Vor mittlerweile schon 13 Jahren feierte Deutschland ein Fußballfest – die Weltmeisterschaft 2006 fand in unserem Nachbarland statt. Geblieben ist vom Turnier eine ausgebaute... Realitycheck: Was wurde aus den WM-Arenen 2006 in Deutschland?

Vor mittlerweile schon 13 Jahren feierte Deutschland ein Fußballfest – die Weltmeisterschaft 2006 fand in unserem Nachbarland statt. Geblieben ist vom Turnier eine ausgebaute Infrastruktur, samt neuer oder zumindest modernisierter Stadien. Heute starten wir eine „Was-Wurde-Aus-Serie“, in der wir die baulichen Überbleibsel der Welt- und Europameisterschaften seit 2006 genauer beleuchten möchten. Im ersten Teil beginnen wir mit der Weltmeisterschaft in Deutschland. Was wurde aus den zwölf WM-Stadien von 2006?

Berlin (Olympiastadion, renoviert, 6 WM-Spiele, 72.000 Plätze)

Das Finalstadion hat schon stolze 83 Jahre am Buckel und wurde für die WM um 240 Millionen Euro generalsaniert. Rein zweckmäßig oder architektonisch ist der „Altbau“ als Fußballarena jetzt nicht gerade „State of the Art“. Doch die Tradition samt der bewegten Geschichte hinter dem von den Nationalsozialisten für die Olympischen Spiele 1936 errichten Propaganda-Betonbau, verleihen ihm ein besonderes Flair. Das „Olympiastadion“ wurde zur Marke mit seinen Pokalendspielen – Jahr für Jahr ist Berlin Sehnsuchtsdestination deutscher Klubmannschaften.

Im Gegensatz zu vielen anderen Hauptstädten fungiert das Stadion nicht als reine Nationalteam-Heimstätte, sondern wird durch die Hertha laufend „bewohnt“. Selbstverständlich gibt es Führungen, die etwa 300.000 Besucher jährlich zählen. Außerdem finden große Konzerte statt, wie jenes dieser Tage der Rock-Göre Pink oder zuletzt Metallica. Das nächste internationale Fußballfinale hätte man schon vor Augen: Am 14. Juli 2024 wäre wieder so eine Nacht, in der der Europameisterpokal in den Berliner Nachthimmel gestemmt werden könnte. Noch gilt der Konjunktiv, der Finalort für die Heim-Euro wird erst vergeben, vor allem in München macht man sich Hoffnungen auf das Endspiel.

aktuelle Nutzung: Hertha BSC Berlin, 1. Liga, Zuschauerschnitt 2018/19: 49.318

Dortmund (Westfalenstadion, renoviert, 6 Spiele, 65.000 Plätze)

Zuerst für das UEFA-Cup-Finale 2001, dann für die WM bekam das Stadion einen Relaunch inklusive einer Kapazitäts-Erweiterung. Dies war ein nachhaltiger Erfolg: Mit einem Schnitt jenseits der 80.000er Marke ist man punkto Zuschauerzahlen der globale Marktführer in der Kick-Branche. Da bei Weltmeisterschaften – wie bei allen internationen Begegnungen – nur Sitzplätze erlaubt sind, wurde da durch die Bestuhlung die Kapazität um rund 20.000 gedrosselt. Von der Zugkraft der Schwarz-Gelben profitiert nicht nur der Verein, sondern auch der Tourismus der sonst eher mit Sehenswürdigkeiten nicht gerade gesegneten Ruhrpott-Stadt. Stadionführungen sind der Renner, aber auch Konzerte oder zuletzt der Abschlussgottesdienst des evangelischen Kirchentags steigen im „Signal Iduna Park“ – wie das 45 Jahre alte Stadion heute heißt.

aktuelle Nutzung: Borussia Dortmund, 1. Liga, Zuschauerschnitt: 80.841

München (Allianz Arena, Neubau, 6 Spiele, 66.000 Plätze)

