Der zehnfache mexikanische Nationalspieler und Olympiakos-Legionär Alan Pulido wurde in der Nacht von Samstag auf Sonntag in Ciudad Victoria, der Hauptstadt des mexikanischen Bundesstaats Tamaulipas entführt. In Mexiko gab es bisher im Gegensatz zu Brasilien, Argentinien und Kolumbien selten Entführungen von Profifußballern (oder deren Verwandten). Und auch dieser Fall scheint ein wenig anders gelagert zu sein, da der Zeitpunkt der Entführung, sowie die Art und Weise, wie sich der Spieler befreien konnte, vielen mexikanischen Fußballfans merkwürdig vorkommt. Aber alles der Reihe nach.
Der mexikanische Stürmer, der diese Saison in nur acht Spielen für Olympiakos fünf Treffer beisteuerte wurde in der Nacht von Samstag auf Sonntag in seiner Geburtsstadt Ciudad Victoria auf dem Heimweg von einem Disco-Besuch entführt. Laut Polizeiangaben schnitt ihm ein anderes Fahrzeug auf der Straße den Weg ab und sechs maskierte Männer zwangen ihn und seine Freundin in den anderen Wagen einzusteigen. Kurze Zeit darauf wurde Pulidos Freundin unverletzt von den Kidnappern freigelassen. Die Familienangehörigen des zehnfachen Nationalspielers kontaktierten die Polizei, die zusätzlich die Armee einschaltete und aufgrund der Bekanntheit des Fußballstars alle Hebeln in Bewegung setzte, diesen zu finden. So suchten etwa drei Hubschrauber ständig nach dem entführten 25-Jährigen.
Was nun folgte könnte aus einem Actionfilm stammen in dem Liam Neeson die Hauptrolle spielt. Es gibt bis dato unterschiedliche Angaben, wie sich der Fußballspieler selbst befreien konnte. Die in den mexikanischen Medien zunächst am weitesten verbreitete Version lautete so: Pulido entwendete einem seiner Bewacher, als dieser kurz nicht aufmerksam war, seine Pistole und schoss ihn nieder. Danach schlug er ein Fenster ein, flüchtete und rief mit einem Handy, das er bereits vorher seinem Bewacher entwendet hatte die Polizei an. In der anderen Version fiel kein Schuss: Pulido soll sich mit seinem Bewacher einen Faustkampf geliefert und ihm dann das Telefon entwendet haben.
Die anderen Entführer flüchteten in beiden Varianten aus dem Versteck, nachdem Pulido seinen Bewacher überwältigte.
Im Anschluss wurde ein Krimineller verhaftet, wobei es bis dato nicht feststeht, ob die Entführer dem Zeta-Kartell angehören, das den örtlichen Drogenhandel fest im Griff hat und auch enge Kontakte zur korrupten Regierung pflegt. Pulido wurde anschließend in ein Krankenhaus gebracht, wo sich der amtierende Gouverneur des Bundesstaats mit dem Fußballer von den Medien ablichten ließ und die Arbeit der Polizei in höchsten Tönen lobte.
Viele mexikanische Fußballfans zeigen sich hochverwundert über den guten Ausgang dieser Geschichte. Während natürlich alle froh darüber sind, dass der Fußballer bis auf eine Schnittwunde, die er sich beim Einschlagen des Fensters zuzog, unversehrt blieb und sicher zu seiner Familie zurückkehrte, blieben einige Fragen offen.
Es wird spekuliert, dass die Kriminellen nicht wussten, wen sie genau kidnappten, sondern nur aufgrund des teuren Autos zur Tat schritten. Dies wäre nicht das erste Mal der Fall, denn als Erik Lamelas Bruder in Buenos Aires in seinem BMW entführt wurde, verlangten die Kidnapper von den Familienangehörigen nur umgerechnet 700 Euro, da sie nicht wussten, dass er der Bruder eines Premier-League-Spielers war. Einige mexikanische Fußballfans vermuten, dass die Entführer erst später erkannten, wen sie sich da geschnappt hatten, ihnen die Sache zu heiß wurde und sie einen Deal aushandelten, in dem die Polizei und die Regierung in ein gutes Licht gerückt wird. Andere wiederum halten es für möglich, dass die gesamte Entführung von politischen Kräften im Land eingefädelt wurde.
Das Spannende ist nämlich, dass genau am kommenden Sonntag die Wahlen in Tamaulipas anstehen, einem von Gewalt und Kriminalität gebeutelten Bundesstaat, der nur selten positiv in Sachen Verbrechensbekämpfung in die Schlagzeilen kommt. Der gute und überraschende Ausgang dieser Geschichte spielt dem amtierenden Gouverneur natürlich perfekt in die Karten. Viele Fans bezweifeln, dass die Entführer so dilettantisch vorgingen, dass sie sich von einem 68 Kilogramm schweren Fußballer überwältigen lassen würden. Auch dass die weiteren Entführer umgehend flüchteten, nachdem Pulidos unmittelbarer Bewacher ausgeschaltet wurde, kommt einigen mexikanischen Fans ungewöhnlich vor, ebenso wie die Tatsache, dass Pulidos Freundin von den Entführern umgehend freigelassen wurde.
Es ist natürlich möglich, dass sich alles genau so abspielte, wie es die Polizei und die Regierung den Medien schildern und aus der Ferne lässt es sich ohnehin nur schwer beurteilen. Überraschen würde es in Tamaulipas jedoch nur wenige, wenn mehr dahinterstecken würde.
Stefan Karger, abseits.at
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