„Die Institution FIFA ist nicht korrupt.“, hat Joseph Blatter immer behauptet. Die Korruptionsfälle sind immer nur Verbrechen von Einzelnen. FIFA-Vizepräsident Jeffrey Webb steckt lange... Schwarzbuch FIFA (3/4) – Die Clansmänner im Wechselbad der Gefühle

_Geldübergabe Transaktion Bestechung „Die Institution FIFA ist nicht korrupt.“, hat Joseph Blatter immer behauptet. Die Korruptionsfälle sind immer nur Verbrechen von Einzelnen. FIFA-Vizepräsident Jeffrey Webb steckt lange mittendrin. Heute ist er der Kronzeuge der Anklagebehörden. Webb ist jahrelang Vorsitzender des Fußballverbandes der Cayman Islands (CIFA). Zur Förderung des Fußballs werden diesem Millionen zugeführt, das Meiste jedoch sackelt sich der Chef höchstpersönlich ein. Neben Webb gibt es aber noch andere Personen, die ihre Fahne nach dem Wind stecken und erfahren müssen, was passiert, wenn Blatter ihnen nicht mehr wohlgesonnen ist.

Solidarität

„Dem Jungen kann nur noch Gott und die Kunst der Ärzte helfen. Meine Hilfe aber braucht Blatter.“, sagt ein Vater, der es vorzieht an der Karriere eines anderen zu basteln, anstatt seinen lebensgefährlich verletzten Sohn ein vielleicht letztes Mal zusehen. 1998 ist Mohamed bin Hammam so in Sepp Blatters Wahlkampf eingespannt, dass er lieber mit diesem nach Südafrika fliegt, als nachhause nach Katar, wo sein Ältester nach einem Autounfall mit dem Tod ringt.

Elf Jahre später braucht bin Hammam selbst Hilfe, denn im eigenen Verband gibt es einen neuen Herausforderer: Scheich Salman bin Ibrahim Al-Khalifa. Die Fäden zieht überraschenderweise: Blatter himself. Sein Interesse liegt klar auf der Hand: Die Erdteilverbände besetzen die Exekutive der FIFA, also Blatters Regierung. Bin Hammam ist ihm in letzter Zeit einfach zu aufmüpfig geworden, also wünscht sich der Schweizer einen Neuen am Ruder. So schnell kann‘s gehen. Doch als am 8. Mai 2008 die Asian Football Confederation in Malaysia tagt, geht bin Hammam als Sieger hervor. Zwei Stimmen werden als ungültig gewertet und verhelfen dem katarische Unternehmer zum knappen 23:21-Triumph über seinen Konkurrenten. Jetzt ist bin Hammam zu allem bereit und will den Mann, der ihm so böse in den Rücken gefallen ist, vom FIFA-Thron stürzen. Sein Plan sieht vor, Blatters Protegé Platini schöne Augen zu machen und ihn zu einer Kandidatur gegen seinen Mentor zu überreden. Doch dieser winkt ab.

Egal, bin Hammam verbündet sich mit Südkoreas Fußballpräsident Mong-joon, der in Kuala Lumpur zwar noch gegen ihn gestimmt hat, sich aber mit Aussicht auf ansprechende Privilegien ins Boot holen lässt. Gemeinsam schmieden sie den Plan Blatter bei der nächsten Wahl zu stürzen: Der asiatische Verband ist auf ihrer Seite und auch in Afrika, wo bin Hammam bei der letzten Wahl noch für Blatter auf Stimmenfang aus war, stehen ihre Chancen gut. Bin Hammams Job als Leiter der FIFA-Entwicklungshilfe ist dabei hilfreich.

Blatter packt die Angst: Die WM in Südafrika steht an und wenn dort irgendetwas schiefläuft, wird das auf ihn zurückfallen. Außerdem weiß er, dass in der Schweiz bereits gegen die FIFA ermittelt wird. Was tun? Sepp hat von Horst Dassler gelernt, dass Kontrolle wirklich viel besser als Vertrauen ist. Als er beweisen kann, dass bin Hammam in der Karibik Stimmen für sich selbst kaufen ließ, ruft er die Ermittlungsbehörden auf den Plan. Unter dem Druck der Bestechungsvorwürfe zieht bin Hammam seine Kandidatur drei Tage vor der Wahl zum FIFA-Präsidenten zurück.