Um kolportierte 340 Millionen wurde ein neues Stadion auf die grüne Wiese im Norden der Stadt gestellt. Es war das mit Abstand teuerste Stadionprojekt des Turniers. Dazu kosteten die Anbindung an Auto- und U-Bahn dem Freistadt Bayern noch weitere 300 Millionen. 1860 München ist mittlerweile wieder – wegen finanzieller Probleme – aus dem Stadion ausgezogen, damit ist der FC Bayern nun der alleinige Hausherr. Während der spielfreien Tage sorgen die Führungen und die FCB Erlebniswelt für Betrieb am und im Stadion. 2012 wurde das Champions-League-Finale in München ausgetragen. Bei der transnationalen Euro 2020 wird man mit drei Vorrunden- und einem Viertelfinalspiel Deutschland repräsentieren. 2024 findet die EM dann im Heimatland statt, München bewarb sich ums Finale und gilt hinter Favorit Berlin zumindest als der aussichtsreichste Außenseiter.

aktuelle Nutzung: Bayern München, 1. Liga, Zuschauerschnitt: 75.000

Stuttgart (Gottlieb-Daimler-Stadion, renoviert, 6 Spiele, 52.000 Plätze)

Um etwa 50 Millionen Euro wurde die „Mercedes Benz Arena“ vor der WM modernisiert. Erst danach, zwischen 2008 und 2011 wurde das mittlerweile 86 Jahre alte Stadion zur reinen Fußballarena umgebaut. Im Stadion wird auch bei der Euro 2024 aufgegeigt. So wie an den Wochenenden auf Vereinsebene, in der kommenden Saison nach dem abermaligen Abstieg des VfB wieder nur in Liga zwei. Musikfans kommen im Schwabenland auch auf ihre Kosten, so spielten die Rolling Stones zwischen 1976 und 2018 dreimal dort. Auch Robbie Williams, Bon Jovi oder Pink Floyd musizierten dort ebenso, wie zuletzt Phil Collins.

aktuelle Nutzung: VfB Stuttgart, 1. Liga, Zuschauerschnitt: 54.550

Gelsenkirchen (Arena AufSchalke, Neubau, 5 Spiele, 52.000 Plätze)

Um knapp 200 Millionen wurde eine – zu dieser Zeit modernsten – Multifunktionsarenen aus dem Boden gestampft. 60.000 „Knappen“ sorgen dort bei den Heimspielen für eine einzigartige Stimmung. Das Dach ist verschließ-, der Rasen ausfahrbar und auf dem Videowürfel gibt es in jede Himmelsrichtung eine 36 Quadratmeter große LED-Leinwand. In der fußballfreien Zeit wird die Arena unter anderem für Konzerte – wie demnächst Herbert Grönemeyer – oder im Dezember für das schon traditionelle Flutlicht-Biathlon-Rennen genutzt.

aktuelle Nutzung: Schalke 04, 1. Liga, Zuschauerschnitt: 61.069

Hamburg (Volksparkstadion, Neubau, 5 Spiele, 50.000 Plätze)

Um knapp 100 Millionen wurde das neue Stadion errichtet, samt der bekanntesten Uhr im deutschen Fußball – die dieser Tage abmontiert wurde. Aber auch in Liga zwei pilgern regelmäßig fast 50.000 zu den Heimspielen des HSV. Dazu kommt auch der DFB immer wieder nach Altona, wie im kommenden September für die EM-Quali-Partie gegen die Niederlande. Konzerte steigen auch: Highlight wird im nächsten Jahr ein Doppelpack von Rammstein sein. Die große Feuershow soll aber dann – aus Sicht der stolzen, aber zuletzt gebeutelten Hausherren – nur die Aftershow-Party nach der ausgelassenen Wiederaufstiegsfeier des Traditionsklubs sein.

aktuelle Nutzung: Hamburger SV, 2. Liga, Zuschauerschnitt: 48.889

Frankfurt (Commerzbank-Arena, Neubau, 5 Spiele, 48.000 Plätze)

