Jeden Sonntag wollen wir an dieser Stelle Briefe aus aktuellem Anlass versenden. Mit Gruß und Kuss direkt aus der Redaktion – Zeilen zum Schmunzeln,... Briefe an die Fußballwelt (78) – Lieber Didi Constantini!

Jeden Sonntag wollen wir an dieser Stelle Briefe aus aktuellem Anlass versenden. Mit Gruß und Kuss direkt aus der Redaktion – Zeilen zum Schmunzeln, Schnäuzen und Nachdenken an Fußballprotagonisten aus allen Ligen. Diesen Sonntag schicken wir unseren Brief an einen ehemaligen ÖFB-Teamchef …

Lieber Didi Constantini!

Letzte Woche wurde in dieser Kolumne Bezug auf Ernst Happel genommen und auch an diesem Sonntag ist der „Wödmasta“ Nebenperson dieses Briefes: So wie Felix Magath hast auch du von Happel gelernt. Du warst ein knappes Jahr lang Assistent des als Grantler verschrienen Coaches und hast dem damals schon schwerkranken Chef jene Arbeit abgenommen, die er nicht mehr zu verrichten im Stande war. Jetzt bist du selbst auf Hilfe angewiesen: Vor einem Jahr hat deine Familie bekanntgegeben, dass du an Demenz leidest. Vor wenigen Tagen hat deine Tochter ein Buch veröffentlicht, das klar machen soll, dass man mit diesem Stigma nicht nur leben muss, sondern auch kann. Viele Betroffene geraten in eine Abwärtsspirale, denn mit dem selbstgewählten Rückzug baut man körperlich und geistig ab. „Das Wichtigste ist, möglichst normal weiterzuleben und soziale Kontakte zu pflegen. Das tut Papa so gut. Die Menschen sind sich bewusst, Sachen nicht mehr „richtig zu machen“.“, sagt Johanna Constantini, die „Abseits: Aus der Sicht einer Tochter“ geschrieben hat. 

Lieber Didi, ich war von dir als Trainer nie wirklich überzeugt. Klar, du bist unbestritten ein g‘scheiter Bursch mit Fußballsachverstand, aber deine Entscheidungen als Teamchef empfand ich oft als fragwürdig. Das Versprechen, als Quasi-Kronprinz von Happel, hast du nicht erfüllen können, auch wenn du als ÖFB-Trainer vielen damaligen Jungstars eine internationale Karriere (mit)geebnet hast. Als „Springer“ und „Feuerwehrmann“ warst du immer nur kurzfristig erfolgreich. Seit deinem Rücktritt 2011 wurde es still um dich und die plötzliche Nachricht von deiner Erkrankung hat mich sehr getroffen. Ich hatte den Eindruck, dass du auf dich geachtet hast – geistig, körperlich, seelisch – , trotzdem hat es dich am Ende „erwischt“. So wie deine Tochter sagt: „Am Beispiel meines Papas sieht man, dass es jeden treffen kann.“ Krankheit gehört zum Leben, ist ein Teil davon. 

Lieber Didi, es ist gut, dass du eine Person der Öffentlichkeit bist, so erhält dieses Buch mehr Aufmerksamkeit, als wenn es ein unbekannter Angehöriger geschrieben hätte. Das sieht auch deine Tochter so und räumt Bedenken Übelmeinender aus dem Weg: „Mir wäre auch lieber, wenn mein Vater nicht krank wäre.“ Dein Schicksal und die Art und Weise wie deine Familie damit umgeht, soll Mut machen. Mut, den du, den ihr als Familie schon bewiesen habt, indem ihr eure Geschichte frank und frei erzählt. Das ist begrüßenswert und leistet einen Beitrag zu unserer Gesellschaft, die kein Fußballtrainer dieser Welt mit seinem Broterwerb verbringen mag.

Alles Gute dir und deiner Familie wünscht

Marie Samstag, abseits.at

Marie Samstag