Ein ähnliches Schicksal erlebt Tokyo Sexwale, südafrikanischer Freiheitskämpfer an der Seite Mandelas, der seine noblen Absichten später gegen Bares eintauschte. Heute lebt er als reicher Investor in seiner Riesenvilla hinter Stacheldraht. Sexwale saß im Organisationskomitee für die WM 2010 und galt als Aspirant auf den FIFA-Chefsessel. Doch wie bin Hammam gab auch er kurz vor dem ersten Wahlgang am 26. Februar 2016 seinen Rückzug bekannt. Wie bin Hammam wurde der interne Druck zu groß.

Der Musterschüler

Manche sagen Michel Platini ist der George W. Bush unter den Sportfunktionären: Wenig Ahnung, dafür zahlreiche mächtige Sponsoren und kluge Einflüsterer um sich. Einer, dieser Berater und Gönner ist der damalige französische Präsident Sarkozy. Dieser bestärkt den damaligen UEFA-Boss sich für eine WM-Vergabe an Katar einzusetzen. Der Wüstenstaat gilt als einer der wichtigsten Wirtschaftspartner der Grande Nation. Offiziell stimmt Platini dann natürlich für „eine Weltregion, die noch nie eine WM hatte und nicht, weil ich mit Sarkozy Mittagessen war.“

Im Mai 1998 tritt der Ex-Mittelfeldspieler erstmals als Blatter-Unterstützer in Erscheinung. Damals ist Europas dreimaliger Fußballer des Jahres als Turnierdirektor Frankreichs bei der erfolgreichen Heim-WM ein einflussreicher Mann. Blatter braucht einen großen europäischen Verband als Stütze hinter sich. Platini spuckt große Töne gegen Blatters Herausforderer Johansson: Er wolle ins Kloster flüchten, um kein Massaker mitzuerleben, falls der Schwede FIFA-Chef würde. Nach der Wahl Blatters findet sich kein offizieller Posten für den Franzosen, sodass dieser nur als Berater 1. Klasse agieren kann. Trotzdem haben sich beide schon ein neues Ziel gesteckt: Platini soll die UEFA übernehmen und den europäischen Querschüssen gegen Blatters Politik den Gar ausmachen. Johansson sucht fieberhaft einen Gegenkandidaten und findet diesen in der deutschen Legende Franz Beckenbauer. Doch just in dieser Zeit wird der UEFA-Vorsitz vom Ehrenamt zum Hauptjob umgewandelt: Der Kaiser pfeift drauf, weil er seine Werbedeals nicht verlieren will.

Als der Münchner abwinkt, hat Platini freie Fahrt. Er sammelt mit dem Vorschlag, die Anzahl der Wettbewerbsteilnehmer aufstocken zu wollen, die Stimmen kleiner Verbände ein – Havelanges alter Trick. 24 statt 16 Teilnehmer bei der EM in Frankreich lockt viele: Michel Platini wird zum UEFA-Präsidenten gewählt. Drei Monate nach seinem Amtsantritt wird die EM-Endrunde 2012 an Polen und die Ukraine vergeben. 2009 gerät diese Wahl des Ausrichters jedoch in den Fokus der Öffentlichkeit: Das zypriotisches Verbandsmitglied Marango erhält Zeugenaussagen von Leuten, die bei der Verteilung von Bestechungsgeldern in Höhe von insgesamt 11 Millionen Euro an UEFA-Offizielle dabei waren, zugespielt. Was dann passiert, ist mehr als seltsam: Die UEFA reicht keine Klage ein, versucht aber auf beinahe „potscherte“ Art an das Beweismaterial des Zyprioten zu kommen. Persönliche Treffen lässt die UEFA immer wieder platzen, fordert Marango aber auf, ihnen seine Beweise doch mit der Post zu senden: Realität, die Satire übersteigt. Schließlich ergreift die UEFA doch rechtliche Schritte und im Laufe des Prozesses ziehen sich Marangos Zeugen zurück. Von Platini war in dieser Sache wenig zu hören, er wechselt währenddessen lieber sportpolitisches Kleingeld. Mit Vorliebe wettert der Franzose gegen Oligarchen und Investoren aus dem arabischen Raum: „Ich bin nicht für diese vielen ausländischen Klubbesitzer.“ Wenn das mal nicht der Sohnemann hört: Laurent Platini betreut nämlich den europäischen Sportfonds von Quatar Sports Investements, die 2012 Paris Saint Germain aufgekauft haben und Trikotsponsor des FC Barcelona sind. Nicht zu vergessen, dass Platini Senior auch für die WM-Austragung im Wüstenstaat war. Wenn das keine schizophrenen Züge sind…

