Robert Lewandowski heißt Robert, weil man Robert überall auf der Welt gut aussprechen kann. Er ist Sportler, weil seine Mutter Volleyball spielte und sein... Buchrezension: Robert Lewandowskis Leben als Fotoroman

_Robert Lewandowski - FC Bayern MünchenRobert Lewandowski heißt Robert, weil man Robert überall auf der Welt gut aussprechen kann. Er ist Sportler, weil seine Mutter Volleyball spielte und sein Vater Judoka und Fußballer war. Er trinkt seit ein paar Jahren keine Milch mehr und isst nur selten Süßigkeiten. Und weil Robert jetzt bei einem der besten Vereine der Welt spielt, hat er seine Geschichte zusammen mit Wojciech Zawiola aufgeschrieben. Genau aus diesem Grund – weil er eben noch spielt – mutiert die Biografie des Stürmers aber zum Fotoroman. Bild an Bild reiht sich Lewandowskis „wahre Geschichte“, kombiniert mit Kommentaren im Interviewstil. Es wird keine schmutzige Wäsche gewaschen, es werden keine Kabinenflüstereien verraten oder Trainer angeschwärzt. Etwas seltsam stoßen in der deutschen Ausgabe des 2013 in polnischer Sprache erschienenen Buches nur gewisse Übersetzungen auf: „Gesunde Ernährung ist meine Leidenschaft und Roberts auch – ob er will oder nicht.“; „Unsere Mediziner stehen auf sehr hohem Niveau.“ – ähm, ja, eh klar. Peter Seraphim übertrug Zawiolas Wortlaut oft sehr geschwollen ins Deutsche. Mit der Zeit gewöhnt sich der Leser allerdings an diese förmlichen Umschreibungen. Ja, die Geschichte erhält dadurch tatsächlich einen leicht exotischen Touch.  

Er ist schnell, torgefährlich und antizipiert wie kein Zweiter

Die Gestaltung des Buches entspricht dem Protagonisten einer modernen Welt: Robert „The Body“ Lewandowski ist schön und wählt stets den direkten Weg zum Ziel. Der Privatmensch ist schüchtern und ruhig. Nach vier Toren gegen Real sagt er zuhause nur: „Ich bin müde.“. Nach fünf Toren in neun Minuten sieht er gelassen zu, wie hunderte Nachrichten auf seinem Handy eintrudeln. Seine Schwester attestiert ihm die Selbstdisziplin und Opferbereitschaft, die nur wirklich große Sportler auszeichnen. Robert wollte schon immer nur Fußballspielen.

Milena, die Schwester, ist die Ältere der Geschwister und spielt wie die Mutter Volleyball. Robert ist ehrgeizig und es ärgert ihn im Rückblick, dass er seine ersten Fußballschuhe bei Varsovia zerrissen hat: „Ich weiß, dass manches anders hätte laufen können. Ich hätte schon mit siebzehn ein ganz anderer Spieler sein können und nicht erst drei Jahre später.“ Doch selbst ein Lewandowski kann nicht beeinflussen, in welches Land, in welche Familie er hineingeboren wird. „Bobek“, wie er gerufen wird, ist trotzdem auf die Butterseite gefallen: Am 21. August 1988 erwarten ihn Milena und die sportverrückten Eltern. Papa Krzysiek bringt ihm sobald er aufrecht stehen kann die ersten Judokniffe bei. Der spätere Stürmer interessiert sich zunächst für Geländelauf, ehe er ganz zum Fußball wechselt. Dem Vater ist das recht. „Du bist zu schade für Judo.“, sagt er und ist Roberts erster Trainer bei Partyzant Leszno. Wochenends sitzen die Eltern zuerst beim Volleyballmatch von Milena auf der Tribüne, dann schauen sie Robert beim Kicken auf die Beine. Selbst nach der Erstkommunion des Juniors flitzen die Lewandowskis in Kleid und Anzug zum nächsten Match weiter. Der Pfarrer hatte dankenswerterweise seine Predigt gekürzt. 2006 ist die glückliche und ausgefüllte Kindheit des Buben, der nicht stillsitzen kann, jedoch vorbei: Dem Vater macht erst eine Erkrankung der Herzkranzgefäße zu schaffen, dann kommt der Krebs. Krzysiek Lewandowski wird depressiv und gibt die Hoffnung auf. Er stirbt plötzlich, aber nicht unerwartet im Schlaf.

Der Sohn geht seinen Weg konsequent weiter. Im Register seiner Jugendsünden stehen nur einige Autofahrten als führerscheinloser Milchbart in der polnischen Provinz und harmlose Lausbubenstreiche. In der Reserve von Legia Warschau sammelt er erste Erfahrungen. Ein Muskelriss im Hüftbereich ist Roberts erste schwere Verletzung, die für Legia allerdings Grund genug ist den Vertrag mit dem jungen Stürmer nicht zu verlängern. Er geht zu Znicz Pruszków, wo er zur „Rotznase“, einem Knipser aus dem Bilderbuch wird. Pruszków steigt dank des Torschützenkönig Lewandowski in die zweite Liga auf. Nach 38 Treffern für die Mannschaft der „kleinen Studenten“ angelt halb Polen nach dem frechen Angreifer. Berater Kucharski rät dem Zwanzigjährigen zu Lech Posen zu gehen. Trainer Smuda ist zwar als Schleifer bekannt, doch er soll den Stürmer, der vor allem körperlich noch zulegen muss, besser machen. „Alle zwei Jahre gehst du zu einem besseren Klub.“, ist Kucharskis Plan. Er weiß, welches Juwel er betreut. Gemeinsam mit Roberts Freundin Anna, einer Karatekämpferin, fängt er an die Ernährung des Profis zu kontrollieren. Lewandowski stellt sich in Posen gebührend vor: Er trifft nach vier Minuten in seinem ersten Spiel mit der Ferse. Viele weitere Tore folgen, denn er wird Torschützenkönig der Ekstraklasa und holt 2010 mit Posen Meisterschaft und Pokal. Jetzt will er weg aus seiner Heimat und endlich den Schritt ins Ausland wagen. Er legt Extraschichten mit dem Konditionstrainer ein um fit für eine Topliga zu werden.

