Das Financial Fair Play-Programm (FFP) der UEFA als zahnloser Tiger? Eine Analyse aus Sicht zweier englischer Spitzenvereine
Fußball & Business 18.August.2011 Daniel Mandl 0
Die finanziellen Rahmenbedingungen, in denen sich der europäische Spitzenfußball bewegt, haben sich in den vergangenen zwei Jahrzehnten stark verändert. Zum Beispiel eröffnete die Neuorganisierung der englischen ‚First Division‘ im Jahr 1992 den Vereinen die Möglichkeit, neue und wesentlich lukrativere TV-Verträge auszuhandeln. Im letzten Jahrzehnt konnte zudem eine weitere Entwicklung beobachtet werden: Der inflationäre Einstieg von Investoren und Multimilliardären in den Profifußball. Da England in diesem Zusammenhang besonders oft genannt wird, wird nachfolgend exemplarisch auf die Premier League, insbesondere auf die Top-Vereine Manchester United und Chelsea FC, Bezug genommen.
Ausgangspunkt: Der Anstieg der Transfersummen
Um die Einführung des und die Idee hinter dem FFP verstehen zu können, müssen gerade in Hinblick auf die Premier League mehrere Faktoren berücksichtigt werden. Die Verfügbarkeit über weit größere finanzielle Ressourcen hat die Transfersummen in den vergangenen 20 Jahren massiv beeinflusst. Noch im Jahr 1992 betrug der britische Transferrekord lediglich £5,5 Millionen, die der S.S.C. Lazio für den englischen Superstar Paul Gascoigne, damals tätig für die Tottenham Hotspurs, auf den Tisch legte. In den vergangenen 19 Jahren wurde dieser Rekord unzählige Male gebrochen, wobei vor allem Serienmeister Manchester United vom ‚Sky-Boom‘ profitierte und bis heute in der Lage ist, hohe Ablösesummen zu bezahlen.
Die Verpflichtung eines Spielers kostet in den meisten Fällen allerdings nicht nur eine Ablösesumme, sondern auch ein nicht unbeträchtliches Handgeld – welches umso höher ausfällt, sofern der Spieler ablösefrei zu seinem neuen Verein wechselt – und natürlich ein entsprechendes Gehalt. Nach der ‚Causa Bosman‘, die zur Folge hatte, dass Klubs europaweit keine Transfersummen mehr für Spieler verlangen durften, deren Verträge ausgelaufen waren, stiegen die Aufwendungen der Klubs unweigerlich an. Zugleich wurde die Verhandlungsposition der Spieler aufgewertet. Eine gegensteuernde Kontrollinstanz in dem Sinne, wie sie mit dem FFP vorgesehen ist, hat bisher nicht existiert.
Hintergrund: Das Schuldenniveau im Englischen Fußball
Allgemein ist zu konstatieren, dass der englische Spitzenfußball gerade aufgrund vieler Investoren finanziell nicht so schlecht dasteht, wie dies in den Medien oft und wiederholt kommuniziert wird. Die Spitzenvereine Manchester United und Chelsea FC, die in den vergangenen Jahren oftmals als hochverschuldete und vor allem defizitär geführte Vereine bezeichnet wurden, sollen hier exemplarisch kurz unter die Lupe genommen werden: Manchester United konnte nach der Übernahme durch die Glazer-Familie, die den Verein mit geborgtem Geld gekauft und von der Londoner Börse genommen hatte, durch die Erhöhung von Ticketpreisen und der Optimierung des Werbe- und Sponsorenbereiches seit 2005 den Umsatz von etwa 220 Millionen Euro auf 350 Millionen Euro (letzte Geschäftszahlen) steigern. Heuer soll zudem erstmals die £100 Millionen Schallmauer im Sponsorenbereich durchbrochen werden. Die Re-Finanzierung der Anleihen hat zudem die jährlichen Zinszahlungen auf ziemlich genau £40 Millionen gesenkt, während die Aufwendungen bis zur vergangenen Saison flexibel und von diversen Marktfaktoren abhängig waren. Die fixe Verzinsung hat es dem Verein auch erlaubt, Teile der Anleihen selbst zurückzukaufen und so das Schuldenniveau langsam abzusenken. Letzten Zahlen zufolge ist Manchester United mit £365 Millionen verschuldet und kann seine Zinszahlungen ohne Probleme begleichen.
