Jeder Fußballfan kennt dieses Sprichwort: „Nach der Saison ist vor der Saison!“ Wenn Saisonziele und Träumereien sich längst in Luft aufgelöst haben, kommt die Sommerpause wie gerufen. Denn es beginnt die Zeit der Baumeister und Visionäre in den Direktorenstühlen. Die Transferphase steht ins Haus. Und man hat das Gefühl, der wahre Wahnsinn hat die letzten Monate nur gewartet. Gerüchte um Vertragsverlängerungen, Transfers, Medizin-Checks und Geheimtreffen stapeln sich förmlich auf den Seiten der (Sport-)Zeitungen, ob gedruckt oder im Web, besonders in der Endphase der Transferperiode. Bevor es richtig losgeht, versuchen wir für euch zu erahnen, was von diesem Transfersommer zu erwarten ist.
Das Karussell ist bereits in gehörige Bewegung versetzt. Mario Mandzukić verlässt Atlético Madrid für Juventus Turin, Manchester United verpflichtet Memphis Depay, Pepe Reina kehrt nach Neapel zurück. Der FC Barcelona ist trotz Transfersperre mit Aleix Vidals Verpflichtung aktiv geworden. Geoffrey Kondogbia verschlägt es wie erwartet in die Modestadt Mailand. Nur nicht wie zuerst kolportiert zum AC Milan, sondern zu Stadtrivale Inter. Ergebnis eines ersten Tauziehens zweier aufstrebender Klubs, viele andere Interessenten wurden ebenfalls genannt. Zur Nebensache verkam dabei fast der Preis von 30 Millionen Euro.
Money, Money, Money
Faszinierend ist, dass es sich um den drittteuersten Transfer in der Vereinsgeschichte der Schwarz-Blauen handelt. Teurer waren nur Hernán Crespo und Christian Vieri. In der Liste der Rekordtransfers des Klubs scheinen seine bisher absolvierten vier Länderspiele für Frankreich geradezu mickrig. Letzten Endes zeigt es jedoch auch, wohin sich der Markt in den letzten Jahren entwickelte, gerade in puncto finanzieller Mittel. Denn Inter war, vergleichbar mit fast allen Mitgliedern der Serie A, in den vergangenen Transferphasen eher weniger aktiv, fast schon abstinent.
Aufstrebendes Italien
Zurzeit scheinen viele Vereine Italiens allerdings Lunte zu riechen. In Mailand ist durch neue Eigentumsinvestitionen bei Inter und dem AC wieder Spielraum, andere Marktgrößen kommen hinzu. Juventus investiert und verjüngt sich nach dem Finale in der Champions League, die AS Roma zeigt seit langem Ambitionen und auch der SSC Neapel stellt jedes Jahr wieder eine schlagkräftige Truppe an den Start. Insgesamt befindet sich die Liga deutlich im Aufwind, ein Jahr bevor eine andere ihre finanzielle Dominanz noch erweitern wird.
Vermarktungsmaschine Premier League
Denn durch neue TV-Verträge ab dem Sommer 2016 mit BT Sports und Sky erwartet die englische Premier League Zugewinne in Milliardenhöhe. Und diese Verträge gelten nur für die Inlandvermarktung. Es ist geradezu beängstigend, zwischen den europäischen Ligen ab diesem Zeitpunkt finanziell Vergleiche zu ziehen. Der Letzte Englands wird wohl finanziell mit wirklich ambitionierten Teams aus Spanien oder Deutschland mithalten können. Und schon jetzt scharren viele englische Spitzenklubs mit den Hufen. Der FC Arsenal kann nach dem Abbezahlen seines Stadions seit einiger Zeit schon wieder aus den Vollen schöpfen. Chelsea möchte international den nächsten Schritt gehen, Manchester United neue Geltung auf gleicher Bühne finden. Der FC Liverpool will sich rehabilitieren, Manchester City wieder die Krone erobern. Und das sind nur einige Beispiele.
Baustelle Nummer 1 – Der Angriff
Der FC Barcelona hat es vorgezeigt: Mit einem überragenden Angriff ist nichts unmöglich. Leo Messi, Neymar und Luis Suárez schossen für die Katalanen gefühlt jeden Sieg der letzten Saison heraus, es reichte am Ende für das Triple. Nicht überraschend suchen viele Top-Vereine nach Verstärkungen an vorderster Front. Allein innerhalb Englands sind viele Vereine intensiv auf Stürmersuche, allen voran Manchester United. Nach einer Saison, in der sich Radamel Falcao und Robin van Persie nicht gerade bestechend zeigten, wird Auffrischung erwartet. Allgemein sind sehr häufig Verpflichtungen von Angreifern an der Tagesordnung. Sie sind positionell leichter ins Kollektiv zu integrieren, sollen schnell sein, gut antizipieren und möglichst viele Chancen in Tore ummünzen. Und es gibt zurzeit viele Kandidaten auf dem Markt, die hervorragende Knipser sind. Die Namen reichen vom bereits erwähnten Falcao bis hin zu Raheem Sterling – einiges ist diesen Sommer vorstellbar.
