Der aktuelle Stand der FIFA-Ermittlungen zu den WM-Vergaben
Fußball & Business 29.November.2014 Stefan Karger 0
Die Fußballwelt kann aufatmen! Bei der Vergabe der Weltmeisterschaften an Russland und Katar kam es zu keinen größeren Unregelmäßigkeiten! Alles in allem lief die Stimmenvergabe ehrlich und fair ab. Vereinzelt gab es zwar eventuell individuelles Fehlverhalten, allerdings in einem so kleinen Ausmaß, dass eine Neuvergabe der Turniere unverhältnismäßig wäre. Das wollte uns zumindest die FIFA glaubhaft machen, als sie vor zwei Wochen die Resultate der internen Ermittlungen verkündete.
Eine kurze Zusammenfassung der Ereignisse
Fassen wir zunächst die Ereignisse noch einmal zusammen, da man aufgrund der vielen Berichte und Namen schnell den Überblick verlieren kann: Der ehemalige New Yorker Bundesstaatsanwalt Michael Garcia untersuchte seit Juli 2012 in seiner Funktion als Vorsitzender der Untersuchungskammer der Ethikkommission die Korruptionsvorwürfe, die nach der Vergabe der Weltmeisterschaften 2018 und 2022 an Russland und Katar laut wurden.
Im September 2014 schloss er die Arbeiten an seinem 430-seitigen Bericht ab und leitete diesen wie vereinbart an den Münchner Richter Hans-Joachim Eckert weiter. Eckert ist Vorsitzender der rechtsprechenden Kammer der Ethikkommission und gilt als Experte, wenn es um schwierige politische Verfahren geht. Für die EU untersuchte er beispielsweise 300 Morde in Bulgarien, die im Umkreis der Wirtschaft und Politik stattfanden.
Eckert musste jedoch in weiterer Folge eine Menge Kritik einstecken, da er verlautbarte, dass Garcias Bericht nicht der Öffentlichkeit zugängig gemacht wird. Publik gemacht werden soll nur seine Zusammenfassung. Am 13. November erschien der mit Spannung erwartete Bericht des deutschen Richters, der Russland und Katar von den Korruptionsvorwürfen mehr oder weniger freisprach. Während die beiden Austragungsländer in Eckerts Bericht recht gut wegkamen, kritisierte er das Verhalten der anderen Kandidaten. England soll sich auf unpassende Weise um Jack Warners Zustimmung bemüht haben, Australien soll afrikanischen Staaten Fußball-Entwicklungshilfe angeboten haben und Japan und Südkorea sollen Geschenke an die Entscheidungsträger verteilt haben. Wie praktisch für die FIFA, dass sich ausgerechnet Russland und Katar nichts zu Schulden kommen ließen.
Eckerts Bericht fehlerhaft und unvollständig
Michael Garcia legte gegen Eckerts Zusammenfassung prompt Beschwerde bei der FIFA-Berufungskommission ein, da der Bericht des Deutschen fehlerhaft und unvollständig sei. Blatter wurde beispielsweise von Garcia scharf kritisiert, in Eckerts Zusammenfassung finden sich bloß lobende Worte. Die beiden Ethikhüter trafen sich vergangene Woche zu einer Aussprache, die jedoch keine der beiden Parteien einander näher brachte. Zahlreiche Stimmen fordern nun eine Veröffentlichung des vollständigen Garcia-Reports, doch die FIFA beruft sich auf Artikel 36 des FIFA-Ethikreglements:
„Die Mitglieder der Ethikkommission und die Mitarbeiter der Sekretariate sind verpflichtet, über die im Rahmen ihrer Tätigkeit erworbenen Kenntnisse, insbesondere über den Sachverhalt, den Inhalt der Untersuchungen und Beratungen sowie die getroffene Entscheidung und private Personendaten gemäß FIFA-Datenschutzreglement Stillschweigen zu bewahren. Die Mitglieder der Ethikkommission äußern sich ferner nicht zu laufenden Untersuchungen der Ethikkommission.“
Der deutsche Sportfunktionär Theo Zwanziger möchte dieses Verbot nun lockern, um mehr Transparenz herzustellen und die Öffentlichkeit auch an den Erkenntnissen teilhaben zu lassen. Über diesen Antrag kann frühestens bei der nächsten Sitzung am 18. Dezember in Marokko abgestimmt werden. In der Zwischenzeit wurde der Chef des FIFA-Auditkomittees Domenico Scala beauftragt den Garcia-Bericht zu untersuchen und dann zu entscheiden, wie viele Informationen dem FIFA-Exekutivkomitee offengelegt werden können. Dies wird wieder viel Zeit kosten und führt zu keiner Erhöhung der Transparenz gegenüber der Öffentlichkeit.
