Sie sind das Feindbild Nummer eins für Fans und Spieler – die Pfeifenträger. Doch sie sind unerlässlich, garantieren, dass alles mit rechten Dingen zugeht.... Und führe uns nicht in Versuchung – Neue Affäre um deutsche Schiedsrichter

Sie sind das Feindbild Nummer eins für Fans und Spieler – die Pfeifenträger. Doch sie sind unerlässlich, garantieren, dass alles mit rechten Dingen zugeht. Integrität und Seriosität sind Schlagworte, die normalerweise mit den Spielleitern verbunden werden. Doch neben vergleichsweise harmlosen Fehlentscheidungen – vergleichsweise zum Beispiel beim Spiel Bilbao gegen Salzburg – fallen sie leider auch des Öfteren abseits des Platzes auf.

Spieler sind ein offenes Buch. Kabinenprügeleien, Falschparken, Aufrisspraktiken – die Boulevardpresse findet beinahe alles heraus. Bei Schiedsrichtern ist das schwieriger, denn kaum einer weiß, wie sie ticken. Der Film „Referees at work“ führte der Öffentlichkeit das erste Mal vor Augen, was die Schiris, Liris und sonstige vierten, fünften und sechsten Offiziellen tun, wenn sie nicht wahlweise haarsträubend danebenliegen oder tolle Sachen richtig sehen, die sonst erst die siebte Superzeitlupe zu Tage bringen. Die sonstige Berichterstattung erstreckte sich von Spielverschiebungen, wie im Fall von Robert Hoyzer, bis zu schrullig, wie im Fall des Vorwurfs der sexuellen Belästigung an Deutschlands Schiedsrichter-Obmann Manfred Amerell. Der Beschuldiger Michael Kempter ist nun auch im Fokus der neuesten Vorfälle rund um die Spielleiter unserer Lieblingsnachbarn. „Steuerhinterziehung im großen Stil“ nennt es die Süddeutsche Zeitung.

Steuerfahnder beim DFB

Am Montag, dem 24. Oktober 2011, wurden in Frankfurt Steuerfahnder beim Hauptquartier des Deutschen Fußballbundes (DFB) vorstellig. Die Ermittler verlangten Unterlagen, die sich um die Vergütung von rund 20 Schiedsrichtern drehen, die im großen Stil Steuerhinterziehung betrieben haben sollen. Den Stein ins Rollen brachte ein Tipp von Obmann Amerell, der auf den ihn verklagenden Kempter verwies. Hierbei soll es laut Ermittlern um eine Summe im fünfstelligen Bereich gehen, berichtet die SZ. Im Kreis der Verdächtigen befindet sich auch Spitzenreferee Dr. Felix Brych, welcher bereits zugab, dass er Besuch der Fahnder hatte. Neben Kempter und Brych halten sich die mutmaßlichen Steuerhinterzieher bedeckt.

Keine Schutzsperre

Am Dienstag und am Mittwoch ist DFB-Pokal und zwei Spiele am ersten und fünf am zweiten Tag werden von Männern (mit-)geleitet, die unter Verdacht stehen – insgesamt sind zehn Spielleiter der 20 Verdächtigten im Einsatz. Am Wochenende in der Liga und in der nächsten Woche in Champions- und Europa League werden die Beschuldigten ganz normal ihrem Hobby nachgehen und pfeifen. Ein Sprecher des DFB argumentierte so, dass Schutzsperren nur dann ausgesprochen werden, wenn es sich um Delikte handelt, die den Spielbetrieb direkt betreffen: „Für ein eventuelles Fehlverhalten im privaten Bereich greift eine solche Maßnahme nicht.“ Die deutsche Fußballliga DFL zeigt sich ob dieses Umstandes sehr verwundert. Umfassende Informationen über die Affäre wurden angefordert.

Schwierige Verrechnung von Zusatzeinkünften

Im Gegensatz zum Mutterland des Fußballs sind die Schiedsrichter in allen anderen Ländern Kontinentaleuropas Amateure. Das heißt, dass die als Fixum ausgezahlten Vergütungen für die Spielleitung dem Finanzamt gemeldet werden müssen und der Berechnungsrahmen für das Bruttojahreseinkommen neu berechnet werden muss. In Österreich wäre das etwa folgendermaßen: Bei einem Einkommen von 14 Mal 2.000 Euro brutto (Höhe des Einkommens von Pflichtschullehrern) werden rund 500 Euro an Versicherung und an Lohnsteuer abgeführt. Die Lohnsteuer berechnet sich so, dass sie vom gesamten Bruttojahreseinkommen minus 11.000 Euro zustande kommt. Die Höhe der Steuer wird also nach Abzug dieser Summe berechnet. 17.000 Euro müssen versteuert werden, da die ersten 11.000 verdienten im Jahr steuerfrei sind. So müsste unser Schiedsrichter etwas mehr als 2.900 Euro an Lohnsteuer zahlen. Dazu kommen aber die Nebeneinkünfte, welche das Bruttojahreseinkommen erhöhen, also auch die Schiedsrichtergehälter. Diese sind in Österreich nicht öffentlich, bewegen sich nach einer Recherche aber im höheren dreistelligen Bereich. Demnach kann ein Spitzenschiri schon mal um die 25.000 Euro in einer Saison dazuverdienen. Statt 2.900 Euro will die Finanzministerin dann 10.300 Euro im Jahr haben. Wer dem Fiskus dann 7.400 Euro oder fünf Monate Nettoeinkommen enthält, bekommt mit Frau Fekter Probleme.

Da kommt was zusammen

In Deutschland verdienen Schiedsrichter natürlich um einiges mehr als in Österreich. Wer dann am Finanzminister vorbei verdient, seine Nebeneinkünfte nicht korrekt versteuert, hat ein massives Problem. Es ist merkwürdig, dass der DFB seine Spielleiter nicht aus der Schusslinie nimmt. Immerhin stehen die Referees für oben genannte Werte und Spitzenarbeitskräfte, die möglicherweise in großem Rahmen Steuerhinterziehung betreiben, passen so gar nicht ins Selbstbild der offiziellen Fußballvertretung der Deutschen, die sich ja ansonsten gerne als modern und offen geben.

Ethische Frage

Natürlich ist es eine Frage, ob private Verfehlungen etwas mit dem Fußball an sich zu tun haben. Immerhin handelt es sich um das Privatleben, welches tabu sein sollte. Das stimmt aber heutzutage nicht mehr. Ebenso wie die Medien über Arnautovics Falschparken oder Tchoyis Alkofahrt berichten, nehmen sich sie und die Öffentlichkeit das Recht heraus, auch bei Schiedsrichtern Fragen zu stellen. Und es wirft tatsächlich ein schiefes Licht auf die Integrität des DFB, wenn Verdächtige, die zehntausende Euro wissentlich schwarz verdient haben sollen, weiterhin pfeifen dürfen, als ob nichts gewesen wäre. Denn das Salär, welches für die laufenden Spiele ausgezahlt wird, wird ja möglicherweise auch nicht versteuert!

Der Deutsche Fußballbund ist aufgerufen, seine Schiedsrichter zur Räson zu bringen. Nach 2005 (Hoyzer) und 2010 (Kempter) ist 2011 der nächste Skandal da. Eine unangenehme Zeit für den sonst so seriösen DFB.

Georg Sander, abseits.at

Georg Sander

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