„Südafrika hat über alle Zweifel triumphiert und die Herausforderung angenommen!“ So äußerte sich ein euphorischer Josef Blatter nach dem finalen Schlusspfiff der WM 2010... Zum ersten Mal in Afrika – Was blieb von der WM 2010 in Südafrika?

„Südafrika hat über alle Zweifel triumphiert und die Herausforderung angenommen!“ So äußerte sich ein euphorischer Josef Blatter nach dem finalen Schlusspfiff der WM 2010 durch Howard Webb. Zwölf Stadien wurden im vielleicht europäischsten aller afrikanischen Länder in die Höhe gezogen. Ganz genau weiß man es nicht, kolportiert wurden mehr als zwei Milliarden Euro verbaut. Geld das sich bislang – und auch in Zukunft – nicht rechnen wird. Die modernisierte Sportstätten-Infrastruktur nutzte man wenigstens für den Afrika Cup 2013 und auch die Nationalsportart Nummer eins – Rugby. In dieser Sportart finden derzeit dort auch die Weltmeisterschaften statt. Wir schauen heute nach Südafrika – triumphierte man da auch über die Zweifel, dass die Stadien nach dem WM-Monat ein einsames Dasein fristen?

Johannesburg (FNB Stadium, renoviert, 8 Spiele, 84.490 Plätze)

Das größte Stadion des Kontinents wurde 1987 errichtet und für die Weltmeisterschaft adaptiert. Die Außenfassade ziert ein kunstvolles Mosaik. Der 12-fache und damit amtierende Rekordmeister – der zuletzt mit Rang neun etwas kriselte – bespielt das Finalstadion. Auch die „Bafana Bafana“ trägt dort bevorzugt ihre Länderspiele aus. Im März sorgte Ed Sheeran mit zwei ausverkauften Konzerts für Stimmung.

aktuelle Nutzung: Nationalteam, Kaizer Chiefs, 1. Liga, Zuschauerschnitt: 17.161

Johannesburg (Ellis Park Stadium, renoviert, 7 Spiele, 55.686 Plätze)

Die wahrscheinlich berühmteste Sportstätte im Land wurde schon 1928 erbaut und für die WM generalüberholt. 1995 holte dort der Gastgeber bei der Rugby-WM sensationell den Titel. Heute spielen an dieser Stelle die Kicker der Orlando Pirates und erfreuen sich über gute Zuschauerzahlen, die zweitmeisten in der abgelaufenen Saison. Ansonsten jagen dort auch die Lions bei der Nationalsportart Nummer eins erfolgreich dem ovalen Ei nach.

aktuelle Nutzung: Orlando Pirates FC, 1. Liga, Zuschauerschnitt: 16.067

Kapstadt (Cape Town Stadium, Neubau, 8 Spiele, 64.100 Plätze)

Um kolportierte 300 Millionen US Dollar wurde die Arena Nahe des „Kap der guten Hoffnung“ gebaut. Einen Mieter für das bei den lokalen Vereinen deutlich überdimensionierte Stadion samt dessen saftiger Pacht zu finden, war anfangs nicht einfach. Das Zuschauerinteresse in der Meisterschaft ist in Kapstadt enden wollend. Der laufende Betrieb verursacht etwa zehn Millionen US-Dollar Verlust jährlich. Zwischendurch finden immer mal wieder Events statt, wie zuletzt eine Monster Truck Show. Und auch hier füllte Ed Sheeran die Arena heuer schon zweimal. Sonst kann eines der schönsten Stadien des Kontinents für private Partys wie Hochzeiten oder Geburtstage gemietet werden.

aktuelle Nutzung: Cape Town City FC, 1. Liga, Zuschauerschnitt: 8.307

Durban (Moses Mabhida Stadium, Neubau, 7 Spiele, 62.760 Plätze)

Für 380 Millionen US-Dollar und sieben WM-Spiele wurde die Arena neu errichtet. Seitdem liegt das Stadion – dass optisch an das Wembley angelehnt – brach. Bungee-Jumping und Restaurants spülen nur wenige Einnahmen rein, die Erhaltung des Baus verursacht dagegen laufende Kosten von über fünf Millionen pro Jahr. Gelegentliche Konzerte, ein Rock-Festival oder ausgewählte Cricket-Spiele sorgen zumindest ein paar Mal in Jahre für etwas Betrieb in der Arena an der Ostküste.

aktuelle Nutzung: leer

Pretoria (Loftus Versfeld Stadium, renoviert, 6 Spiele, 42.858 Plätze)

Eines der ältesten Stadien des Landes – gebaut 1906 – stand in seiner langen Geschichte immer schon für Rugby. Jetzt spielt mit den „Blue Bulls“ eines der besten Teams des Landes dort. Auch das Rugby-Nationalteam gibt sich im „Loftus“ regelmäßig die Ehre. Robbie Williams oder Celine Dion trällerten dort schon ihre Balladen. Fußball wird zwar auch gespielt, fristet aber nur eine Nebenrolle in der Johannesburger Vorstadt.

aktuelle Nutzung: Mamelodi Sundowns FC, 1. Liga, Zuschauerschnitt: 8.427

Port Elizabeth (Nelson Mandela Bay Stadium, Neubau, 8 Spiele, 42.486 Plätze)

