„Es ist schon grenzdebil, was für einzelne Spieler bezahlt wird“ – Spielerberater Franz Masser im abseits.at-Interview (2/2)
Fußball & Business 25.Februar.2012 Georg Sander 1
Im zweiten Teil des ausführlichen Interviews mit Spielerberater Franz Masser übt der Vermittler Kritik an Auslandstransfers in jungen Jahren. Er erzählt, wie sich das Geschäft seit dem Bosman-Urteil verändert hat und wie es Didi Constantini geht. Den Mini-Messi hat er übrigens in Gratkorn gefunden…
Abseits.at: Du vertrittst mit Christoph Mattes auch einen derer, die früh ins Ausland gegangen sind. Berätst du junge Kicker von Fall zu Fall, sollen sie auf alle Fälle ins Ausland?
Franz Masser: Christoph Mattes ist auch zu mir gekommen, weil er viele Enttäuschungen hinter sich hatte und ich habe ihm geholfen, dass er nicht irgendwo in der Pampa zum Bundesheer muss. Es ist oft besser einen Schritt zurück zu gehen, um neu durchzustarten. Beispielsweise Christian Falk, der ist dreimal abgestiegen und dann hab ich Ihm einen anderen Weg vorgegeben und in drei Jahren hat er jetzt mehr als 50 Tore geschossen und führt die Schützenliste der Heute-für-Morgen-Liga an. Jetzt hat er Angebote aus Deutschland und Dänemark. Aber alles zu seiner Zeit. Es ist nicht alles Gold was glänzt und vor allem im Ausland nicht. Wenn der Zeitpunkt passt und der Spieler ist menschlich und sportlich gereift, dann ist es schon in Ordnung. Man kann einen Kicker nur beraten, die Entscheidungen im Endeffekt soll er dann selber treffen. Ich versuche auch die Eltern einzubinden, die kennen Ihre Kinder am besten. Der Spieler muss ja im Ausland leben, dem Leistungsdruck standhalten und die Höhen und Tiefen des Profilebens bewältigen. Ich sitz immer in meinem schönen Haus oder im Garten in Zeltweg und deshalb kann nur der Spieler selbst sagen, ob er sich ein Auslandsengagement zutraut. Wenn aber der Manager nur auf sich schaut und Spieler nach Italien schickt, die dann viel schlechter zurückkommen und in Ihrer Entwicklung stecken bleiben, wie Elsneg, Grasser, Stankovic, Gucher und so weiter… es stellt sich halt schon die Frage, ob das richtig ist und die Spieler nicht Mittel zum Zweck sind.
Unter „deinen“ Spielern finden sich auch viele, die nicht in den höchsten zwei Spielklasse kicken. Eigentlich sollten doch Transfers auf Amateurebene durch die Ausbildungsentschädigung geregelt sein. Wozu braucht es dich dann dazu?
Die dritte Leistungsstufe ist eine Liga in der sich die jungen Spieler Spielpraxis holen können, da ich der Meinung bin, dass besser ist in der dritten Liga regelmäßig zu spielen, als in der Bundesliga die Reservebank zu wärmen oder von der Tribüne zuzuschauen. Manchen habe ich selbst abgeraten einen sicheren Job aufzugeben, um in das unsichere Profileben einzutauchen, wenn es nicht wirklich die Aussicht gibt, dass der betreffende Spieler so viel verdient, dass er bis zur Pension davon leben kann.
Aber wie viele können das schon?
Es gibt sehr viele, die mir dafür später sehr dankbar waren. In der Regionalliga kann man sich für höhere Aufgaben qualifizieren und hat die Grundlage für die Bundesliga. Es stellt sich manchmal heraus, dass es eben ein Spieler nicht schafft, Profi zu werden und dann versuche ich, ihm einen Wechsel ins Berufsleben zu ermöglichen. Es ist mir sehr oft gelungen und einige Kicker sind Bankbeamte oder Führungskräfte in Ihrem Job geworden. Ich sehe auch das, als eine meiner Aufgaben. Man sollte es eben wie im Leben halten: In guten wie in schlechten Zeiten!
War der Job vor Bosman einfacher?
Vor Bosman war es für die Vereine leichter, denn das Bosman-Urteil war der Anfang vom Ende für den Fußball meines Erachtens. Die kleinen Vereine haben Spieler verkauft und mit dem Ertrag, finanzielle Mittel für die Nachwuchsarbeit und den Spielbetrieb gehabt. Bei Vorwärts Steyr haben wir jahrelang von diesem System gelebt. Es war ein großer Irrglaube, dass die Transfersummen nach dem Bosman-Urteil in die Taschen der Spieler fließen werden, wie ja der Großteil gehofft hat. In Wahrheit wurden die Vereine ausgehöhlt und viele, viele Spieler sind jetzt ohne Verein. Für die Berater war es natürlich gut, doch die Nachwuchsarbeit wurde ad absurdum geführt. Nachwuchsarbeit ist mittlerweile ein Sozialdienst für die Allgemeinheit, denn für die Klubs rechnet sie sich längst nicht mehr.
Stellt es dir nicht die Zehennägel auf, wenn du so liest, was für Spieler gezahlt wird? Ist ein Mensch, sagen wir Marco Reus, 18 Millionen Euro „wert“?
Meine Zehennägel sind immer kurz geschnitten (lacht), aber es ist schon grenzdebil aus meiner Sicht, was für einzelne Spieler bezahlt wird. Das Preis-Leistungsverhältnis ist ja längst nicht mehr gegeben, aber das trifft nicht nur auf den Fußball zu, sondern auf viele Bereiche im heutigen Gesellschaftsleben. Was ein Mensch wert ist, kann man in keiner Währung ausdrücken, da sind viele andere Kriterien maßgebend. Für Geld kann man alles kaufen, auch Leute die dem Ball nachlaufen! Um welchen Betrag, hängt eben von den beteiligten Parteien ab!
Du bist eng mit Dietmar Constantini befreundet. Dieser ist in der Öffentlichkeit ja zuletzt nicht gut weggekommen. Wie ist der ehemalige Teamchef menschlich?
Ich bin mit Didi seit mehr als 20 Jahren sehr gut befreundet und wir sind ständig in Kontakt. Er ist ein korrekter Mensch, ehrlich und sagt seine Meinung ohne sich zu verstellen. Gerade diese Charaktereigenschaften schätze ich sehr an Ihm und wir beide haben ohnehin viel gemeinsam, was uns auf einer Ebene verbindet. Sicher ist es leichter, allen Honig ums Maul zu schmieren um Everybody´s Darling zu sein, aber der ehrlichere Weg ist trotzdem auf lange Sicht der Bessere. Die Öffentlichkeit ist leider nur von den Medien abhängig und daher einseitig informiert, aber wer hinter die Kulissen blicken kann, sieht manchmal vieles anders.
Wird er wieder Cheftrainer werden?
Didi hatte übrigens schon einige Anfragen, unter anderem aus Australien, doch er möchte alles in Ruhe abwarten und keinen Schnellschuss setzen.
Zum Abschluss noch: Ist ein Lionel Messi irgendwo in Österreich zu finden?
Messi wird nicht leicht zu finden sein, doch ich sage Dir, dass der Gratkorn-Spieler Marc Klicnik in den nächsten Jahren den Weg in die Bundesliga findet und der ist ein Mini-Messi. Beim nächsten Interview in zwei Jahren kannst Du mich darauf ansprechen.
Wir danken für das Gespräch!
Georg Sander, abseits.at
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