Adi Hütter und seine Mannen euphorisieren die 750.000-Einwohner-Stadt am Main. Vor allem beim erfolgreichen Europacup-Abenteuer machte Eintrachts Heimstätte dank der Fan-Choreographien weit über die Landesgrenzen hinaus Werbung in eigener Sache. An der Stelle des alten Waldstadions steht nun eine moderne, gut besuchte Arena. Dazu finden laufend große Konzerte, internationale Kongresse oder zum Beispiel heuer das deutsche American Football Finale statt.

aktuelle Nutzung: Eintracht Frankfurt, 1. Liga, Zuschauerschnitt: 49.794

Köln (RheinEnergieStadion, Umbau, 5 Spiele, 45.000 Plätze)

Der Total-Umbau des Müngersdorfer Stadions in Köln war eine kostspielige Baustelle, über hundert Millionen flossen in die Adaptierung hin zum reinen Fußballstadion. Dort peitschten in der Vorsaison fast 50.000 Fans die „Geißböcke“ wieder zurück in die Bundesliga. Gesungen wird in Müngersdorf nicht nur am Spieltag, sondern auch bei den Rock-Konzerten oder etwas besinnlicher am 23. Dezember beim jährlichen Mitsing-Weihnachtssingen.

aktuelle Nutzung: 1. FC Köln, 2. Liga, Zuschauerschnitt: 49.547

Hannover (Niedersachsenstadion, renoviert, 5 Spiele, 43.000 Plätze)

Für die WM wurden um etwa 60 Millionen mehr als zwei Drittel des Stadions abgerissen und danach eine Fußballarena hochgezogen. Für die Euro 2024 ist Hannover aber kein Thema mehr. Der etwas ins Chaos abgedriftete Hausherr muss sportlich – in Liga zwei – wieder die Kurve kratzen. Der Fansupport litt zwar zuletzt etwas, der Zuschauerschnitt dagegen nicht wirklich. Mit einem Konzertsommer füllt man das Stadion auch in der fußballfreien Zeit.

aktuelle Nutzung: Hannover 96, 1. Liga, Zuschauerschnitt: 38.365

Leipzig (Zentralstadion, Neubau, 5 Spiele, 43.000 Plätze)

Polarisierend wie heute der Verein selbst, war vor der Weltmeisterschaft auch die Standortvergabe. Es sollte nämlich auch eine „Quoten-Stadt“ aus dem Osten sein, die in den Reigen der vom Westen dominierten Ausrichter miteinbezogen wurde. Dazu errichtete man in Leipzig eine brandneue Arena, ohne das die über eine halbe Million Einwohner zählende Stadt damals – zur Jahrtausendwende – realistische Aussichten auf Spitzenfußball hatte. Anfangs wurde das Stadion an den Drittligisten Sachsen Leipzig vermietet, ehe danach das ambitionierte Projekt des Energy-Drink-Herstellers begann. RB Leipzig mauserte sich in der Folge national zu einem Spitzenteam und so wird im Herbst erstmals die Champions League Hymne in einem Stadion auf dem Boden der ehemaligen DDR abgespielt werden. Konzerte sind eher rar, nächstes Jahr kommt Rammstein in die „Red Bull Arena“, wie der offizielle Name mittlerweile lautet.

aktuelle Nutzung: RB Leipzig, 1. Liga, Zuschauerschnitt: 38.380

Kaiserslautern (Fritz-Walter-Stadion, renoviert, 5 Spiele, 46.000 Plätze)

Der „Betzenberg“ ist aktuell das einzige Sorgenkind aus der Reihe der deutschen WM-Stadien. Was aber weniger an der stets von den Gegnern gefürchteten fußballerischen Kultstätte, denn am dort residierenden Hausherren liegt. Die „roten Teufel“ standen sportlich wie wirtschaftlich zuletzt am Abgrund. Um nicht den Mieter für das um 50 Millionen renovierte Stadion zu verlieren und so einer der berühmtesten „Fußball-Berge“ zum Geisterort verkommen zu lassen, ist der Fortbestand des schwer gebeutelten vierfachen deutschen Meisters nicht zuletzt politisches Kalkül im Rathaus. Ansonsten lebt das Stadion des Drittligisten von der großen Geschichte, der Renner ist das FCK-Museum. Das letzte Länderspiel fand 2017 gegen Aserbaidschan statt.

