Jeden Sonntag wollen wir an dieser Stelle Briefe aus aktuellem Anlass versenden. Mit Gruß und Kuss direkt aus der Redaktion – Zeilen zum Schmunzeln,... Briefe an die Fußballwelt (44): Liebe Eintracht-Fans!

Jeden Sonntag wollen wir an dieser Stelle Briefe aus aktuellem Anlass versenden. Mit Gruß und Kuss direkt aus der Redaktion – Zeilen zum Schmunzeln, Schnäuzen und Nachdenken an Fußballprotagonisten aus allen Ligen. Diesen Sonntag schicken wir unseren Brief an Fußballfans aus Hessen …

Liebe Eintracht-Fans!

Kürzlich war ich mit meiner Freundin M. Dim Sum essen. Wir haben über meine letzten Reportagen gesprochen und ich erzählte von meinem Besuch bei Dynama Donau. Wir diskutierten im Zuge dessen darüber, ob man gewisse linksoriginäre Positionen ablehnen könne, ohne schief angeschaut zu werden. M. meinte, es sei einfach richtig sich klar gegen Rassismus, Sexismus oder Homophobie zu positionieren. Da gäbe es keine andere Meinung, die tolerierbar sei. Ich war etwas skeptischer: Mein Leitmotiv ist, dass die Freiheit des Einzelnen dort endet, wo die Freiheit des anderen beginnt. Toleranz ist selbstverständlich. Fraglich ist aber, ob solche Positionen als links, christlich oder humanistisch zu bezeichnen und per se „richtig“ sind. Was ist schon richtig?

Diesen Donnerstag hat eine signifikante Menge von euch jedenfalls gezeigt, dass man sich als postfaschistisches Land gegen jegliches Wiederaufleben von nazistischer Ideologie wehren muss. Liebe Eintracht-Fans, ihr hattet es sportlich nicht immer leicht: Viele Jahre wechselten sich für eure Adler erste und zweite Liga im Saisontakt ab. Ihr wart der Fahrstuhl Fußballdeutschlands. Doch seit 2016 läuft es mehr als rund: Ihr entwickelt zukünftige Real-Madrid-Profis, spielt oben mit und habt 2018 Bayern München den Pokal weggeschnappt. Ein Jahr später konnte euch erst Chelsea im Semifinale der Europa League stoppen. Umso wichtiger ist es, Werte abseits des Platzes nicht zu vergessen.

Eure lautstarken „Nazis raus!“‑Sprechchöre nachdem jemand mit einem (geschmacklosen) „Gebt Gas!“ die Schweigeminute für den Terroranschlag von Hanau störte, waren bemerkenswert. Vor zwei Jahren ist euer Präsident mit gutem Beispiel vorangegangen, als er gemeint hat, wer Mitglied bei Eintracht werde, könne kein Wähler der AFD sein. Die Werte des Vereins seien mit jenen dieser Partei nicht vereinbar, denn die Adler positionieren sich gegen Diskriminierung, Rassismus und Antisemitismus. Das waren glasklare Worte von Peter Fischer. In Interviews bezog er anschließend wieder klar Stellung und wusste – besser als ich – zu resümieren: Ein Sportverein – gleich welcher Liga – müsse auch ausgrenzen und sich dadurch von menschenfeindlichen Einstellungen abgrenzen. Die Anti-Rassismuskampagnen der Bundesliga seien weniger wirkungslos als solche eindeutigen Statements. Man sieht also: Eure Haltung kommt nicht von ungefähr. Gesellschaftliche Verantwortung, die im Fußballzirkus zum Großteil nicht mehr gelebt wird, wird nur durch Taten transportiert. Danke dafür!

Der donnerstägige Fußballabend endet für euch perfekt: Eure Mannschaft gewann 4:1 gegen Salzburg. Was für ein Abend – und damit ist gleichermaßen die Performance eurer Mannschaft als auch eure Zivilcourage gemeint.

Viel Erfolg und viele weitere Aktionen dieser Art wünscht

Marie Samstag, abseits.at

Marie Samstag

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