Der Fußball und seine Schattenseiten (3) – Tony Adams
Gesellschaft & Ethik 26.September.2012 Ral 3
In dieser dreiteiligen Serie sollen die dunklen Seiten des Fußballgeschäfts betrachtet werden. Dazu gehören Homophobie und der Umgang mit Menschen, die einfach anders sein wollen oder psychisch an dem Geschäft zerbrechen. Zum Abschluss die Geschichte von Tony Adams und seinem Kampf gegen den Alkohol.
Oh, Alkohol du böser Geist… – Tony Adams
Heutzutage scheint es undenkbar, dass ein Profi bei all den Anforderungen des modernen Fußballs, es schafft, den Großteil seiner Karriere als Alkoholiker zu absolvieren. Für Arsenal-Legende Tony Adams war dieser Tanz auf der Rasierklinge in den 80ern und 90ern Alltag.
Angefangen hat alles mit 17 Jahren: „Mir schmeckte das Zeug zwar nicht, aber mir gefiel sehr, was es mit mir anstellte. Ich wurde locker und selbstbewusst. Im englischen Fußball der Achtziger war das gemeinsame Trinken nach dem Spiel ein Sakrament, ganz so wie das gemeinsame Abendmahl in der Kirche. Wer nicht mitzog, blieb Außenseiter. Ich zog mit. Aber das soll kein Alibi sein. Denn ich zog ja gerne mit.“
Bei dem im britischen Fußball allgegenwärtigen Alkohol, ist es kein Wunder, dass weder Mitspieler, noch der damalige Arsenal-Coach George Graham argwöhnisch gegenüber dem Trinkverhalten des Abwehrrecken werden. Dazu Adams: „Das aktive Trinken am Tresen, inmitten einer gutgelaunten Runde, galt damals paradoxerweise als Zeichen von Lebenskraft. Je mehr einer vertragen konnte, desto mehr war er ein echter Kerl. Das Trinken selbst musste ich also nicht verbergen, aber die fatalen Folgen.“ Nur Adams` Frau erkennt die Gefahr – ihre Warnungen nimmt er jedoch nicht ernst.
Eine typische Woche sieht für Adams zu dieser Zeit so aus: Von Sonntag bis Mittwoch besäuft er sich durchgehend, während er bis zum nächsten Samstag mehr oder weniger ausnüchtert. An diesen Zyklus hält der heute 45-Jährige sich aber nicht immer, denn auch einige Pflichtspiele bestreitet Adams betrunken: „Ich sah den Ball, die Mitspieler und meine eigenen Füße doppelt und machte spielentscheidende Fehler. George Graham hätte mich sofort vom Platz nehmen müssen. Dennoch bin ich froh, dass er es nicht tat. Ich hätte mich wahrscheinlich totgesoffen.“
Trotzdem bestritt Adams über 500 Ligaspiele und gewann mit Arsenal viermal die Meisterschaft, dreimal den FA-Cup und einmal den Europapokal der Pokalsieger. Eine schier unfassbare Leistung, zieht mit man seine Lebensumstände in Betracht.
Weniger beeindruckend ist seine Bilanz außerhalb des Platzes. Mehrfach wird Adams von der Polizei betrunken hinterm Steuer erwischt; dafür sitzt er sogar drei Monate im Gefängnis. Auch einige Discoschlägereien kommen zu seinem Portfolio hinzu.
Obwohl Adams mittlerweile weiß, dass er sich mit diesem Trinkverhalten sein eigenes Grab schaufelt, kommt er nicht von der Flasche los, vielmehr steckte er in einem Teufelskreis fest: „Ich hatte Angst vor dem Tod, dem physischen und dem sozialen – meine Familie litt schließlich extrem darunter, dass ich ein Trinker war. Und diese Angst betäubte ich wiederum mit Alkohol.“
Den Wendepunkt in seinem Leben markierte ein, auch wörtlich gesehen, tiefer Fall. Vollkommen betrunken stürzt Adams eine Hoteltreppe hinunter. Er hat Glück, dass er sich nur eine Platzwunde am Kopf zuzieht, die mit 23 Stichen genäht werden muss. Nach diesem Erlebnis beschließt Adams, dem Alkohol endgültig abzuschwören.
Fast gleichzeitig übernimmt 1996 Arsene Wenger den FC Arsenal. Ein weiterer Wendepunkt zum Guten für Adams: „Ich wurde erst durch ihn zum Profi, im Alter von 30 Jahren. Die 13 Jahre zuvor waren reine Anarchie und Selbstzerstörung. Nur durch meine überdurchschnittliche Physis war ich überhaupt imstande, trotz meiner Alkoholsucht Sport zu treiben. Wenger hat mir beigebracht, wie ich meinen Körper pflege, ihn systematisch fordere und schone. So hat er mir noch sechs Jahre geschenkt, in denen ich an mein absolutes Limit gehen konnte – mit dem Double 2002 als krönendem Abschluss. Dafür bin ich ihm sehr dankbar.“
Mittlerweile ist Tony Adams seit 16 Jahren trocken und versucht sich als Trainer. Sein Hauptsteckenpferd ist jedoch seine Stiftung „Sporting Chance Charity“ und die dazugehörige Klinik, in der suchtkranken Athleten geholfen wird. Prominente Gäste hatte er mit Paul Gascoigne und Adrian Mutu bereits. Adams hat eine zweite Chance bekommen – er will anderen helfen, sich diese auch zu verdienen.
Ral, abseits.at
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