Baustelle Nummer 2 – Das Mittelfeld
Ganz anders verhält es sich mit den anderen Feldspielern und Mannschaftsteilen auf dem Parkett. Jede Mannschaft presst anders, baut das Spiel unterschiedlich auf und investiert in der Vorbereitung sehr viel Zeit um alles genau abzustimmen. Nicht umsonst fanden sich in der internationalen Spitze viele Mannschaften mit eingespielten Mittelfeldreihen. Entsprechend sind derartige Verpflichtungen auf höchstem Niveau kein sonderlich verbreitetes Thema. Einzig Vereine auf dem Sprung wie der FC Arsenal suchen im zentralen Mittelfeld entschieden nach Personal. Das Problem: Kaum jemand von aktuellem Weltklasseformat ist auf dem Markt. Und auch wenn beide Vereine finanziell wieder gut dastehen, ist es utopisch, dass beispielsweise Sergio Busquets oder Yaya Touré plötzlich für 50 Millionen Euro verpflichtet werden können. Eventuell wird Arturo Vidal noch den Verein wechseln dürfen, sicher ist es nicht. Viel eher wird man in diesem Sommer als Klub mit etwas Kreativität an derartige Pläne herangehen müssen. Spieler aus Southampton oder Málaga, Namen wie Schneiderlin oder Camacho kommen ins Spiel. Vielleicht auch der von Bankspielern bei Top-Teams wie Asier Illaramendi. Die wohl heißeste Transferaktie des Sommers wird allerdings ebenfalls auf dieser Position gehandelt: Juves Paul Pogba.
Baustelle Nummer 3 – Der Defensivverbund
Eher klassisch verhält es sich derweil bei Verpflichtungen für die Defensivreihe und den Keeper. Das Anforderungsprofil an Defensivspieler ist vom grundsätzlichen Stil des Teams abhängig, jedoch Jahr für Jahr wenig unterschiedlich. Viele Mannschaften spielen mit offensiven Außenverteidigern, spielerisch extrem limitiert sollte man auch als Innenverteidiger oder Torwart nicht sein. Wichtig sind selbstverständlich fundamentale Dinge wie Athletik oder rege Kommunikation, wie auch Spielverständnis. Eine große Rolle spielt bei Verpflichtungen von Abwehrspielern dementsprechend das Scouting. Denn man muss weniger einen überragenden, als den schlicht passenden Verteidiger finden. Ganz zu schweigen davon, dass ein Thiago Silva eben nicht überall zu finden ist. Viel eher müssen sein Spielstil wie seine Stärken mit der des Trainers in seiner Philosophie erdachten Rolle übereinstimmen. Variantenreichtum besteht dabei zweifelsohne. Das Spiel lässt sich über langes oder kurzes Passspiel aufbauen, vorwiegend diagonal oder eher vertikal. Verteidigt werden kann über abschirmende Varianten oder auch mithilfe der Abseitsfalle, um nur ein paar variierende Faktoren zu nennen. Wenige Spitzenklubs suchen derzeit explizit nach Verteidigern, spannender könnte sich der Markt der Torhüter in Zukunft gestalten. Viele Spitzenkeeper Europas stehen im Herbst ihrer Karrieren und werden wohl bald ihre Laufbahnen beenden. Bei Real Madrid beispielsweise könnte Iker Casillas in der nächsten Spielzeit tatsächlich nicht mehr zwischen den Pfosten stehen, ein Nachfolger wird bereits seit Jahren gesucht. Bekannt ist das Interesse an David de Gea, noch mehr, dass Manchester United ihn nur ungern ziehen lassen will. Generell ist der Markt an aufstrebenden Torhütern gut bestückt. Viele deutsche Talente wie Bernd Leno oder Marc-André ter Stegen streiten sich um den Platz hinter Manuel Neuer beim DFB. Auch in der Premier League wird zum Beispiel Thibaut Courtois noch auf Jahre absolute Spitzenklasse verkörpern.
Fazit
Insgesamt sind einige Trends bereits jetzt erkennbar. Die Klubs der italienischen Serie A werden wohl speziell in diesem Transferfenster die Geldschatulle weit öffnen. Spätestens ab nächstem Jahr wird dann die englische Premier League Transfersummen in ungeahnten Höhen veräußern, was sie heuer in Ansätzen bereits präsentieren – es könnten teure Sommer warten. Beliebt sein werden wohl die Wechsel von Angreifern, während viele Spitzenteams sich in Abwehr und Mittelfeld gerüstet sehen. In der nächsten Zeit wird die Position des Torhüters definitiv interessant zu beobachten sein.
Lennart Kühl, abseits.at
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