An einem Weihnachtsabend, zu einer Zeit als viele Familien bescherten, saß Ernst Happel mit Kurier-Journalist Wolfgang Winheim im Kaffeehaus und gab ein Interview. Der... Anekdote zum Sonntag (53) – Ernst sein ist alles (Teil III)

Ernst Happel_abseits.atAn einem Weihnachtsabend, zu einer Zeit als viele Familien bescherten, saß Ernst Happel mit Kurier-Journalist Wolfgang Winheim im Kaffeehaus und gab ein Interview. Der als Grantler verschriene Trainer-Superstar vertraute nur wenigen Schreiberlingen und wenn er einmal in Plauderlaune hieß es für die Reporter: Ohren spitzen und Zeit vergessen.

An diesem 24. Dezember erzählte der 1925 geborene Wiener jedoch auch viel Persönliches, so vertraute er Winheim an, dass er an Lungenkrebs erkrankt sei. Er werde das aber schon irgendwie hinbekommen, erklärte der Ex-HSV-Coach ganz selbstbewusst. Seine Krankheit nahm der Kettenraucher nicht wirklich ernst, wenn sie ihm auch Angst einjagte. Nichts konnte ihn von der Arbeit abhalten: Mit dem FC Tirol errang er zwei Meistertitel und den Cup-Pokal. Doch wurde sein Körper immer schwächer. Als er 1992 Teamchef wurde, war er schon schwer gezeichnet. Selbst Herbert Prohaska waren die Hustenanfälle, die den Grantler bisweilen durchschüttelten, unangenehm. Hörte „Schneckerl“, wie Happel quälend in seinem Büro im Praterstadion nach Luft schnappte, betete er jedes Mal zu Gott, dass er keinen toten Trainer an seinem Schreibtisch vorfinden würde. Aus dem stattlichen Mann mit dunkler Stimme und buschigen Augenbrauen war ein kahlköpfiges Krispindl geworden. Trotzdem widmete er sich mit vollem Einsatz seiner Aufgabe, dazu gehörte auch der regelmäßige Besuch von Bundesligaspielen um aussichtsreiche Kandidaten für das A-Team zu beobachten.

Eines Nachmittags fand er sich im Hanappi-Stadion ein um einem Rapidspiel beizuwohnen. Die lebende Legende drehte eine Runde in den Katakomben, wo er überall herzlich empfangen wurde. Schließlich spielte der geniale Verteidiger seit seiner Kindheit für die Grün-Weißen und war ob seiner Reputation als Trainergott ringsum beliebt. Andy Marek, heute als „Rapid-Stimme“ jedem Anhänger der Wiener bestens bekannt, erlebte damals seine erst zweite Saison als Stadionsprecher der Hütteldorfer. Die Ränge füllten sich immer mehr und Marek musste hurtig zusehen, dass er aufs Feld kam. Er verließ sein Sprecherkammerl nahe des VIP-Bereichs, drehte sich rasch um und wollte Richtung Ausgang laufen, doch er kam nicht weit: Als er pfeilschnell um die Ecke bog, lief er mitten in den dort stehenden Happel hinein. Er rannte den nur mehr aus Haut und Knochen bestehenden Trainer direkt über den Haufen. Der Zwischenfall war peinlich, doch als Marek bemerkte, wen er da zu Fall gebracht hatte, wurde ihm die Situation unangenehm zum Quadrat. Schließlich verehrte er den genialen Taktiker wie kaum eine andere Hütteldorfer Legende, außerdem wusste er wie schlecht es um Happels Gesundheit bestellt war. Doch seinen Humor hatte „Aschyl“ nicht verloren. Kaum war er mit Mareks Hilfe wieder auf die eigenen Beine gekommen, winkte er dessen gestammelter Entschuldigung nur ab und erwiderte mit einem Lächeln: „Gö Burli, jetzt host glaubt, du bist in an Fösn glaufn!“ Der zittrige Marek war erleichtert, dass Happel ihm nicht böse war, dennoch verließ er hurtig die Szenerie. Erst Jahre später konnte er über den Zwischenfall schmunzeln und je mehr Zeit verging desto mehr Respekt hatte er vor dem 66-jährigen, der trotz seiner angeschlagenen Gesundheit, bis zum Schluss einen Schmäh auf den Lippen hatte.

Marie Samstag, abseits.at

Marie Samstag

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