Den Investitionen des russischen Milliardärs Roman Abramowitsch beim Chelsea FC gingen finanzielle Schwierigkeiten des Londoner Klubs voraus. Abramowitsch kaufte den Klub, beglich alle Schulden und legte mit seinem Geld den Grundstein für die Erfolge, die der Klub seit 2003 feiern durfte. Mit dem Erfolg kamen zwangsläufig auch kritische Stimmen, die anmerkten, dass der Verein wesentlich mehr Geld ausgibt als er einnimmt und sich damit gegenüber der Konkurrenz einen Wettbewerbsvorteil verschafft. Was bei aller berechtigten ligainternen Kritik nicht vergessen werden darf ist die Tatsache, dass Chelsea bereits vor dem Einstieg von Abramowitsch erfolgreich war und jenes Geld, das der Milliardär investiert hat, überwiegend den Vereinen der obersten englischen Spielklasse in Form von Transfergeldern zugeflossen ist. Wer die Ära Abramowitsch näher analysiert, wird zudem darauf stoßen, dass nach einer Phase hoher Investitionen zwischen 2003 und 2007 das Niveau der Transferaufwendungen an der Stamford Bridge merklich gesunken ist. Von diesem Weg ist man erst in der vergangenen Transferperiode im Januar 2011 wieder abgegangen, als mit Fernando Torres und dem portugiesischen Innenverteidiger David Luiz zwei Topspieler zu ebensolchen Preisen verpflichtet wurden.
Klar festzuhalten ist, dass das Ziel, das der nunmehr ehemalige CFC-Geschäftsführer Peter Kenyon im Jahr 2008 ausgegeben hat, Chelsea bereits 2010 als profitables Unternehmen führen zu wollen, nicht erreicht wurde. Wenn heute von den Schulden des Chelsea FC gesprochen wird, so ist die Bezeichnung nicht korrekt: Eigentümer Abramowitsch hat dem Klub de facto mit Ende des Jahres 2009 alle Schulden erlassen. Ein offizielles Klub-Statement dazu sah in Auszügen wie folgt aus: „Following previous conversions of half of the debt, the remainder of the interest-free loans from the parent company, whose ultimate controlling party is Roman Abramovich, have been converted into equity, making the group effectively debt-free.“
Financial Fair Play – die Grundregeln
Obenstehende Ausführungen sollen am Beispiel von zwei Spitzenvereinen vor Augen führen, wie unterschiedlich Klubs von ‚Verschuldung‘ betroffen sein können, welche von der UEFA ‚eingeschränkt‘ werden soll. Beim Blick auf die Grundregeln des FFP wird jedoch deutlich, dass die eigentliche Höhe der Verschuldung nicht wesentlich dafür ist, ob die UEFA tatsächlich eine entsprechende Lizenz erteilt. Vielmehr steht vereinfacht gesagt ’nachhaltiges Wirtschaften‘ im Vordergrund, um den Spielbetrieb in allen Ligen aufrecht erhalten, Konkursen möglichst vorzubeugen und dem exorbitanten Anstieg der Spielergehälter – vor allem im Verhältnis zum Gesamtbudget der Vereine – Einhalt gebieten zu können.
Das FFP-Programm der UEFA betrifft nicht nur den Transfer- und Gehälterbereich, sondern die gesamte Infrastruktur des Vereins. Im vorgegebenen Maßnahmenkatalog wird geregelt, welche Kriterien Vereine erfüllen müssen, um eine UEFA-Lizenz zu erhalten. Dies beginnt bei der Registrierung von Spielern, geht über den gesamten Mannschaftsstab (Trainer, Therapeuten, Ärzte) hin zum Medienbereich sowie zu den Angestellten der Klubs, die etwa für den reibungslosen Ablauf bei Heimspielen oder in der allgemeinen Verwaltung sorgen.