Fluch der Karibik

Platini hat auch andere Probleme. Im Frühling 2016 machen die sogenannten „Panama Papers“ internationale Schlagzeilen. Bei den an die Öffentlichkeit gekommenen Dokumenten handelt es sich um rund 11,5 Millionen E-Mails, Briefe, Faxnachrichten, Gründungsurkunden, Kreditverträge, Rechnungen und Bankauszüge aus den Jahren 1977 bis 2016. Das Rechnungsdienstleistungsunternehmen Mossack Fonseca & Co. aus Panama half auch ranghohen Fußballfunktionären bei der Gründung von Briefkastenfirmen. So erteilt der Offshore-Provider einem gewissen Michel Platini, wohnhaft in der Gemeinde Genolier in der französischsprachigen Schweiz, eine Generalvollmacht für die Firma Balney Enterprises Corp..

Was genau diese macht ist unbekannt. Platinis Berater sagt, dass die Schweizer Behörden von seiner Tätigkeit wissen und diese nichts Illegales beinhalte. Das Konto, das in einer Mail des Vermittlers genannt wird, sei den Behörden ebenfalls bekannt und nie mit FIFA- oder UEFA-Geld in Berührung gekommen. Aha. Wie bei bin Hammam und Sexwale gerät auch die Beziehung zwischen Blatter und Platini in eine Krise. Der Franzose fällt seinem Ziehvater von einst in den Rücken: Anlässlich Blatters fünfter Wahl, lässt er zuvor verlautbaren, man möge den Schweizer abwählen. Blatter gewinnt mit 133 Stimmen. Im Herbst 2015 wird gegen den Ex-Fußballer und seinen Chef ein Verfahren wegen Stimmenkaufes im Jahr 2011 geführt. Michel Platinis Sperre wurde 2016 auf vier Jahre reduziert. Von seinem Posten als UEFA-Präsident ist er zurückgetreten. Damit ist er noch ganz gut davon gekommen, im Gegensatz zu einem Herrn, der über Jahrzehnte in die eigene Tasche gewirtschaftet hat: „Es ist nicht wie bei der Mafia. Es ist viel besser.“, soll Jack Warner über sein Engagement bei der FIFA gesagt hat. Austin Warner, genannt Jack. Manchmal auch Jack, the Ripper weil er sich wirklich alles unter den Nagel reißt, was nicht niet- und nagelfest ist.

In seiner Heimat Trinidad und Tobago hat sich Warner ein Imperium geschaffen zudem auch eine Tageszeitung gehört. Er steckt wirklich überall mittendrin, ob er der Fußballakademie seiner Heimat seinen Grund und Boden verpachtet, auf dem Schwarzmarkt WM-Tickets verkauft oder sogar das eigene Nationalteam bestiehlt, indem er die Werbeeinahmen einfach behält. Für seine Stimme bei der Vergabe an Katar und Südafrika soll Warner ebenfalls kassiert haben. Jahrelang ist er FIFA-Vize und Präsident des CONCACAF, des nord-, zentralamerikanisch und karibischen Fußballverbandes. Seit 2015 kämpft er gegen eine mögliche Auslieferung an die Vereinigten Staaten, die FIFA hat ihn lebenslang gesperrt.

Marie Samstag, abseits.at

Marie Samstag

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