Jeden Sonntag wollen wir in dieser neuen Serie Spieler beleuchten, die ungewöhnliche Wege eingeschlagen haben. Wir möchten Geschichten von Sportlern erzählen, deren Karriere entweder... Men to (re)watch (7) –  Mathieu Flamini (KW 7)

Jeden Sonntag wollen wir in dieser neuen Serie Spieler beleuchten, die ungewöhnliche Wege eingeschlagen haben. Wir möchten Geschichten von Sportlern erzählen, deren Karriere entweder im Konjunktiv stecken blieb, die sich zu einem gegebenen Zeitpunkt radikal verändert haben oder sonst außergewöhnlich waren und sind: Sei es, dass sie sich nach dem Fußball für ein völlig anderes Leben entschieden haben, schon während ihre Profizeit nicht dem gängigen Kickerklischee entsprachen oder aus unterschiedlichen Gründen ihr Potenzial nicht ausschöpften. Auf jeden Fall wollen wir über (Ex)-Fußballer reden, die es sich lohnt auf dem Radar zu haben oder diese (wieder) in den Fokus zu rücken. Wir analysieren die Umstände, stellen Fragen und regen zum Nachdenken an. In Teil 7 erzählen wir von Mathieu Flamini und seiner ungewöhnlichen Nebenbeschäftigung…

„Ich bin am Meer aufgewachsen und habe schon in jungen Jahren mitbekommen, was Plastik im Wasser und am Strand anrichtet.“, erzählt Mathieu Flamini. Das erzählen viele: Wenn es um Umweltschutz geht, dann werden Prominente gerne um Wortspenden gebeten, die irgendwo zwischen Zukunftsängsten und Lippenbekenntnis rangieren. Doch der Ex-Fußballer unterscheidet sich von den meisten solcher Berühmtheiten und auch von den meisten seiner ehemaligen Kollegen. Denn während Ronaldo, Ramos und Co. ihr Geld in Riesenhäuser, exquisite Autos und Luxusurlaube stecken, investiert der frühere Mittelfeldspieler in Zukunftstechnologie: Seine Firma GF Biochemicals versucht als Pionierunternehmen Lävulinsäure aus Biomasse in großen Mengen herzustellen, die zukünftig Erdöl vollständig ersetzen soll. Der Sportler, der seine letzten Spiele 2019 für Getafe machte, wird medial deshalb gern als „Fußballer als Milliardär“ kolportiert. Als Flamini 2018 als „30 Milliarden schwer“ beschrieben wurde, stellte er klar, dass es sich nur um den Wert des geschätzten Absatzmarktes für sein Produkt handelt. Er selbst sieht sich als Idealist, der für eine saubere Zukunft kämpft, und seine Fußballschuhe offiziell noch nicht an den Nagel gehängt hat.

Marseille, London, Mailand.

Mathieu Pierre Flamini wird am 7. März 1984 in Marseille geboren. Seine Familie mütterlicherseits stammt aus Korsika, sein Vater ist Italiener. Als Knirps begeistert er sich für Tennis und Judo, nutzt aber auch jede freie Minute um Fußball zu spielen. Die Oma eines Schulkameraden fädelt schließlich ein Probetraining beim größten Klub Frankreichs, der zufällig ums Eck spielt, ein: Olympique Marseille. Ehe Mathieu es sich bewusstwird, spielt er regelmäßig für die Jugendmannschaft von OM und Fußball ist plus qu’un hobby für ihn. Trotzdem kann er sich nicht vorstellen, Profi zu werden und beginnt ein Jus-Studium: „Ich war Fan von OM aber ich hätte mir nie träumen lassen für sie zu spielen.“

Doch sein kraftvolles Powerplay, seine Einstellung und seine Schlauheit ermöglichen dem 19‑jährigen das Debüt für seinen Ausbildungsverein. Nachdem er sich in 14 Spielen für die Südfranzosen gut geschlagen hat, verpflichtet ihn Arsenal. Der Wechsel geht nicht problemlos über die Bühne, so müssen die Londoner Strafe zahlen, weil Flamini eigentlich seinem Heimatklub im Wort war.

Mathieus erstes Engagement in England dauert vier Jahre. Anfangs findet er schwer in die Mannschaft, seine beste Spielzeit ist schon seine Abschiedssaison 2007/08: Mit Cesc Fàbregas an seiner Seite gelingen ihm seine besten Spiele, er erzielt unter anderem einen sensationellen Weitschusstreffer gegen Newcastle. Im Mai 2008 unterschreibt er beim AC Mailand – eine Traumkarriere für einen Spielertypen, der nicht so ganz im Mittelpunkt steht: „Supporting actor“ – würde der amerikanische Cineast sagen.

