Das “Webster-Urteil” – Mücke oder Elefant?
Fußball & Business 12.September.2011 Daniel Mandl 0
August 2006, Andrew Neil Webster kündigt seinen noch ein Jahr laufenden 4-Jahresvertrag beim schottischen Klub Heart of Midlothian und zieht mit dieser Entscheidung vor den obersten Sportsgerichtshof Cas. Der Sportsgerichtshof gibt seiner Entscheidung recht und löst damit eine Massenpanik unter den Vereinsverantwortlichen aus.
Andrew Neil Webster
Als damals 19-Jähriger wechselte Webster 2001 von seinem Jugendverein Arbroath FC zum schottischen Premier League Klub Heart of Midlothian und unterschrieb dort einen 4- Jahresvertrag. Was er damals noch nicht wusste, er sollte mit dieser Entscheidung eine durchaus bedeutende Veränderung in Europas Fußball bewirken. Denn Webster blieb nicht wie ursprünglich geplant bis zum Ende seiner Vertragslaufzeit, sondern wechselte bereits eine Saison vor deren Ende zum englischen Premier League Klub Wigan Athletic. Der Sportgerichtshof Cas gab diesem Urteil recht und berief sich dabei auf Artikel 17 Absatz 1 des FIFA-Regulativs, wonach Spieler nach drei Jahren beim gleichen Verein ins Ausland wechseln dürften. Was Webster ebenfalls nicht wusste, dass dieser Wechsel ins Ausland seine Karriere nicht unbedingt fördern und er 2011 wieder bei den „Hearts“ anheuern würde.
Artikel 17 Absatz 1 des FIFA Regulativs
„Die vertragsbrüchige Partei ist in jedem Fall zur Zahlung einer Entschädigung verpflichtet. Vorbehaltlich der Bestimmungen in Art. 20 und Anhang 4 zur Ausbildungsentschädigung und sofern vertraglich nichts anderes vereinbart wurde, werden bei der Festlegung der Entschädigung aufgrund eines Vertragsbruchs nationales Recht, die Besonderheit des Sports sowie alle anderen objektiven Kriterien berücksichtigt.
Darunter fallen insbesondere die Entlöhnung und andere Leistungen, die dem Spieler gemäß gegenwärtigem und/oder neuem Vertrag zustehen, die verbleibende Vertragslaufzeit bis maximal fünf Jahre, die Höhe von Gebühren und Ausgaben, für die der ehemalige Verein aufgekommen ist (und die über die Dauer des Vertrags amortisiert wurden) sowie die Frage, ob sich der Vertragsbruch während der Schutzzeit ereignete.“
Im konkreten Falle von Webster bedeutete dies, dass Wigan Athletic FC vom internationalen Sportgerichtshof zu einer Zahlung von kolportierten 150.000 Pfund (173.250 Euro) gezwungen wurde, was dem Jahresgehalt von Webster entsprochen hätte.
Artikel 17 ist an das schweizerische und französische Arbeitsrecht angelehnt, weshalb deutsche Rechtsvertreter gerne darauf verweisen, dass Artikel 17 laut deutschem Recht keine einseitige Kündigungsmöglichkeit schaffe, sondern lediglich die Folgen einer rechtswidrigen Kündigung des Spielers regle.
Paulo Assuncao da Silva – Von Portugal nach Spanien
Einer der ersten prominenten Spieler, die sich das Webster Urteil zu Nutze machten war Paulo Assuncao. Der gebürtige Brasilianer wechselte im Juli 2008 nach 3 Jahren vom FC Porto zu Atlético Madrid. Der FC Porto kassierte dabei ursprünglich nur 600.000€, das noch ausstehende Gehalt des Brasilianers. Nach einigen Unstimmigkeiten zwischen den Vereinen, gab es schlussendlich dann aber doch noch 3 Mio. Euro Ablöse für den FC Porto.
Angst vor einem zweiten Bosman-Urteil
Nicht wenige Klubverantwortliche sprachen damals von einem einschneidenden Urteil mit weitreichenden Konsequenzen. So urteilte zum Beispiel Didi Beiersdorfer (damals HSV) „“Wenn das Bosman-Urteil ein Erdrutsch war, dann ist dieser Fall zumindest ein riesiger Einschnitt“, während Karl-Heinz Rummenigge das Urteil bedauerte, „weil damit wieder einmal die Position und die Planungssicherheit der Clubs geschwächt werden“.
Knapp drei Jahre später kann man resümieren, dass die große Angst, vor ähnlichen Auswirkungen wie dem Bosman-Urteil, überflüssig war und auch die weitreichenden Folgen bisher kaum zu spüren waren.
Österreich kaum betroffen – Cem Atan die einzige Ausnahme
Auch für Österreichs Bundesligavereine hatte das Webster-Urteil kaum Folgen. Einzig Cem Atan wechselte mithilfe dieses Urteils von Mattersburg zu Genclerbirligi, nachdem Mattersburg kurz zuvor einen Wechsel des Ex-Teamspielers noch abgelehnt hatte. Dennoch besteht bei manchen Verantwortlichen noch immer eine gewisse Grundangst, weshalb in Österreich derzeit nur selten Verträge über einen längeren Zeitraum als 3 Jahre abgeschlossen, wie auch Thomas Parits in einem Interview bestätigte: „Es würde keinen Sinn machen, Fünfjahresverträge zu vergeben, weil aufgrund neuer Regelungen sowieso jeder Spieler unter gewissen Umständen nach drei Jahren wechseln kann.“
Carlos Tevez – wird das Webster Urteil wieder aktuell?
Carlos Tevez, aktuell bei Manchester City unter Vertrag könnte unter Umständen das nächste prominente Beispiel des Webster-Urteils werden. Bereits im Dezember 2010 kündigt der 27-jährige Argentinier an, Manchester City aus familiären Gründen Richtung Spanien verlassen zu wollen, doch City lehnte das Gesuch ab. Tevez ist laut diverser Medien noch immer Wechselwillig und geht mittlerweile bereits in seine dritte Saison bei Manchester City. Der Vertrag läuft zwar erst im Sommer 2014 aus, doch bereits nächste Saison könnte der argentinische Nationalspieler mithilfe des Webster-Urteils den Verein verlassen. Dass dieses „Freikaufen“ aus dem laufenden Vertrag dennoch recht kostspielig werden könnte, da Tevez beim Millionärsklub von Scheich Mansour bin Zayed Al Nahyan sicher nicht schlecht verdient, steht wiederum auf einem anderen Blatt.
Dominik Knapp, abseits.at
Daniel Mandl Chefredakteur
Gründer von abseits.at und austriansoccerboard.at | Geboren 1984 in Wien | Liebt Fußball seit dem Kindesalter, lernte schon als "Gschropp" sämtliche Kicker und ihre Statistiken auswendig | Steht auf ausgefallene Reisen und lernt in seiner Freizeit neue Sprachen
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