aktuelle Nutzung: 1. FC Kaiserslautern, 3. Liga, Zuschauerschnitt: 21.192

Nürnberg (Max-Morlock-Stadion, renoviert, 5 Spiele, 41.000 Plätze)

Mit schon fast hundert Jahren am Buckel war die Arena am ehemaligen Reichsparteitagsgelände das ältestes Stadion bei der WM 2006. Für etwa 50 Millionen wurde das Frankenstadion dafür modernisiert, die Laufbahn war und bleibt trotzdem ein Stimmungskiller – sowohl optisch als auch akustisch. Das Fanpotential ist im Frankenland trotzdem weiter ungebrochen, der „Club“ muss mit Damir Canadi wieder einmal in die zweite Liga. Für die Euro 2024 ist Nürnberg genauso wie Kaiserslautern und Hannover kein Thema mehr. Länderspiele gab es in den letzten zehn Jahren nur gegen vermeintliche Zwerge wie Kasachstan, Gibraltar und San Marino. Durch das „DEL-Winter-Game“ der „Ice Tigers“ 2013 hält man mit 50.000 Zuschauern den europäischen Zuschauerrekord bei einem Outdoor-Eishockey-Match. Konzerte steigen auch im Frankenland, so wie jenes zuletzt von Andreas Gabalier.

aktuelle Nutzung: 1. FC Nürnberg, 1. Liga, Zuschauerschnitt: 40.372

Fazit – Der deutsche Fußball profitierte, aber nicht nur der Fußball

Sportpolitisch war das Turnier auf jeden Fall ein nachhaltiger Erfolg. Die Spielorte wurden in Städten mit gelebter Fußballtradition und –euphorie vergeben bzw. erwies sich auch Leipzig im Nachhinein als richtige Entscheidung. Auch wurden die Endrunden-Partien gleichmäßig aufgeteilt (je vier Gruppenspiele und mindestens ein, maximal zwei K.O.-Partie pro Stadion). Die Stadien sind über ein Jahrzehnt später allesamt noch regelmäßig gut gefüllt und auch die gesamte deutsche Bundesliga erlebte mit der Modernisierungswelle einen Aufschwung.

Dazu wurde auch in die Infrastruktur (Verkehr, Flughäfen, Technologie) investiert, wodurch auch die weniger fußballinteressierte Bevölkerung in den Ausrichterstädten indirekt davon profitierte. Für die Euro 2024 stehen damit nur mehr kleinere Adaptierungen an, im Großen und Ganzen könnte man das Turnier wohl jetzt schon bedenkenlos austragen. Alles in allem, ein Turnier mit durchaus positiven Folgewirkungen.

Keine Selbstverständlichkeit, wie wir die nächsten Tage noch erfahren werden. Wenn wir den folgenden Turnieren auf den Zahn fühlen, so wie morgen schon der Euro 2008 in der Schweiz und in Österreich.

 Zum Abschluss könnt ihr euch noch ein Bild von den Stadien machen, in diesem Video sind alle Spielorte gesammelt:

Stadionliebhaber und Fußallnostalgiker sei der sehenswerte, dazugehörige Youtube-Kanal von TFC ans Herz gelegt

Anmerkung: Beim Stadionname orientieren wir uns grundsätzlich an dem Namen zur Zeit der Weltmeisterschaft bzw. an der gebräuchlichen Bezeichung. Ebenso wie bei der Kapazität, die die Sitzplätze beim Turnier angibt – in der Liga sind es durch die Stehplätze in der Regel deutlich mehr. Bei der akutellen Nutzung blickten wir auf die abgelaufene Saison 2018/19.

Werner Sonnleitner, abseits.at

Werner Sonnleitner

Keine Kommentare bisher.

Sei der/die Erste mit einem Kommentar.

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert