Birgit Prinz und ich haben einiges gemeinsam: Zuallererst sind wir am selben Tag geboren und darüber hinaus lieben wir Fußball. Beide haben wir auch... 11 Freundinnen müsst ihr sein – Der Frauenfußball und seine Zukunft

SpielszeneBirgit Prinz und ich haben einiges gemeinsam: Zuallererst sind wir am selben Tag geboren und darüber hinaus lieben wir Fußball. Beide haben wir auch als Kinder, den für unsere Geschlechtsgenossinnen ungewöhnlichen Weg eingeschlagen, und in unserer Freizeit oft einem Ball hinterhergejagt. Im Gegensatz zu mir, darf Birgit Prinz aber auf eine erfolgreiche Karriere im Frauenfußball zurückblicken. 2003 wurde die Frankfurterin erstmals Weltfußballerin, da interessierte mich Fußball gerade überhaupt nicht mehr, höchstens knackige Kicker und der Trikottausch nach dem Spiel, die Pubertät ließ grüßen. Prinz wurde 2004 und 2005 ebenfalls zur weltweitbesten Spielerin gewählt. Zum Drüberstreuen heimste sie auch noch acht nationale Titel als „Fußballerin des Jahres“ ein. In der ewigen Bestenliste ist die Stürmerin außerdem beste Torschützin (128 Länderspieltore), nahm vier Mal an den olympischen Spielen teil, ist fünffache Europameisterin, zweimalige Weltmeisterin, neunfache deutsche Meisterin, zehnfache Pokalsiegerin, hält den Weltrekord für die meisten WM-Tore, etc.

Auf einen Punkt gebracht: Es ist eine Wahnsinnskarriere, die die Deutsche am 12.August 2011 beendet hat. Die deutsche Rekordnationalspielerin war um einiges erfolgreicher als einige ihrer männlichen Kollegen, die aber bekannter sind als sie. Sogar der AC Perugia hatte Prinz 2003 einen Platz in seiner Männermannschaft angeboten, doch sie fürchtete nur als Marketinggag auf der Bank zu versauern und sagte dem Serie-A-Klub ab. Gute Entscheidung!

Die deutschen Fußballfrauen haben gerade wieder geschafft, was ihre Landsmänner seit Jahren nur versuchen: Am 28. Juli 2013 gewann die DFB-Auswahl das EM-Endspiel gegen ihre Kontrahentinnen aus Norwegen mit 1:0. Ohne die zurückgetretene Birgit Prinz, Heldin des Abends war ihre langjährige Nationalteamkollegin Torhüterin Nadine Angerer, die zwei Elfmeter parierte. Fußballdeutschland ist also Europameisterin.

In den Kinderfußballschuhen

Dabei steht am Beginn des deutschen Frauenfußballs 1955 zunächst dessen eindeutiges Verbot: „Im Kampf um den Ball verschwindet die weibliche Anmut, Körper und Seele erleiden unweigerlich Schaden und das Zurschaustellen des Körpers verletzen Schicklichkeit und Anstand“, diagnostizieren DFB-Herren fachmedizinisch und mit zeitgenössischem Ästhetikempfinden.  Egal, denn auch so sind manche Mädels nicht vom runden Leder zu trennen. Also wird gespielt, erst heimlich (in den 50ern),  dann schon mutiger (in den 60ern) und schließlich organisiert. Im Sommer 1970 geht die erste Frauenfußball-Weltmeisterschaft von statten, ironischerweise gesponsert vom Getränkehersteller Martini & Rossi. Prost und soll er lang leben, der Frauenfußball!

Davor hatte Frankreich im März 1970 erstmals das Spielverbot für Damen aufgehoben, der DFB zieht im Oktober 1970 gleich. In Österreich wird die erste Frauenbundesligasaison 1972 angepfiffen.  Das Mutterland des modernen (Männer-)Fußballs ist übrigens ebenfalls erst 1971/1972 an der Reihe.

25 Jahre später, als erstmals Jubiläum gefeiert wird, prognostiziert FIFA-Vorsitzender Sepp Blatter übrigens salbungsvoll:„Die Zukunft des Fußballs ist weiblich“. Und irgendwie stimmt das auch: Klar ist, dass der Frauenfußball deutlich unpopulärer ist als sein männliches Pendant. Jedoch gibt es keinen Mannschaftssport, der weltweit so schnell wächst. Über 30 Millionen Mädchen und Frauen stehen inzwischen regelmäßig in Trikots auf dem grünen Rasen.

Im Sommer 2011 erleben die kickenden Frauen erstmals eine neue Weltöffentlichkeit. Birgit Prinz und Co. kämpfen in ihrem Heimatland bei der Weltmeisterschaft um den Titel und die Anerkennung des Fußballs (auch) als Frauensport. Steffi Jones, 111-fache deutsche Teamspielerin und Präsidentin des Organisationskomitees für die Frauenfußball-WM 2011, gibt das Ziel vor: Den Frauenfußball wirtschaftlich zumindest minimal anzuheben. „Wir wollen dahin kommen, dass die Spielerinnen von ihrem Sport leben können.“, sagt die ehemalige Innenverteidigerin damals. Sie selbst konnte das erst, als sie in der amerikanischen Profiliga kickte.

Klischee olé

Marcel Hirscher und Lindsey Vonn stürzen auf zwei Brettern schneebedeckte Hänge hinab um als Schnellste(r) im Ziel zu sein. Da sie ihren Beruf sehr erfolgreich ausüben, sind beide auch öfters fotografiert in oder auf Zeitschriften anzutreffen: Doch während Hirscher wie ein erfolgreicher Krieger entweder seine Ski oder seine eroberten Kristallkugeln in die Luft streckt, posiert das US-Girl  in Unterwäsche im Schnee oder räkelt sich lasziv auf Sauna (?)-Holzbänken. Hoch leben die Rollenbilder und das alles im Zeichen der Fortpflanzung. Sex sells und genau das ist vielleicht das Problem des Frauenfußballs.

„Tolle Leistung, sehr sympathisch, aber leider reicht das nicht.“, denken wohl viele potentielle Werbekunden und Sponsoren beim Anblick so mancher Topspielerin. Dem „kernigen“, burschikosen Typ entsprechen einige der weltbesten Spielerinnen, wobei es auch eine Reihe Gegenausnahmen gibt.  Fatmire Bajramaj, Kim Kulig und Alexandra Popp gehören zur „Styling-Ecke“ in der deutschen Nationalmannschaft. Frisch zurechtgemacht und geschminkt betreten diese Mädels das Spielfeld um ihrem Broterwerb nachzugehen, dem „klassischen Ideal“ einer Frau entsprechend finden sie auch vermehrt anklang in der Werbung und Vermarktung ihres Sports. So ließen sich Teile der deutschen Fußballfrauen 2011 für den Playboy abbilden.

Erstaunt ergreift auch so mancher das Mannschaftsfoto des US-amerikanischen Frauenfußballnationalteams. Hier entspricht keine Spielerin so wirklich dem Vorurteil des „verpatzten Buben“. Ist der Ballsport in Amerika doch schon seit Ewigkeiten eine echte „Weibersache“. Die Antwort dafür liegt auf der Hand: American Football, Baseball oder Eishockey, die Nationalsportarten der Amis sind traditionell ereignisreicher und auch härter als europäischer Fußball. Eine Frau wird nie so scharf werfen, so hochspringen oder so stark rempeln können wie ein Herr der Schöpfung. Kurzum in den traditionellen Ami-Sportarten sind Frauen aufgrund ihres Körperbaus ohnehin benachteiligt, im Fußball punktet aber nicht nur der, der die muskulösesten Waden hat. Technik, Übersicht oder Eleganz sind weniger Fragen vorgegebener biologischer Strukturen, als geschlechterübergreifend. Damenfußball ist also nicht schlechter als Herrenfußball sondern schlicht und einfach anders. In Amerika hat man das längst verstanden.  Viele Mädchen kicken in High-School-Teams und finanzieren sich so oft teure College-Aufenthalte. Die US-Damen sind FIFA-Ranglistenerste,  Doppelweltmeisterinnen und viermalige Olympiasiegerinnen. Kickende Mädchen sind in den USA also keine „Pseudo-Jungs“ sondern schlichtweg normale Sportlerinnen.

Alles „warme“ Schwestern?

Neben dem Vorurteil der „maskulinen“ Frauen gibt es noch das der „Kampflesbe“. Fußball und Homophobie gehören zusammen wie Kaiser Beckenbauer und Bayern München. Im Herrenfußball muss man ein „echter Mann“ sein, und zu einem strammen Kerl gehört eben auch, dass er Frauen begehrt. Die weltweit geouteten aktiven Profifußballer lassen sich an einer Hand abzählen,  weibliche Fußballspielerinnen hingegen haben es schon häufig getan. Wenigstens das können sie befreit tun, nachdem sie sowieso vielfach schon als „warm“ verschrien sind. Störend ist diese Intoleranz jedoch für jene spielenden Damen, die gerne einen Herren an ihrer Seite hätte und ständig vorverurteilt werden.