Schmäh olé
Eckert bemerkte in seinem Bericht, dass Russland Chefermittler Garcia bei den notwendigen Aufklärungen nur bedingt unterstützte. Die Russen wiesen freilich jede Schuld von sich und behaupteten alle zur Verfügung stehenden Daten weitergeleitet zu haben. Freilich gab es nicht viel zum Weiterleiten, da die Emails und die zahlreichen Dokumente rund um die Bewerbung nicht mehr aufzutreiben waren. Die Computer, auf denen alle relevanten Dateien gespeichert waren, wurden nämlich nur geleast und alle Dokumente wurden mittlerweile vom rechtmäßigen Besitzer der PCs vernichtet!
Wie kann das in der Realität ablaufen? „Richten wir eine Weltmeisterschaft aus!“. „ Ok, wir müssen aber vorher ein paar PCs leasen!“ Diese Vorgehensart der Russen ist äußerst dreist und unglaubwürdig, allerdings effizient – ohne Emails, Dokumente und Dateien wird man nicht viel ausrichten können.
FIFA ermittelt gegen fünf hochrangige Funktionäre
In der Zwischenzeit ermittelt die FIFA gegen fünf Top-Funktionäre, die rund um die Vergabe der Weltmeisterschaften mit Korruptionsvorwürfen konfrontiert werden:
Franz Beckenbauer:
Streitet schon seit längerem mit der FIFA-Ethikkommission: Weigerte sich zunächst die Fragen der Ermittler zu beantworten, gab später dann doch Auskunft. Saß im FIFA-Exekutivkomitee als die Weltmeisterschaften vergeben wurden. Bestritt nie seine Reisen nach Katar, weist aber die Korruptionsvorwürfe von sich.
Harold Mayne-Nicholls:
War als Chefinspektor zum Zeitpunkt der Vergabe tätig und galt als Kritiker Katars. Ließ laut den Vorwürfen dann allerdings doch nachfragen, ob es in der katarischen Sportakademie Aspire Plätze für junge chilenische Nachwuchssportler, wie etwa seinen Sohn und seinen Neffen gab.
Ángel María Villar Llosa:
Der Präsident des spanischen Verbandes weigerte sich den Ermittlern Auskünfte zu erteilen.
Michel D’Hooghe:
Der belgische FIFA-Arzt bekam aus Russland ein Gemälde geschenkt und sein Sohn erhielt eine hochdotierte Stelle als Arzt in Katar.
Worawi Makudi:
Ist seines Zeichens Präsident des thailändischen Fußballverbands und soll für Gespräche zwischen den Regierungen gesorgt haben. Als Dank für seine Stimme soll Thailand einen Gas-Deal erhalten haben.
Michel Platini, der einer der größten Katar-Fürsprecher war, ist übrigens „fein raus“, da er die Ermittler davon überzeugen konnte, dass er bei der Vergabe objektiv und frei abstimmte. Dass sein Sohn einen Top-Job als Manager bei einem katarischen Staatsfond erhielt, hatte selbstverständlich nichts mit seiner Wahlentscheidung zu tun.
Sponsoren erhöhen Druck
Nicht nur die Fans haben von der Korruption und mangelnden Transparenz die Nase gestrichen voll, auch einige Großsponsoren gehen mittlerweile auf Distanz zur FIFA. Der japanische Elektronikkonzern Sony kündigte bereits an den auslaufenden Vertrag mit der FIFA höchstwahrscheinlich nicht mehr zu verlängern. VISA fordert mehr Transparenz ein und McDonalds beobachtet die laufenden Ethik-Ermittlungen ganz genau. Coca Cola zeigte sich frustriert angesichts der Vorgehensweise der FIFA und bezeichnete die bisherigen Untersuchungen als enttäuschend. Neben Sony dürfte auch die Fluglinie Emirates die Zusammenarbeit mit dem Weltfußballverband beenden.
Alleine der laufende Vertrag mit Sony dürfte um die 280 Millionen Dollar wert sein, es bleibt abzuwarten, ob ein anderer Elektronikkonzern für die Japaner einspringen wird. Aus diesem Grund zeigt sich auch Adidas loyal, da die Wahrscheinlichkeit groß ist, dass ein direkter Konkurrent die Chance nutzen würde und den deutschen Sportartikelhersteller verdrängt. Der Vertrag zwischen Adidas und der FIFA wurde erst Ende 2013 bis zum Jahr 2030 (!) verlängert.
Für die FIFA droht nun allerdings auch von einer anderen Seite Gefahr: Das FBI will den Garcia-Bericht vollständig einsehen und die Ermittlungen wegen Korruptionsverdacht verstärken.
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