Jeden Sonntag wollen wir an dieser Stelle Briefe aus aktuellem Anlass versenden. Mit Gruß und Kuss direkt aus der Redaktion – Zeilen zum Schmunzeln,... Briefe an die Fußballwelt (73): Lieber Gary Lineker!

Jeden Sonntag wollen wir an dieser Stelle Briefe aus aktuellem Anlass versenden. Mit Gruß und Kuss direkt aus der Redaktion – Zeilen zum Schmunzeln, Schnäuzen und Nachdenken an Fußballprotagonisten aus allen Ligen. Diesen Sonntag schicken wir unseren Brief an einen englischen Ex-Stürmer…

Lieber Gary Lineker!

Fußballstars haben nicht unbedingt den besten Ruf. Klar, es handelt sich schließlich um junge Männer, die plötzlich einen Haufen Geld verdienen und sich in einem Umfeld bewegen, in dem man sich gut über materielle Dinge definieren kann: Teure Autos, teure Häuser, schöne Urlaube, luxuriöse Kleidung. Dank der sozialen Medien verfolgt die Öffentlichkeit die handgenähten Badeschlapfen und den gecharterten Privatflieger mittlerweile rund um die Uhr und muss nicht mehr auf ein Paparazzi-Bild oder – ganz früher – ein Pressefoto, wie jenes von Günther Netzer mit seinem Ferrari, in der Illustrierten warten. Ab und an bewegen sich die Kicker auf Wohltätigkeitsveranstaltungen und werben für gute Zwecke. Selten kommt es vor, dass sie sich jedoch so persönlich engagieren, wie du es zuletzt angekündigt hast – nämlich bis in jene teuren Gemächer, die sie der Öffentlichkeit sonst nur auf Instagram zugänglich machen.

Lieber Gary, du hast für Leicester City, Everton, Barcelona, die Spurs und Nagoya Tore geschossen, bist einer der bekanntesten englischen Stürmer der jüngeren Geschichte, jetzt aber hast du es mit erstaunlichen Aussagen in die Presse geschafft: Du meintest, du würdest gerne einen Flüchtling bei dir aufnehmen. „Wenn ich hier zumindest temporär aushelfen kann, mache ich das sehr gerne. Wieso auch nicht?“, sollst du gesagt haben. Schließlich sind deine Kinder alle ausgezogen und als Vater von vier Söhnen hast du genügend Erfahrung im Umgang mit jungen Männern. Nach deinen Motiven befragt, hast du Folgendes zu Protokoll gegeben: „Es waren diese Bilder von Familien, die sich in Boote Richtung Griechenland setzen und sterben müssen, die mich unwahrscheinlich traurig gemacht haben. Es kam mir so komisch vor, wie wir uns mit Titelseiten und einer Anti-Flüchtlings-Propaganda gegen sie stellten, wo wir uns eigentlich mal in ihre Situation versetzen sollten.“

Lieber Gary, das ist ein wichtiges Statement. Man ist eben als „Armer“ nicht automatisch ehrlich und als „Reicher“ nicht zwangsläufig sozial-ignorant. Sicher, wirkt es manchmal als würden Prominente oder Wohlhabende den Bezug zur Realität verlieren. Aber was ist schon Realität? Das Leben und seine Umstände sind relativ und auch wir „Normalos“ wissen unser Glück meist erst dann zu schätzen, wenn es zu spät ist. Du hast bewiesen, dass man auch als Begüterter „wahre“ Werte erkennen und ihnen nachkommen kann. Ich hoffe, dass du deinen Worten auch Taten folgen lassen wirst, um die Zweifler verstummen zu lassen. Es gewinnen am Ende nämlich nicht immer die Deutschen – um ein berühmtes Zitat von dir abzuwandeln. Lieber Gary, dieses Match wirst dann du gewinnen!

Glückwunsch und danke!

Marie Samstag, abseits.at

Marie Samstag