Freiwillige „Coming Outs“ gab es auch im Damenfußball erst um 2009. Heute haben sich die meisten Gemüter schon beruhigt: Ex-Innenverteidigerin Steffi Jones lebt offen mit einer Bankerin zusammen, Torhüterin Uschi Holl hat ebenso eine Frau an ihrer Seite und WM-Heldin Nadine Angerer überrascht gar mit dem unglaublichen Statement, das Geschlecht sei beim Verlieben zweitrangig. Die ehemalige deutsche Bundesligaspielerin Tanja Walther meinte, in ihren jeweiligen Vereinen seien bis zu 80 Prozent aller Spielerinnen lesbisch gewesen, offizielle Statistiken bestätigen dies nicht. Anzunehmen, dass der Prozentsatz homosexueller Frauen im Fußball höher ist als in der Gesamtgesellschaft, manchmal wird er mit 20 bis 40 Prozent angegeben. Die Essener Stürmerin Eva Siegfried glaubt, Frauen, die Frauen lieben, wählen bewusst den Weg in den Fußballverein. Dort können sie schließlich potentielle Partnerinnen finden.

Ein Blick über den großen Teich verrät: In Amerika ist wieder alles anders. Hope Solo, ihres Zeichens Nationaltorhüterin, ist mit einem ehemaligen American-Football-Spieler verheiratet, auch ihre ehemalige Kollegin Heather Mitts hat mit einem Footballer den Bund fürs Leben geschlossen. Marit Christensen (Norwegisches Nationalteam und Amazon Grimstad), Rachel Brown (Englisches Nationalteam und Everton Ladies), Emma Anne Byrne (Irisches Nationalteam und Arsenal Ladies) oder Semra Polatgil (Ex-Spielerin von TV Jahn Delmenhorst und heute mit Bremen-Profi Aaron Hunt verheiratet) repräsentieren unter anderem jenen Anteil, der in heterosexuellen Beziehungen lebt.

Radikales gibt der Wiener Sportsoziologe Otmar Weis von sich. Für ihn sind Frauen emotional „anfälliger“ als Männer und laufen deshalb Gefahr in Vereinen, wo mehr als die Hälfte der Spielerinnen lesbisch sind, „umgedreht“ zu werden. Solche Statements sind wohl übertrieben. Wo nichts ist, wird auch nie etwas sein.

„Frauen kommen langsam – aber gewaltig“

Egal mit wem sie nun Tisch und Bett teilen, Frauen kicken überall auf der Welt. Im Vergleich zum Herrenfußball ist die weibliche Version unbestritten langsamer und die Schussstärke zweifellos schwächer. Zumindest im technischen Bereich könnten Frauen mit den Herren gleichziehen, vielleicht hat die empfindsame Frau ja auch von Natur aus ein besseres Ballgefühl? Falsch! Noch stehen die Frauen den Männern auch in diesem Bereich nach, der zeitliche Vorsprung ist einfach nicht zu kompensieren. Fußball wird von Männern bereits seit Ewigkeiten gespielt, 1930 fand die erste WM statt. In der Zwischenzeit hat sich viel getan: Taktik, moderne Trainingsmethoden, Nachwuchsarbeit, Akademien, Breitenöffentlichkeit und so weiter. Entwicklungen, die der Frauenfußball noch vor sich hat. Der Pool aus dem die Teams ihre Spielerinnen schöpfen ist viel geringer als bei ihren männlichen Kollegen. Wo keine Masse, da keine Klasse.

Doch auch wenn noch viel zu tun ist, wird sich der Damenfußball trotz allen Hegens und Pflegens nie mit dem Herrenfußball messen können. Das ist auch nicht notwendig. Die obengenannten Wintersportler Hirscher und Vonn treten doch schließlich ebenfalls nicht gegeneinander an. Herren- und Damenfußball –  zwei verschiedene Sportarten, die beide ihren Reiz haben.

