Europas großer Fußballhype 2015/16 (1): Von einem Markt, der sich selbst erfunden hat
Fußball & Business 5.März.2016 Raphael Gregorits 0
Spanien hat den Weltfußball der letzten zehn Jahre dominiert. Ein Weltmeistertitel, zwei Europameistertitel, fünf Champions League Siege, sechs Europa League Siege, drei Weltpokalsiege, unzählige Halbfinalteilnahmen spanischer Klubs in den Europacup-Bewerben.
Und jetzt: Fünf CL-Teilnehmer. Gegenüber seinen Hauptkonkurrenten England, Deutschland, Frankreich und Italien ist das nur fair. Die Spanier agieren einfach in ihrem Sinne erfolgreicher – sei es durch technisch-taktisch bessere Ausbildung ihrer Kicker oder durch Lobbying in der nationalen Politik, die Zahlungserleichterungen bis hin zu wahnwitzigen Steuerstundungen gewährt. So haben die drei Ligen mit der größten Aufmerksamkeit (ESP, ENG und GER) alle ähnliche Stärken, wie eine extrem aufdringliche und prägnante Markenbildung ihrer Top-Klubs, aber auch unterschiedliche umstrittene Eigenschaften, die zu ihrer Dominanz beitragen: Die erwähnte spanische Finanzgebarung, die inflationäre Flutung des englischen Marktes mit TV-Geld, im deutschen Fall die Klubeigner-Struktur, die erlaubt, dass einige der größten Konzerne des Landes teilweise mehrere Vereine (mit-)besitzen.
Nicht fair ist all das gegenüber allen europäischen Metropolregionen außerhalb der großen Länder, von Oslo bis Istanbul. Der österreichische Wasserkopf Wien etwa zeigt bei den EC-Teilnahmen seiner Vereine regelmäßig, wie sehr die Fußballinteressierten in einer Agglomeration von über zwei Millionen Menschen nach dem Wettkampf mit vergleichbaren Städten lechzen – und das sind nun einmal München, Barcelona, aber auch Prag und ähnliche Metropolen.
Im Fußball ist es definitiv ein Nachteil aus einem kleinen Umfeld heraus agieren zu müssen, der Binnenmarkt sorgt einfach nicht für eine ausreichende Dotation im Wettbewerb mit den Großen (also jenen Klubs, die überregionales Interesse hervorrufen). Nun, das war immer schon so.
Was aber nicht immer schon so war, ist die unverhältnismäßige Größe der eigentlich „Kleinen“ aus den großen Märkten. Leverkusen und Wolfsburg, Villarreal und Malaga, Swansea und Leicester sind Profiteure des Umfeldes, das die jeweiligen Platzhirsche ihrer Ligen geschaffen haben. Natürlich haben auch diese Klubs eigene Stärken, wie ansässige Konzernsponsoren, cleveres Sportmanagement oder regionale Verankerung. Nichtsdestotrotz: Ohne München, Madrid und London kämen Vereine dieser Größenordnung einmal alle zehn Jahre in die Nähe eines Europacup-Frühjahrs.
Die europäischen Superklubs, jene, die sich – seit dem FC Porto 2004 – Jahr für Jahr den CL-Titel untereinander ausmachen, haben die natürlichen Hürden zwischen den verschiedenen Marktgrößen massiv erhöht, eine Art Zinzeszins-Effekt ist eingetreten. Die weniger großen CL-Teilnehmer aus den großen Ligen, können und müssen sich die CL im Folgejahr leisten. Wer einmal aus diesem Rad fliegt, kommt kaum wieder rein, weil für regelmäßige CL-Teilnahmen nötige Kostenstrukturen nur unter massiven Schrumpfungsschmerzen abgebaut werden können (siehe etwa die Entwicklung des SV Werder Bremen). Der erleichterte Zugang zur Champions League für Klubs aus den kleinen Ligen über den so genannten Meisterweg bedeutet für Real Madrid und Co. keine Herausforderung, weil Malmö und Konsorten am Heimmarkt viel zu wenig verdienen um Herausforderer werden zu können.
Fußball ist 2015 das wichtigste Entertainment des Planeten, Film- und Musikindustrie sind weit von ihrem Status bis zur Jahrtausendwende entfernt. Geschaffen wurde diese Unterhaltungsindustrie vom Fernsehen. Das scheint allgemein bekannt. Der entscheidende Faktor sind aber nicht die englischen, spanischen oder deutschen TV-Konsumenten. Der entscheidende Punkt sind wir. Die anderen, die im Fußball kleineren. Von Argentinien über Österreich bis Japan – die ganze Welt schaut Woche für Woche den Fußball in den großen Ligen und der Champions League. Und finanziert damit die Schwäche der eigenen Vereine. Die ständige Verfügbarkeit des vermeintlich oder offensichtlich besseren Spektakels, lässt alles andere noch schlechter ausschauen, als es ist.
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Raphael Gregorits
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