Die UEFA gibt künftig so genannte ‚Monitoring-Perioden‘ vor, die sich über den Zeitraum von drei Jahren strecken. Wird also die Lizenz für die Spielzeit 2016/17 erteilt, werden die Spielzeiten 2013/14, 2014/15 sowie 2015/16 als Bewertungsgrundlage genommen. Die erste Monitoring-Periode umfasst ausnahmsweise nur zwei Spielzeiten, startend mit der Saison 2011/12. Als wesentliches Kriterium der Beurteilung gilt die Break-even-Vorschrift; vereinfacht gesagt müssen sich die relevanten Einnahmen (Eintrittsgelder, Sponsoring, Werbung etc.) mit den relevanten Ausgaben (Gehälter, Transfersummen, Handgelder etc.) die Waage halten. Ausgaben für die Nachwuchsförderung sowie nicht-fußballerische Tätigkeiten fallen nicht in den Ausgaben-Pool. Problematisch im Zusammenhang mit diversen Einnahmen ist, dass durch die Eigentümer-Struktur bei vielen englischen Fußballvereinen ein ‚Selbst-Sponsoring‘ nicht ausgeschlossen werden kann. So hat Manchester City einen Rekord-Deal mit Etihad Airways ausgehandelt, dessen Umfang rund £400 Millionen über einen Zeitraum von zehn Jahren beträgt. Zum Vergleich: Jener Deal, den der Arsenal FC mit Emirates für das neue Stadion/Trikotwerbung im Jahr 2004 abgeschlossen hat, bringt den ‚Gunners‘ innerhalb von 15 Jahren lediglich £90 Millionen. Auf den ersten Blick steht dieser Deal, den City auf dem Tisch liegen hat, in keinem Verhältnis zu jenen der Konkurrenz, wobei zusätzlich noch zu bedenken ist, dass der Eigentümer des Klubs aus dem Osten von Manchester gleichzeitig auch Besitzer der Fluglinie ist. Die UEFA hat bereits angekündigt, das Geschäft genau unter die Lupe zu nehmen, bevor eine Genehmigung erfolgt. In den FFP-Regeln ist dieser Fall wie folgt skizziert: Zwar ‚darf‘ der Klub die Einnahmen, die er durch klubnahe Personen generiert, selbstverständlich verbuchen, diese müssen allerdings in einem nachvollziehbaren Verhältnis zu Konkurrenzprodukten stehen, ansonsten werden sie in der Einnahmen-/Ausgaben-Rechnung nicht berücksichtigt. Klubnahe Personen werden dabei als ‚verbundene Partei‘ bezeichnet, die etwa ‚Kontrolle über das zu berichtende Unternehmen ausübt‘. Allerdings lässt die Definition einer ’nicht verbundenen Partei‘ reichlich Interpretationsspielraum, der wohl zum Knackpunkt für jene Klubs bzw. Eigentümer werden wird, die sich teilweise ’selbst sponsern‘.
Break-Even und Verschuldungsgrad
Über den Zeitraum einer Monitoring-Periode müssen die Klubs dafür sorgen, dass sie einen so genannten Break-Even-Überschuss generieren. Zur Abschwächung gibt es die annehmbare Abweichung. Das Break-Even-Defizit darf 45 Mio. Euro für die Spielzeiten 2013/14 und 2014/15 zusammengerechnet betragen, wobei dieser Betrag von Anteilseignern, im Fall von Chelsea somit von Roman Abramowitsch, gedeckt sein muss. In den folgenden Spielzeiten bis Sommer 2018 beträgt diese Summe nur noch 30 Mio. Euro, für die Monitoring-Perioden danach ist sie von der UEFA noch nicht festgesetzt worden. Der Finanzkontrollausschuss der UEFA kann in Zweifelsfällen jederzeit zusätzliche Informationen von den Klubs anfordern, wenn aus den Jahresberichten hervorgeht, dass der Personalaufwand 70% der Gesamteinnahmen übersteigt oder die Nettoschulden im laufenden Geschäftsjahr 100% der Gesamteinnahmen überschreiten.