Direkt am Delta des North End Lake, nur ein paar Ausschüsse vom Indischen Ozean entfernt wurde die Arena für 159 Millionen US-Dollar neu errichtet. Neben den Meisterschaftsspielen von Chippa United finden auch noch Spiele der „Bafana Bafana“ und des Rugby-Teams statt. Als vielleicht modernster Bau im Land ist die Arena immer wieder Kandidat für größere Sportveranstaltungen, wie zum Beispiel das 3-Nationen-Rugby-Turnier. Etwas skurriler sind dagegen andere „Nachnutzungsvarianten“: Einerseits betete eine tausend Meter lange Menschenkettete um Gottes Segen. Andererseits wurde an dieser Stelle auch schon die Miss-World gekürt und ins Buch der Rekorde schaffte man es mit der größten Bikini- bzw. Badehosenparade. Alles ganz nett, doch unterm Strich ist das Stadion für die Stadt eher (finanzielle) Bürde denn stolzes Aushängeschild.

aktuelle Nutzung: Chippa United, 1. Liga, Zuschauerschnitt: 7.067

Polokwane (Peter Mokaba Stadium, Neubau, 4 Spiele, 41.733 Plätze)

Um etwa 150 Millionen US Dollar wurde das Stadion neu errichtet und 2010 rechtzeitig vor dem WM eröffnet. In der Gegenwart wird hier neben Fußball vor allem Rugby gespielt. Beides vor eher trister Kulisse im ausgedehnten Rund. Für Kongresse und Veranstaltungen können die Stadionräumlichkeiten gemietet werden. Ansonsten finden keine regelmäßigen Veranstaltungen von größerer Bedeutung statt.

aktuelle Nutzung: Polokwane City FC, 1. Liga, Zuschauerschnitt: 5.306

Nelspruit (Mbombela Stadium, renoviert, 4 Spiele, 40.929 Plätze)

Durch das außergewöhnliche Design staubte das generalsanierte Stadion mehrere Preise ab. Die Lederkugel rollt in der Arena allerdings nicht mehr, dafür das Rugby-Ei wenn die „Pumas“ auflaufen. Bei der aktuell stattfindenden Rugby-WM trägt der Gastgeber hier mehrere Spiele aus. Dazwischen gibt es immer wieder Musikveranstaltungen, eher von lokal bekannteren Barden im kleineren Rahmen. Fußball? Fehlanzeige!

aktuelle Nutzung: Rugby

Bloemfontein (Free State Stadium, renoviert, 6 Spiele, 40.911 Plätze)

Für die Rugby-WM 1995 wurde das Stadion gebaut, für das Pendant mit der Lederkugel dann renoviert. Im Stadion gibt es jetzt noch Erstliga-Fußball der „Celtics“, dazu aber in erster Linie weiterhin die Nationalsportart Rugby. Die „Cheetahs“ tragen dort ihre Heimspiele aus.

aktuelle Nutzung: Bloemfontein Celtic, 1. Liga, Zuschauerschnitt: 10.690

Rustenburg (Royal Bafokeng Stadium, renoviert, 6 Spiele, 38.646 Plätze)

Für die WM wurde das Stadion generalsaniert und die Besucherkapazität erhöht. Fußball findet man keinen mehr in der nordwestlichen Provinz. Stattdessen trainieren auf der Laufbahn die südafrikanischen Leichtathleten.

aktuelle Nutzung: leer

Fazit – Graue Elefanten zwischen Wellblechhütten

Die „Premier Soccer League“ (PSL) und das Nationalteam – die „Bafana Bafana“ – profitierten nicht vom Wettbewerbsvorteil, als erstes afrikanisches Land eine Weltmeisterschaft ausrichten zu können. Das Gros der Liga dümpelt derweil irgendwo zwischen 500 und 5.000 Zuschauern dahin. Die Nationalmannschaft rangiert im Beliebtheitsranking weiter hinter Rugby und duelliert sich mit Cricket um die Silbermedaille in der Zuschauergunst.

Aktuell verfügt Südafrika über eine der modernsten Fußballinfrastruktur außerhalb Europas. Doch so recht weiß oder besser gesagt kann man es nicht nutzen. Einige teuer errichtete Stadien stehen jetzt leer oder sind nur schlecht und unregelmäßig besucht. Besonders prekär: Neben den gewaltigen Baukosten verursachen jetzt noch die laufenden Kosten im bitterarmen Land ein dickes Minus. Teils kamen in Stadionnähe zwar neue öffentliche Verkehrslinien, ausgebaute Straßen oder ein adaptiertes Metro-Netz. Doch leider nichts wovon die Mehrheit der ansässigen Bevölkerung profitieren würde. Über 30 der knapp 57 Millionen Südafrikaner leben derzeit unter der Armutsgrenze, viele davon sind schwarz. Die Arbeitslosigkeit liegt offiziell bei knapp 26%, unabhängige Quellen sprechen von deutlich mehr. Dazu sind die Einkommensunterschiede zwischen den Bevölkerungsgruppen so groß wie kaum wo weltweit.

Wie eingangs erwähnt wurden viele Millionen in Beton gegossen. In erster Linie um ein Prestige-Event, dass von der FIFA Afrika zugesagt wurde, nach Südafrika zu holen. An den meisten Spielstätten herrscht nach der einmonatigen Veranstaltung jetzt flaue Katerstimmung. Die grauen Elefanten stehen oft neben Blech- und Pappbehausungen. Für die breite Bevölkerung wohl wie zum Hohn – als prunk-protzige Monumente einer so nahen und doch so fernen luxuriösen Parallelwelt.

Einen Streifzug durch die Stadien gibt es hier.

Werner Sonnleitner, abseits.at

Werner Sonnleitner

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