popstar und Ur-Wiener Falco beispielsweise soll Austria-Wien-Anhänger gewesen sein. Komisch für jemanden, dem nach eigenen Angaben „Fußball nie so viel gab, wie den anderen“, aber passend wenn man überlegt, dass der schillernde Musiker sich oft zum Eigenwilligen und Außenseiter machte, zu jemanden, der sich sicher nicht auf die Tribüne eines populären Massenvereines setzen würde. Einer unter Vielen zu sein, wäre undenkbar gewesen für den Weltstar aus Wien-Margarethen.
Ein anderes Wiener Original, Volksdichter Johann Nestroy, könnte man sich so bestimmt gut als SCR-Fan vorstellen. Auch Nestroy verstand sich als Außenseiter der bürgerlichen Gesellschaft, zu der der Sohn eines Anwaltes eigentlich gehörte, da hätte es den Schauspieler und Dichter bestimmt zum Arbeiterverein in den Wiener Westen verschlagen. Musikgenie Mozart könnte man sich wohl kaum als Fan des Ligakrösus Red Bull Salzburg vorstellen, elitäres Gehabe war dem lebenslustigen Komponisten (Lieblingsgetränk: Punsch, bevorzugtes Hobby: Kegeln) vollkommen fremd. Feierwütige italienische Klubs wären da eher nach seinem Geschmack gewesen: Choreografien im Giuseppe-Meazza-Stadion hätten den Fan großer Inszenierungen sicher beeindruckt. Der Kaiser der Franzosen, Napoleon I, könnte sich heute wohl mit den Ambitionen seines Hauptstadtklubs Paris Saint Germain identifizieren. Ganz Europa zu erobern stand auch auf seiner To-Do-Liste. Der englische Nationaldichter William Shakespeare liebte Trubel und Emotionen, vielleicht hätte er an der Anfield Road Punk-Sänger Campino getroffen.
Emotionen sind schließlich was den Fußball ausmacht, und die hat jeder.
Marie Samstag, abseits.at
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