Wer die Stammersdorfer Straße 244 -260 entlang fährt, muss auf sein Tempo achten. Kurz vor dem Eingang zum Friedhof, vorbei an zahlreichen Blumengeschäften und... Anekdote zum Sonntag (32) – Rudi, Rudi gib Acht!

Steiermark Landeswappen_abseits.atWer die Stammersdorfer Straße 244 -260 entlang fährt, muss auf sein Tempo achten. Kurz vor dem Eingang zum Friedhof, vorbei an zahlreichen Blumengeschäften und dem obligaten Wirtshaus für den Leichenschmaus, befindet sich eine langgestreckte 30er-Zone um möglichen Unfällen mit Begräbnisteilnehmern entgegenzuwirken. Hier ist der Ort der letzen Ruhe. Eine von den rund 23.000 Grabstellen gehört einem Fußballer, um den es noch zu Lebzeiten leider sehr ruhig geworden ist: Rudi Hiden. Der gebürtige Grazer starb 1973 völlig verarmt und vergessen an Krebs. Sein Grab ist schlicht und lange nicht so glamourös wie sein Leben, das ihn über den Grazer Sportplatz bis in die englischen Stadien und das Pariser Nachtleben geführt hat. Der Wunderteamtormann hatte ein bewegtes Leben hinter sich.

Zunächst backte er kleine Brötchen: 1909 in eine Grazer Bäckersfamilie hineingeboren, entdeckte Rudi sein wahres Talent auf dem Fußballplatz. Anfangs stürmte er für den Grazer AK bis er zufällig seine Bestimmung zwischen den Pfosten fand und zum Keeper umgeschult wurde. Gut für ihn, denn Hiden war der Prototyp des späteren Fußballers: „Seine Spezialität: unhaltbar erscheinende Flachschüsse. Wenn es galt, blitzschnell in die Ecke zu tauchen, war Rudi in seinem Element.“, erzählte ein Journalist. Hiden konnte springen und tauchen wie Sepp Maier, seine Auswürfe und Ausschüsse waren präzise wie die von Pepe Reina und er war eitel und dandyhaft wie Cristiano Ronaldo. Selbst als Ehemann führte der schöne Hiden vielmehr das Leben eines Junggesellen und war Ende der Zwanzigerjahre einer der populärsten Österreicher.

Seit seinem 16. Lebensjahr hütete Hiden das Tor der Grazer Einsermannschaft und machte mit seinen Paraden rasch auf sich aufmerksam. Es dauerte kaum zwei Jahre da buhlten einige Hauptstadtklubs um den jungen Elfmeterkiller. Rudi und seine Mutter, beide naiv und auf diesen Rummel nicht vorbereitet, überlegten nicht lange: Luise Hiden unterschrieb den ersten Vertrag, der ihr für ihren minderjährigen Buben unter die Nase gehalten wurde: So landete Rudi beim Wiener Athletik Club. Im Herbst 1927 machte sich der spätere Wunderteamtorwart nach Wien auf. Locker und lässig legte er die Strecke mit einem Freund auf dem Motorrad zurück. In Lederkluft und mit dreckigen Stiefeln betrat er mitten in der Hochblüte der Wiener Kaffeehauskultur eines der nobelsten Exemplare seiner Art: Das Ring-Café. Dort, wo dreieinhalb Jahre später Hugo Meisl persönlich die Wunderteamaufstellung vor versammelter Journaille auf ein Blatt Papier fetzen sollte und es keinen Zweifel gab, wer im Tor gesetzt war, platzte jetzt ein verschwitzter, junger Bursche in seine eigene Vorstellung als Athletik-Neuzugang herein. Die gesamte Wiener Fußballszene war in festlichen Rahmen versammelt und Hiden wirkte wie ein Skifahrer im Freibad. WAC-Manager Max Seemann nahm den Grazer zur Seite und meinte leise: „Rudi, in dem Aufzug kannst doch nicht ins Ring-Café kommen.“ Sämtliche arrivierte Fußballfunktionäre und die Presse machten betretene Gesichter. Hugo Meisl, der kleine, große Fußballmacher, in Melone und Dreiteiler, empörte sich, dass der Schlussmann beim Hereinkommen die versammelten Herrschaften nicht einmal gegrüßt hätte: „Ist es in Graz nicht üblich zu grüßen?“ Keck erwiderte Hiden: „Doch, bei uns in Graz grüßt man auch wenn man ins Kaffeehaus kommt, aber nur Leute, die man kennt.“ So wenig Respekt war die Wiener Fußball-Prominenz nicht gewohnt, Rudis Leistungen auf dem Feld aber auch nicht. Bis 1933 beglückte Hiden die österreichische Fußballwelt mit seinen spektakulären Aktionen, dann machten sein Leben und seine Karriere einen Knick nach unten. Leider für immer.

Marie Samstag, abseits.at

Marie Samstag

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