Viele Diskussionen werden laut um den sogenannten „Marktwert“, auf welchen die Internetseite transfermarkt.de ein Monopol zu besitzen scheint. Dieser Marktwert soll angeblich einen objektiven... Der ominöse „Marktwert“ – wir erklären den Begriff und seine Relevanz!

Viele Diskussionen werden laut um den sogenannten „Marktwert“, auf welchen die Internetseite transfermarkt.de ein Monopol zu besitzen scheint. Dieser Marktwert soll angeblich einen objektiven Einblick darauf geben, wie viel ein Spieler wert ist. Er berechnet sich aus mehreren Komponenten, wobei die Leistung nur einen Bruchteil darstellt. Inwiefern das sinnig oder unsinnig ist, lässt sich einfach herausfinden.

Wonach suchen Vereine ihren Spieler aus?

Bei einem Transfer hängt es davon ab, was benötigt wird. Der FC Barcelona würde beispielsweise auch für einen Innenverteidiger Unsummen ausgeben, wenn dies der einzige Schwachpunkt in ihrer Elf und nicht aus dem internen Material zu füllen wäre. Diese Komponente ist die Notwendigkeit: mit Schließen des Transferfenster erhöht sich diese, weil andere Spieler bereits wechseln und die Alternativen dadurch rarer werden. Die Ablöse steigt, somit der Marktwert auch. Hier äußert sich bereits ein Problem dieses fiktiven Wertes: er wird oftmals als „zu zahlende Ablöse bei einem Drei-Jahres-Vertrag“ oder gar „Gehalt über drei Jahre“ gesehen. Doch beides kann in dramatische Höhen steigen, wenn der Spieler als Prestigeobjekt oder letzter Ausweg gilt.

Ein gutes Beispiel ist der letztjährige Transfer von Andy Carroll, als Liverpool unbedingt einen neuen Stürmer zu jedem Preis wollte. Nun ist Carroll einer der teuersten Transfers aller Zeiten. Einen Marktwert von 40 Millionen € dürfte er dennoch nicht rechtfertigen. Bei ablösefreien Spielern oder Akteuren mit niedriger Ausstiegsklausel entsteht hingegen ein Wettbieten aufgrund des preiswerten Angebots. Das Wettbieten betrifft nun nicht mehr die Ablöse, sondern das Gehalt und sonstige Zusatzleistungen wie Handgeld oder ähnliches. Über drei Jahre hinweg gesehen kann ein Spieler dadurch bis zu 9 Millionen € oder mehr verdienen, als es seinem eigentlichen Wert entspricht. In Extremfällen sogar mehr, so wurde für Samuel Eto’o mit 20 Millionen € Nettogehalt ein Wechsel in die russische Liga schmackhaft gemacht. Zugegeben, Anzhi muss nur 13% statt fast der Hälfte an Steuern abführen, was einem Bruttowert Eto’os hochgemessen für drei Jahre 69 Millionen € entspricht. Ob dies wirklich der Marktwert des 31-Jährigen ist?

Alles nur ein Missverständnis?

Vielmehr sollte der Marktwert aussagen, was ein Spieler geachtet seines Prestiges, seiner Altersklasse und seiner Vereinszugehörigkeit unter standardisierten Bedingungen einbringen könnte. Somit wäre der Marktwert nur eine grobe Richtlinie für einen Einkauf, in welchen die Begebenheiten seines Vereines, seiner Loyalität und seiner Werbeträchtigkeit in der Liga und dem Land miteinfließen. Er wäre nützlich, um unterschiedliche Spieler UND ihre Vereine in der Theorie miteinander zu vergleichen, wenn sie einen gleichlangen Vertrag hätten.