Entwicklungsland Österreich

In Österreich gibt im weiblichen Klubfußball ein Team seit langem den Ton an: Der SV Neulengbach hat von 2002/2003 bis heute die Meisterschaft gewonnen. Rekordmeister ist aber derzeit noch der Floridsdorfer Verein USC Landhaus (12 Titel). Neulengbach- und ÖFB-Teamstürmerin Nina Burger schießt gerne scharf, Gott sei Dank nicht in ihrem Zivilberuf, da ist sie nämlich Polizistin. Die 25-jährige ist bereits 6-fache Torschützenkönigin der ÖFB-Frauenliga. Burger gehört mit Laura Feiersinger wohl zu den bekanntesten Spielerinnen des aktuellen A-Teamkaders, dabei schnüren gleich vier Damen ihre Fußballschuhe für den prestigeträchtigen FC Bayern München. Bei den Herren gibt es da bislang nur einen.  Der Unterschied wird deutlich auf den Punkt gebracht, wenn Ex-Teamspielerin, die heute 33-jährige Nina Aigner, trotz zehnjähriger Tätigkeit für die Roten aus München, ihr Geld als kaufmännische Angestellte verdienen musste.

Internationale Erfolge in rot-weiß-rot gibt es bislang noch keine. Die ÖFB-Damen konnten bis jetzt noch keine Teilnahme an einer EM oder WM für sich verbuchen.

Same same but different

Bekanntheit erlangen Fußballerinnen weniger durch ihre sportlichen Triumphe. Fast jedem Youtube-User ist das Video bekannt auf dem Elizabeth Lambert, Verteidigerin im Team der Uni von New Mexico, Gegenspielerinnen vorsätzlich die Faust in den Rücken schlägt, sie an den Haaren zieht und mehrere rotwürdige Fouls an ihnen begeht. „Ich habe mich von meinen Emotionen hinreißen lassen.“, sagte die damals 20-Jährige.

Auch die schwedische  Stürmerin Josefine Öqvist wurde nicht dank ihrer bezaubernden Tore berühmt, vielmehr aufgrund der Tatsache, dass sie nach einem Spiel mit einem männlichen Fan einen Trikottausch vollzog und dabei ungefähr 10 Sekunden im Sport-BH zu sehen war. Ein Frauenschicksal – nicht nur im Sport.

Lasset euch Zeit!

Gut Ding braucht eben Weile und der Frauenfußball ist noch nicht mal in der Pubertät. Er braucht Zeit, sich zu entfalten, Zeit, die Etappen zu durchlaufen, die den Herrenfußball zu einem modernen und beliebten Sport gemacht haben. Eines ist aber klar: Der Frauenfußball wird immer „weiblich“ sein, es wird nie so hart und schnell zugehen wie bei den Herren. Eines Tages kann er aber ebenso elegant, taktisch durchdacht und schön anzusehen sein. Und keine Sorge: „Finessen“ wie Schwalben, Verbalduelle (Zickenstress!) und provokante Jubelszenen (mit oder ohne Trikot) gibt es jetzt schon bei den Frauen.  Abwarten und Tee trinken.  Irgendwann werden die Kickerinnen einen eigenen Stil entwickeln und so den Männersport nicht „nachahmen“, dann wird der Frauenfußball als eigener Sport hoffentlich auch endlich akzeptiert. Wem es nicht gefällt, der braucht es sich nicht anzuschauen.

Mädchen, die spielen wollen, sollen spielen können ohne sich blöde Kommentare anzuhören. Schluss mit den Sprüchen von „Mannweibern“ und „Lesben mit Schienbeinschonern“. Also Mädels (und Jungs) raus an die frische Luft und ran ans Spielgerät! Vielleicht bringt es ja nicht nur kräftige Wadl‘n, schließlich stellte der französische Schriftsteller und Philosoph Albert Camus fest: „Alles, was ich über Moral und Verpflichtungen weiß, verdanke ich dem Fußball.“

Gemeinschaft, Bewegung, frische Luft, bestens geeignet für jedes Kind. Und keine Sorge für rosarote Prinzessinnen, die sich entweder nicht schmutzig machen dürfen oder wollen, gibt’s auch etwas: Sowohl Ex-Spielerin Birgit Prinz als auch die deutsche Nationaltrainerin Silvia Neid kann man seit wenigen Jahren als Barbiepuppe kaufen.

Damals hätte ich mich darüber sicher auch gefreut. Nun ja, egal was mädchen tun will, es hat jetzt jedenfalls die freie Wahl.

Marie Samstag, abseits.at

Marie Samstag

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