Zu dieser Zeit beginnt für Mathieu Flamini – in seinen Worten – auch seine „Reise zur Nachhaltigkeit“, die ihn mittlerweile twentyforseven beschäftigt: Er ist gerade vierundzwanzig Jahre alt als er mit Pasquale Granata GFBiochemicals in Mailand gründet. Heute beschäftigen sie 80 Mitarbeiter und träumen von einer „grünen Zukunft“, doch 2008 steht noch Mathieus Fußballkarriere im Vordergrund.

Mit dem Gewinn der italienischen Meisterschaft 2011 feiert der Mittelfeldspieler sportlich seinen größten Triumph, aber schon in der Folgesaison fällt er verletzt aus. Nachdem er einen Ein-Jahres-Vertrag bei den Rot-Schwarzen erfüllt, ist er ab 2013 vereinslos und muss bei seinem Ex-Verein Arsenal mittrainieren um sich fit zu halten. Die Gunners verpflichten den Franzosen – sehr zu dessen Freude – schließlich erneut: „Ich bin mehr als ein Fan. Arsenal ist wie meine Familie.“ Eine Familie zu der auch Mesut Özil gehört, dazu aber später mehr.

Der Publikumsliebling spielt sich bei den Londonern rasch wieder in die Startelf und holt 2015 – obwohl er im Finale nicht eingesetzt wird – seinen dritten FA-Cup-Sieg. 2016 spielt er für eine Saison bei Crystal Palace, später heuert er ablösefrei bei Getafe an. Seine letzten Spiele macht Flamini in der Saison 2018/2019, seither widmet sich der dreifache französische Teamspieler seiner Mission ohne je gesagt zu haben, dass seine Zeit als Athlet Geschichte ist.

„Ich bin Umweltaktivist!“

Schon während seines zweiten Engagements in London bringt Mathieu seine Kollegen Jack Wilshere, Olivier Giroud und Co. zum Schmunzeln, wenn er sich nach dem Training in einen Anzug schmeißt, weil er auf dem Weg zu einem Meeting ist. Heute verbringt der Ex-Profi viel Zeit damit kluge Investmentmöglichkeiten zu erforschen. So hat er zusammen mit Mesut Özil eine Supplement-Linie auf den Markt gebracht: „Wir sind gute Freunde und haben dieselben Werte. Wir wollen etwas zurückgeben.“ UNITY, das gemeinsam mit Wissenschaftlern der University of Westminster entwickelt wurde, liefert nachhaltige Ernährungszusatzprodukte bei denen selbst die Verpackung aus Zuckerrohr gefertigt ist. Klar, denn schließlich ernährt sich Flamini seit fast zehn Jahren vegan und ist überzeugt, dass dies nicht nur ihm guttut. Der Erlös von UNITY-Produkten kommt teilweise gemeinnützigen Organisationen zu.

Aber natürlich ist Flamini nicht nur ein guter Samariter ohne Eigeninteresse: GFBiochemicals verfolgt nicht nur ehrenwerte Ziele. Der Markt, den der Ex-Kicker und sein Geschäftspartner Granata im Auge haben, könnte sie im Falle einer (vorübergehenden) Monopolstellung steinreich und den vormaligen Defensivspieler zu „Worlds Richest Footballer“ machen. Flamini selbst gibt sich interessiert und erklärt seine Position so: „Ich kenne Leute, die ihr Leben unserem Planeten, der Umwelt oder dem Meer widmen. Das ist sehr inspirierend, doch was ihnen fehlt ist eine Stimme, eine Plattform. Als Fußballer habe ich – nachdem mir das klar wurde – immer versucht ein Bewusstsein zu schaffen und selbst eine Wirkung zu erzielen.“

Heute lebt Mathieu Flamini nach langen Jahren in London wieder in Frankreich und versucht seine Produkte weltweit zu vertreiben. „Anstatt die Großen zu bekämpfen, möchte ich lieber mit ihnen zusammenarbeiten.“, lacht er vor zwei Jahren. Seine ehrgeizige Mission, die sich auf die Missstände der Welt gründet, ist sein Leben, trotzdem wirkt er relaxt und sonnig. Südliches Gemüt eben. In der Lockdown-Zeit habe er viel gekocht und Sport, insbesondere Bodyweight-Training, gemacht, erzählt Flamini seinem früheren Arsenal-Kollegen Hector Bellerin in einem Podcast-Interview und schmunzelt mit Drei-Tages-Vollbart in die Kamera seines Laptops.

Man könnte Flamini, den Fußballer im Nadelstreifanzug, den sanft blickende Mittelfeldsprinter mit dem sozialen Gewissen, beinahe für einen Hippie halten, wäre da nicht seine erfolgreiche Sportlerkarriere, die nur mit einer laidback-Attitüde wohl nicht zu stemmen gewesen wäre. So erklärte er vor zwei Jahren: „Wir sprechen zu viel über negative Dinge. Lass uns über schöne Dinge reden, über Liebe. Lass uns die Menschen verbinden!

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Marie Samstag