Die harte Kritik, welche am Marktwert geäußert wird, geht demzufolge aufgrund überzogener Erwartungshaltungen einher. Der Marktwert suggeriert eine vorhergegangene Leistungsanalyse, doch dieser Aspekt nimmt nur einen geringen Anteil darin ein. Außerdem werden Faktoren wie Vertragslaufzeit und ähnliches nur unzulänglich und wenig nachhaltig mit einbezogen. Beispielsweise wird eine Gehaltserhöhung durchaus in den Marktwert einberechnet, allerdings bleibt der Marktwert selbst bei nur einem Jahr Vertrag konstant. Dadurch wird das Verhältnis Marktwert zu Ablöse stärker verzerrt und die Kritik am Marktwert bzw. seiner Einschätzung steigt.

Erhöhte Transparenz an der Definition des Marktwertes, seiner Zusammensetzung und Aussagekraft würden schlussendlich für weniger Kritik an demselben sorgen. Um der erwarteten Ablöse entgegen zu kommen, wäre es praktikabel, eine Art Zu-/Abnahme-Faktor mit steigender oder sinkender Vertragslaufzeit einzuführen. Hierzu wäre eine statistische Eruierung von geschätzten Marktwerten, geschätzte Ablösen bei Verträgen über und unter drei Jahren sowie realisierten Ablösen nötig, die miteinander abgeglichen werden. Allerdings wäre ohne eine Bereinigung des bereits erwähnten Faktors der „Notwendigkeit“ die endgültige Aussagekraft ebenfalls begrenzt. Eine solche Bereinigung bedürfte Vereinsinterna und ist somit kaum zu bewerkstelligen.

Darum ist das grundlegende Prinzip, die Idee einer mehrheitlichen Schätzung des Marktwertes unter standardisierten Bedingungen, der richtige Ansatz. Allerdings sollte dann wiedergegeben werden, dass der kumulierte Mannschaftswert eine Mischung aus Leistung, Einschätzung der Leistung durch Fußballfans und natürlich der Popularität in der Welt des Fußballs sowie der medialen ist – aber keine Leistungsanalyse mit Aussagekraft über die jeweiligen Stärken der Mannschaft respektive ihrer Spieler.

Einige Anpassungen und alles wäre gut?

Idealerweise würde die sogenannte Marktwertanalyse bei Branchenführer und Definitionsgeber Transfermarkt.de aufgeteilt werden. Es würde nicht nur der gesamte Marktwert mit einer – relativ flapsigen und simplen – Meinungsbegründung eingeschätzt werden, sondern die jeweiligen Teilbereiche (Prestige/Standing, Vertragswert, Status in der Nationalmannschaft, Status im Verein, mediale Präsenz, Leistung) in einer Skala von bspw. 1-10 eingeschätzt werden. Die Punktevergabe auf dieser Skala wird von einer großen Anzahl vorgenommen und je nach erreichter Durchschnittspunktzahl wird ein Grundwert von – beispielsweise – 500.000€ um die jeweilige Zahl erhöht oder einen dementsprechenden Prozentsatz.

Problem ist hierbei die große Popularität von transfermarkt.de. Einerseits in den Medien, welche eine solche überraschende Änderung, die einer langen Probezeit bedürfte, kaum tolerieren würden. Andererseits auch innerhalb des Internets und der Foren-Besucher, was zu einer extremen Quantität und relativ geringen Qualität innerhalb der Bewertenden führt. Die einzig mögliche Änderung besteht also darin, klarzumachen, wofür der Marktwert steht: einer groben Einschätzung eines Spielers mit anderen Spieler seiner Altersgruppe unter standardisierten Bedingungen, welche mehr mit seinem theoretischen Wert (Potenzial, vertraglicher und medialer Wert) als mit seinem realen (Leistung und Ablöse)  zu tun haben. Wenn Fernsehkommentatoren oder reißerische Sportportale in Zukunft vom Wert eines Spielers oder gar Kaders sprechen oder schreiben, denkt lieber nochmal nach, ob ihr derartige Werte für bare Münze nehmen wollt…

Rene Maric, abseits.at

Rene Maric

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert