Lokalderbys gibt es viele, die einen sind zuschauerträchtiger, die anderen weniger, doch Ortsderbys sind hierzulande eine sehr seltene Angelegenheit. Im Vergleich zu den Städten, wo es zahlreiche Derbys mit mäßigem Zuschauerinteresse gibt, ist es schon einmal sehr selten, dass es in einer Ortschaft überhaupt zwei Vereine gibt und dann ist es noch seltener, dass beide Vereine in einer Liga spielen.
Doch das Phänomen Ortsderby konnte man an diesem Samstag in Österreich gleich zweimal bewundern, zumal es im Burgenland das Pama-Derby und in Oberösterreich das Ebensee-Derby gab. Wie in Pama, ist es auch in Ebensee der Proporzpolitik vergangener Tage zu verdanken, dass einen roten und einen schwarzen Verein gibt. Während in Pama der SK der roten Reichshälfte zugeordnet wird und der UFC der schwarzen, gibt es in Ebensee zwar auch dieselbe Farbgleichung, aber die Vereine heißen ein wenig anders. Rot und der SPÖ zugehörig ist logischerweise der ASKÖ Ebensee, während der SV Ebensee 1922 ein ÖVP-naher schwarzer Verein ist.
Derbys im Salzkammergut sind mitunter sogar sehr hitzig und somit wird auch seitens des Verbandes darauf geachtet, dass es beim Ebensee-Derby so gut wie keine Angriffspunkte für eine etwaige Eskalation gibt, weshalb auch Schiedsrichter Dreiergespann heute ins Rudolf-Engl-Stadion, der Heimat des ASKÖ Ebensee, zu diesem Spiel der 1.Klasse Süd entsandt wird. Aber auch die Vereine sind bemüht, dass alles so gesittet wie möglich abläuft und so forderte die beiden Kapitäne beim Derby im Herbst 2021 die Zuschauer auf friedlich zu sein und am Sportplatz respektvoll miteinander umzugehen. Diese Worte verfehlten ihre Wirkung nicht, denn das Ebensee-Derby beim SV Ebensee lief sehr zivilisiert ab und unter den 450 Zuschauern gab es keine Zwischenfälle. Sportlich dominerte die Heimelf dieses Spiel und ging mit 3:1 deutlich als Sieger vom Platz.
Ein halbes Jahr später steht der ASKÖ Ebensee knapp vor einem Relegationsplatz, aber auch der SV Ebensee ist noch nicht gerettet und kann ebenfalls, wie die halbe Liga auch, noch auf den Relegationsplatz in der Liga zurück rutschen. Sprich, Geschenke können hier heute nicht verteilt werden, sodass aufgrund der spannenden Ausgangslage heute auch 600 Zuschauer auf die AKSÖ Sportanlage im Süden der rund 7.600 Einwohner zählenden Marktgemeinde, die am südlichen Ende des Traunsees liegt, kommen.
ASKÖ Ebensee – SV Ebensee 1922 3:1 (1:0)
Ich erreiche das Rudolf-Engl-Stadion rund fünfzehn Minuten vor Spielbeginn und werde von der örtlichen Feuerwehr auf „mobilen“ im Sinne von provisorischen Parkplatz am Trainingsplatz geleitet. Wie groß dabei die Chance ist, dass man nicht am Elfmeterpunkt steht, liegt wohl bei über 98%, aber ich ziehe das große Los und parke tatsächlich am Elfmeterpunkt des Trainingsplatzes. Mit diesem, vor allem für alle nicht an Statistiken Interessieren, unnützen Wissen, geht es dann auf den Sportplatz, der sich zu Spielbeginn sehr gut gefüllt hat. Musikalisch bekommt das Publikum natürlich mit Musik der Kärntnerin Melissa Naschenweng alpinen Schlager zur Einstimmung serviert und mit dem Mallorca-Klassiker „Radler ist kein Alkohol“, will man bei den Fans gleich die gute Laune nützen und diese auch zum Konsum des einen oder anderen Bieres und der zahlreich vorhandenen Speisen animieren.