Istanbul, Blackburn oder Dortmund

Kucharski macht den Wechsel zu Dortmund, dem damals Fünften der Bundesliga, klar und rät seinem Schützling sich möglichst rasch zu integrieren. Er soll nicht nur mit seinen Landsleuten Piszczek und „Kuba“ rumhängen und bei Problemen den Kopf in den Sand stecken. Auf sportlicher Ebene überredet ihn Jürgen Klopp Freistöße zu trainieren, privat sucht er sich freiwillig einen Deutschlehrer. Der Anfang ist trotzdem nicht einfach: Lewandowski trifft zwar, sitzt aber doch immer wieder auf der Bank. Lucas Barrios ist der Stürmerstar der Schwarz-Gelben und Konkurrent des jungen Polens. Klopp macht aus „Lewy“ eine hängende Spitze und in seiner ersten Saison schießt er acht Tore. Dortmund wird 2011 deutscher Meister. Im Oktober 2011 gelingt dem Angreifer sein erster Hattrick, im DFB-Pokal-Finale trifft er gegen seinen heutigen Arbeitgeber drei Mal. Der BVB feiert am Ende der Saison das Double und Robert Lewandowski den endgültigen Durchbruch zur Weltspitze.

Und weil aller guten Dinge drei sind, folgt die traumhafte Champions-League-Saison 2012/2013: Borussia Dortmund besiegt Real Madrid im Halbfinale und Pérez, der Präsident der „Königlichen“, nimmt Lewandowski nach dem Rückspiel in den Katakomben des Bernabéu zur Seite. Er witzelt und flüstert ihm zu, dass man in Madrid großes Interesse an einer Verpflichtung hätte. Mourinho schickt dem Angreifer eine vielsagende SMS: „Ich will dich in meiner Mannschaft.“, auch Manchester United wird vorstellig. Lewandowski bleibt cool. Mittlerweile ist ganz Polen stolz auf ihn. Auf nationaler Ebene kann Lewy die hohen Erwartungen allerdings meist nicht umsetzen: „Im Vereinsfußball ist das ganz anders. Im Verein kennen sich die Spieler besser, sie können sich blind aufeinander verlassen.“ Damit kann er sich abfinden. Die Strukturen des polnischen Fußballes sind dem Patrioten allerdings ein Graus: Er fragt sich, wie ein Land mit 40 Millionen Einwohnern im Nachwuchs keine brauchbaren Innenverteidiger finden kann.

Lewandowski macht den BVB in seiner Heimat populär. Die Schwester, die Freundin (jetzt: Frau), der Jugendfreund – sie alle halten große Stücke auf ihn: Er sei ein Vorbild, ein Athlet, der nur für seinen Sport lebe, gelassen und zurückhaltend. Freund Tomek, der mit ihm bei Varsovia Warschau spielte, sagt: „Ich glaube, erst im Wembley-Stadion [CL-Finale 2013, Anmerkung] habe ich zum ersten Mal gesehen, dass ihn etwas rührt.“ Vielleicht heißt deshalb ausgerechnet das dreizehnte Kapitel des Buches: „Kühler Profi“. Der Offensivspieler steht zu seinem hohen Selbstwertgefühl. Zawiola meint gar, Lewandoski sei immun gegen Kritik. Er lebt so, wie alle Fußballer leben sollten und ist nicht anspruchslos. Geld ist ihm wichtig, denn wenn er besser wird, will er auch besser bezahlt werden. „Warum sollte nur der Verein von mir profitieren?“ Trinken? Rauchen? Lewandowski: „Einmal habe ich es probiert. Auf einem Baum. Diesen Baum gibt es nicht mehr.“ So gesehen ist es nur logisch, dass ein derartiger Vorzeigesportler einmal beim FC Bayern München spielt. Er selbst sieht das so und erwähnt mit keinem Wort, welche Beweggründe ihn nach Süddeutschland verschlagen haben. Im Buch spricht Frau Lewandowska gerade noch über ihr Privatleben, ein paar Zeilen weiter sitzt ihr Robert im Mannschaftsflugzeug über New York und freut sich auf die Sommertournee mit seinem neuen Arbeitgeber. Er selbst sei nie Fan eines Vereines gewesen, erfährt man, und damit ist alles dazu gesagt. Fußballromantiker sollten sich also nicht zu viel von dieser Biografie erwarten. Das Buch erzählt die Geschichte eines eifrigen Spielers, der sich immer neue Ziele sucht und an Herausforderungen wachsen will – wie Berater Kucharski sagt: „Wir gehen vorwärts, wir wissen nicht, was uns hinter der nächsten Kurve erwartet, aber wir sind auf alles vorbereitet.“

Marie Samstag, abseits.at

Marie Samstag

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