Bemerkenswert ist auch, dass Wechselkurs-Schwankungen ebenso wie Break-Even-Trends in die Bewertung mit einfließen. Alle Klubs sind verpflichtet, längerfristige Geschäftsstrategien vorzuweisen, falls dies von der UEFA auf Basis der vorgelegten finanziellen Ergebnisse separat verlangt wird. Explizit angemerkt wird, dass der Kontrollausschuss die Art und Struktur der bereits vorhandenen Schulden bei der Begutachtung der Geschäftszahlen und -pläne berücksichtigt, wobei der Fähigkeit, den Zins- und Tilgungszahlungen nachzukommen ebenso wie dem Niveau der Einnahmen im Vergleich zu den jährlichen Belastungen durch den Schuldenstand Bedeutung zukommt. Um den Bezug zu Manchester United herzustellen, so sei an dieser Stelle gesagt, dass der Verein genau aus diesem Grund wie viele andere Top-Klubs keine Probleme mit dem FFP haben wird, da der Klub seinen Zahlungsverpflichtungen, was die Zinsen betrifft, relativ problemlos nachkommen kann.
Sonderregelungen
Für die ersten beiden Monitoring-Perioden gibt es noch eine Besonderheit zu beachten: Aufwendungen für Spieler, die vor dem 1. Juni 2010 unter Vertrag genommen wurden, fallen nicht unter die hier skizzierten Regelungen. Konkret heißt dies, dass Verträge, die vor diesem Datum geschlossen wurden, für das FFP nur bedingt relevant sind, wobei einschränkend zu sagen ist, dass dies daran geknüpft ist, einen positiven Trend bei den jährlichen Break-Even-Resultaten vorweisen zu können.
FFP – ein vorerst zahnloses Konstrukt
Zusammengefasst kann festgestellt werden, dass ein klar und fix definierter Sanktionenkatalog (noch) fehlt. Ein Ausschlussverfahren aus den internationalen Bewerben der UEFA wird ebenso wenig diskutiert wie etwaige Geldstrafen, welche die betroffenen Klubs – denen es zumeist ironischerweise nicht an Geld fehlt – ohnehin nur bedingt treffen würden. Es wird lediglich darauf verwiesen, dass ein Maßnahmenkatalog dafür sorgen soll, dass das FFP auch wirklich zu einem ‚fairen Spiel‘ führt.
Ohne Zweifel geht UEFA-Präsident Michel Platini mit der grundsätzlichen Idee der finanziellen Regulierung von Europas Fußball in die richtige Richtung. Es hat jedoch den Anschein, dass dem Katalog bereits beim Inkrafttreten die Zähne gezogen wurden; Ideen für Sanktionen mag es viele geben, eine Umsetzung ist allerdings in Anbetracht der Tatsache, dass bereits vor Jahren für den Fall einer allzu starken Regulierung von Seiten der Top-Vereine eine europäische Superliga abseits der UEFA-Bewerbe ins Spiel gebracht wurde, in weiter Ferne. Die UEFA ‚braucht‘ die Top-Vereine genauso, wie die Top-Vereine die UEFA brauchen – denn das TV-Geld, von dem auch aufgrund der Ausweitung und Reform der Europäischen Cupbewerbe immer mehr Vereine profitieren, fließt aufgrund der Präsenz der Spitzenvereine, die entsprechende Quote bringen. Eine Abwertung der UEFA-Bewerbe, etwa mit einem Ausschluss eines Spitzenvereins à la Manchester United oder z.B. Real Madrid, hätte nicht nur für den betroffenen Verein weitreichende Konsequenzen, weshalb sich die Sanktionen seitens der UEFA in absehbarer Zeit aus Sicht des Autors auf Geldstrafen beschränken werden.
Starostyak, abseits.at
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Daniel Mandl Chefredakteur
Gründer von abseits.at und austriansoccerboard.at | Geboren 1984 in Wien | Liebt Fußball seit dem Kindesalter, lernte schon als "Gschropp" sämtliche Kicker und ihre Statistiken auswendig | Steht auf ausgefallene Reisen und lernt in seiner Freizeit neue Sprachen
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