Auf dem rechten Auge blind!?
Gesellschaft & Ethik 7.Juli.2017 Ral 0
Energie Cottbus hat ein Problem mit rechtsradikalen Fans. Das Sportgericht des Nord- und Ostdeutschen Fußballverbands bestraft dabei aber auch gern mal Anhänger, die Widerstand gegen den braunen Schmutz leisten.
Auf dem Weg zum Cottbusser „Stadion der Freundschaft“ (sic!) wurden die Fans von SV Babelsberg 03 mit Parolen an den Wänden empfangen, die u.a. „Juden 03“, „Energie den Deutschen“ oder „Nazihools Energie“ buchstabierten. Sie selbst gehören traditionell dem linken Lager an. Welches Geisteskind in der Kurve von Energie Cottbus vorherrscht, muss wohl nicht explizit erläutert werden. Besonders berüchtigt sind dabei die Gruppierungen „Inferno“ sowie deren Nachwuchsorganisation „Unbequeme Jugend“. „Inferno“ hat sich mittlerweile aufgelöst, die Mitglieder sind aber weiterhin aktiv. Abgespielt hat sich dieses Szenario im November 2016 vor dem Hinspiel in der Regionalliga Nordost zwischen Energie Cottbus und Babelsberg.
Laut dem regionalen Fernsehsender RBB und der Tageszeitung Potsdamer Nachrichten herrscht im Stadion der Freundschaft unter den Fans ein „Klima der Angst“ – aufgrund des Stadionnamens eine fast zynische Aussage. Der Innenminister des Bundeslandes Brandenburg, Karl-Heinz Schröter, stellt dabei vor allem den Verein an den Pranger. Immer wieder habe die Politik auf die Problematik hingewiesen, seien Polizei und Verfassungsschutz vorstellig geworden. Passiert ist nach Aussage Schröters jedoch: nichts – „Wenn der Verein das nicht umsetzt, muss man sich auch nicht wundern, wenn aus einem kleinen Krebsgeschwür eine große Wucherung entsteht.“ Kritik, die sich vor allem gegen Ex-Präsident Wolfgang Neubert richtet, der die Problematik vornehmlich auf die Sicherheitskräfte abwälzte. Mittlerweile arbeitet der Verein an einem konkreten Maßnahmenkatalog, um der Problematik Herr zu werden. An dem Willen des Vereins sollen keinerlei Zweifel aufkommen.
Eine längst überfällige Entwicklung, die wohl vor allem durch die Geschehnisse im Rückspiel zwischen Babelsberg und Cottbus Ende April angeschoben wurde. Im Block der Cottbusser war dabei mehrfach der Hitlergruß zu sehen und Parolen wie „Arbeit macht frei, Babelsberg 03“ wurden skandiert. Höhepunkt des abscheulichen Spektakels war ein Platzsturm einer Gruppe von Energie-Fans; darunter Rechtsextreme, die in Cottbus Stadionverbot haben. Die Sicherheitskräfte konnten dabei verhindern, dass auch die Babelsberger auf den Platz gelangten. Ihrerseits reagierten die Babelsberger damit, dass sie Leuchtraketen in den Block der Cottbusser schossen.
Letzte Woche fällte das Sportgericht des nordostdeutschen Verbandes nun sein Urteil. Der SV Babelsberg muss 7000 Euro, Energie Cottbus 16.000 Euro Strafe zahlen – wobei in die Cottbusser Sanktionierung noch Verfehlungen aus vorherigen Spielen mit einfließen. Energie muss zudem ein Heimspiel vor leerer Kulisse austragen; dem SVB droht das gleiche, falls die Fans bis zum 31. Dezember in Sachen Pyrotechnik nochmals auffällig werden.
Ein Urteil, welches vor allem die Babelsberger fassungslos zurücklässt; zumal die verfassungswidrigen Straftaten der Cottbusser Hools im Urteilspruch keinerlei Erwähnung finden. Im Gegenteil: in dem Bericht wird explizit erwähnt, dass „eine Person mit rotem Punkerhaarschnitt“ aus dem Block der Babelsberger in Richtung der Cottbusser Kurve „Nazischweine“ gerufen haben soll. Offensichtlich wird also die Courage, den braunen Abschaum als das zu benennen, was er nun mal ist, sogar noch sanktioniert. Dies als kompletten Irrsinn zu bezeichnen, ist wohl noch untertrieben.
Auch die Höhe des jeweiligen finanziellen Strafmaßes schießt laut der Aussage von Experten vollkommen über das Ziel hinaus. So äußert sich etwa der Potsdamer Soziologe und Experte im Wissenschaftsrat der Deutschen Fußballliga, Andreas Klose in den Potsdamer Nachrichten folgendermaßen: „Ich bin über die Höhe des Urteils und über Teile der Urteilsbegründung für einen Regionalligisten mehr als überrascht. Die Strafbemessung erinnert eher an Urteile für ähnliche Vergehen aus der ersten Bundesliga oder zweiten Bundesliga mit völlig anderen ökonomischen und professionellen Voraussetzungen der Vereine“, sagt Klose. Daher befindet SVB-Chef Achibald Horlitz, dass es bei ungleichen Voraussetzungen zwischen einen Erst- und Viertligisten nicht die gleichen Strafen geben kann.
Für einen Verein wie Cottbus bedeutet ein Betrag von 16.000 Euro einen empfindlichen Einschnitt in das Budget. Somit fehlen finanzielle Mittel, um beispielsweise Fanprojekte zur Prävention durchzuführen. Oder anders gesagt: um den eingeschlagenen Weg in aller Konsequenz weiter zu beschreiten, gegen Rechtsextremismus im eigenen Lager vorzugehen.
Ral, abseits.at
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