Die ersten 45 Minuten verlaufen doch sehr ausgeglichen und der ASKÖ Ebensee geht sogar durch einen Treffer von Leitner in der 27. Minute mit einer Führung von 1:0 in die Pause. Nach dem Seitenwechsel sollte der ASKÖ Ebensee sogar noch einen Treffer drauflegen, nachdem Sibinovic in der 50. Minute aus kurzer Distanz eine scharfe Hereingabe von der linken Seite über die Linie drückt.
Mit dieser doch überraschend klaren Führung der Gastgeber, höre ich einer Gruppe ältere Kiebitze bei Fachsimpeln zu. Einer von ihnen vermeint, dass er in der 1980er bei der Austria mit dem Prohaska zusammengespielt hat und der dann bei Untersiebenbrunn war. Es könnte Erwin Jelinek gewesen sein, aber es ist nur zweitranging, denn der Mann hat wirklich Ahnung vom Fußball. Nach einer vergebenen Chance des SV Ebensee meinte er lapidar: „Waunnst vom Fünfa driawaschiaßt, daunn bist oiwei a Depp!“ Aber er kennt sich auch in der Bundesliga aus und fasst die Leistung des LASK in der Liga auf den Punkt gebracht mit den Worten „des is a Dodltruppn“ zusammen. Als dem SV Ebensee in der 60. Minute Anschlusstreffer durch Loidl gelinden sollte, wird dieser von ihm stoisch zur Kenntnis genommen und mit den Worten „Soiche Föhla diafn im Aufbau ned passian“ kurz analysiert.
Ich ziehe nun weiter und man hört auch, dass sich einige Ebenseer Nettigkeiten untereinander austauschen. Aber alles verläuft friedlich und Wortmeldungen, dass ein Spieler der Gegner „scho a Kretzn is“ sind für ein Derby dieser Kategorie schon fast fromme Aussagen. Dass der Hass auf den Rängen nicht ausgelebt wird, wird auch klar, als ASKÖ-Spieler Serdar nach minutenlanger Unterbrechung aufgrund einer Verletzung mit der Bahre vom Feld gebracht wird und es Applaus von beiden Seiten gibt.
In der Schlussphase wird es noch einmal hitzig und es zeigt sich auch, dass das Ebensee-Derby dennoch keine „Derby of Love“ ist, zumal sich der SV Ebensee eine Niederlage nicht leisten kann und dieser von seinen Fans nach vorne gepeitscht wird. Doch die Bemühungen der SV-Fans sind heute leider umsonst, denn Vuckovic trifft in der 82. Minute zum entscheidenden 3:1 für den ASKÖ. Dieser Treffer war dann doch etwas wider den Spielverlauf, aber danach fragt nach dem Schlusspfiff keiner mehr. Die ASKÖ-Fans zünden gleich drei bengalische Feuer und stürmen den Platz, um ihre Elf zu beglückwünschen. Solche ehrlichen Emotionen und die große Freude über den Derbysieg der ASKÖ-Elf, will man sehen. Aber auch, dass die SV Ebensee-Fans die Niederlage mit Fassung tragen und es zu keinen Ausschreitungen kommt.
Die drei Punkte bleiben heute beim ASKÖ Ebensee, der nun nur mehr einen Punkt hinter dem SV Ebensee liegt. Somit laufen zwar beide Ebenseer Vereine noch die Gefahr, dass sie auf den Relegationsplatz zurück rutschen können, aber realistischer Weise ist schon sehr wahrscheinlich (wohl zu 98%, wenn nicht sogar etwas mehr), dass es dieses Derby am Fuße des Traunsteins wohl auch noch in der nächsten Saison der oberösterreichischen 1.Klasse Süd wieder zu sehen geben wird. Von meiner Seite gibt es eine absolute Besuchsempfehlung für dieses Ortsderby. Es ist eine echte Rarität in der österreichischen Fußballlandschaft, der zu Unrecht weit weniger mediale Aufmerksamkeit, als dem Pama-Derby im Burgenland, geschenkt wurde.
Es folgen einige Impressionen, die sich per Klick vergrößern lassen:
Heffridge
Philipp Karesch alias Heffridge wurde 1979 in Wien geboren und hatte von Kindesbeinen an die Lust am Reisen und Fußball zu spielen. Durch diese Kombination bedingt, zieht es ihn nach wie vor auf die Fußballplätze dieser Welt. Die dort gesammelten Eindrücke sind ein fixer Bestandteil der abseits.at-Kolumne Groundhopper's Diary.
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