Du bist schön, aber dafür kannst du nichts: Warum Fußballer nicht zu sehr auf ihr Äußeres achten sollten
Gesellschaft & Ethik 9.Juli.2022 Julian Berger
Vielleicht erkennen jüngere Leserinnen und Leser die wunderbare Doppeldeutigkeit des ersten Teils der Titelzeile wieder. Sie entstammen einem textlich genialen und ins Ohr gehenden Lied des deutschen Künstlers Alligatoah. In diesem sinniert der Interpret über Schönheitsideale, Botox und eine Gesellschaft zwischen Neid und Oberflächlichkeit. Wer hier eine Brücke zum Fußball schlagen kann, ist in den Sphären der Wissenschaft und gleichzeitig mitten in einer kuriosen Anekdote zur – Achtung Wortspiel – (un)schönsten Nebensache der Welt gelandet.
Wir reisen dafür etwas mehr als eine Dekade in die Vergangenheit. Im Jahr 2010 veröffentliche die seit den frühen Nachkriegsjahren erscheinende Zeitschrift für sozialwissenschaftliche Forschung und Praxis, auch bekannt als „Soziale Welt“ einen Artikel des nunmehr in Düsseldorf tätigen Universitätsprofessors Ulrich Rosar. Das Magazin präsentierte dessen gemeinsam mit Jörg Hagenah und Markus Klein veröffentlichte Abhandlung mit dem hochtrabenden Titel „Physische Attraktivität und individuelles Leistungsverhalten“. Immer noch nichts, was den geneigten Fußballfan landauf, landab in ekstatische Zustände versetzen würde. Neugierig werden könnten die ersten Mitglieder dieser weit verbreiteten Spezies hingegen beim Untertitel, der da lautet „oder: warum und wann unattraktive Männer die besseren Fußballer sind.“
Der geneigte Hobbykicker und treue Verfechter der viel zitierten „dritten Halbzeit“ wird derlei gerne lesen, auch wenn man nicht dem Irrglauben verfallen darf, dass sinkende Attraktivität steigendes fußballerisches Können zur Folge hat. Die Kernthese ist dennoch einfach wie einleuchtend: Attraktive Menschen haben im Berufsleben mehr Erfolg als ihre weniger attraktiven Konkurrenten. Man könnte nun zurecht trefflich darüber streiten, was denn genau unter „attraktiv“ zu verstehen und dass Attraktivität ein Ergebnis subjektiver Wahrnehmungen ist. Diesen Einwänden ist nicht zu widersprechen. Rosar und Kollegen untersuchten dafür die Spielzeit 2007/2008, genauer die Einsatz- und Leistungsdaten von 483 Fußballprofis der 18 Clubs der höchsten deutschen Spielklasse.
Die Konsenstheorie der Wahrheit
Man fragt sich zurecht, wie im Rahmen dieser Studie der Attraktivitätslevel von Fußballprofis gemessen werden konnte. Die Antwort findet sich in der sogenannten Konsenstheorie der Wahrheit, also – vereinfacht formuliert – der Annahme, dass etwas dann als wahr gilt, wenn sich darüber ein argumentativ gestützter, möglichst breiter Konsens erzielen lässt. Dieser Konsens wurde im konkreten Beispiel mittels einer Online-Umfrage zur Attraktivität der Ballartisten hergestellt, wobei auf Grundlage von Portraitfotos der Mittelwert verschiedener Attraktivitätsurteile errechnet wurde. Dabei gingen die Autoren vom so genannten Attractiveness Consensus aus, der – speziell in den späten 1980er- und frühen 1990er-Jahren wissenschaftlich untersuchten These, wonach sich Attraktivitätsurteile von und über Personen meist nur marginal unterscheiden. Daraus lässt sich weiters ableiten, dass „schöneren“ Menschen nicht nur mehr Aufmerksamkeit geschenkt, sondern auch positive Wesenszüge zugeschrieben werden. Außerdem werden die Handlungen attraktiverer Männer und Frauen eher wahrgenommen und im Gedächtnis gespeichert. Auch erfahren sie mehr Hilfe und Unterstützung, ja selbst offensichtliches Fehlverhalten wird, wenn nicht anderen Umständen zugeschrieben, dann zumindest eher toleriert und entschuldigt.
Umgelegt auf das runde Leder würde dies heißen, dass das Spiel attraktiverer Spielerinnen und Spieler positiver wahrgenommen wird, Mitspieler*innen ihre Verhaltensweisen auf dem Feld an sie anpassen. Trainer*innen täten demnach wohl gut daran, ihre Kapitäne zuvorderst nach Attraktivität auszuwählen. Im Umkehrschluss heißt all dies aber auch, dass attraktivere Spieler*innen weniger leisten müssen, um erfolgreich, anerkannt, respektiert zu sein. Körperlich weniger anziehende Berufskollegen müssen dementsprechend mehr leisten, um erfolgreich zu sein oder als erfolgreich zu gelten.
Zurück zu den bereits angesprochenen Portraitfotos, deren Attraktivität im Rahmen der Studie für die Attraktivitätsbewertung herangezogen wurden. Die zehn attraktivsten Akteure im deutschen Oberhaus waren demnach unter anderem Ricardo Faty, Florian Dick, Daniel Gordon, Markus Daun oder Fin Bartels. Sie alle fallen zwar in die Kategorie „gestandener Bundesligaprofi“, eine Weltkarriere war aber keinem von ihnen vergönnt. Ebenso interessant: Nur zwei aus den erlesenen Zehn spielten zur damaligen Zeit bei einem Verein, den man heute gemeinhin als deutschen Spitzenclub im Sinne seiner Champions-League-Ambitionen erachten würde, sprich, der am Ende der Abschlusstabelle der Saison 2021/22 unter den Top-4 der Bundesliga stand. Dafür waren sie – etwas provokant formuliert – wohl schlicht und einfach zu schön.
Julian Berger
- Besondere Tore
- Die bunte Welt des Fußballs
- Europameisterschaft
- Internationale Stars
- Argentinien
- Australien
- Belgien
- Brasilien
- Chile
- Dänemark
- Deutschland
- Andreas Brehme
- Andreas Möller
- Berti Vogts
- Christoph Daum
- Franz Beckenbauer
- Fritz Walter
- Gerd Müller
- Günther Netzer
- Helmut Rahn
- Jürgen Klinsmann
- Jürgen Klopp
- Karl-Heinz Rummenigge
- Lothar Matthäus
- Lukas Podolski
- Manuel Neuer
- Miroslav Klose
- Oliver Bierhoff
- Oliver Kahn
- Philipp Lahm
- Rudi Völler
- Sepp Maier
- Thomas Häßler
- Thomas Müller
- Thomas Tuchel
- Toni Schumacher
- Toni Turek
- Udo Lattek
- Uli Hoeneß
- Uwe Seeler
- Elfenbeinküste
- England
- Finnland
- Frankreich
- Irland
- Italien
- Alessandro Del Piero
- Alessandro Nesta
- Andrea Pirlo
- Christian Vieri
- Claudio Gentile
- Dino Zoff
- Fabio Cannavaro
- Francesco Totti
- Franco Baresi
- Gaetano Scirea
- Giacinto Facchetti
- Gianluca Vialli
- Gianluigi Buffon
- Giuseppe Bergomi
- Giuseppe Meazza
- Luigi Riva
- Marco Tardelli
- Mario Balotelli
- Paolo Maldini
- Paolo Rossi
- Roberto Baggio
- Sandro Mazzola
- Kamerun
- Kolumbien
- Liberia
- Mexiko
- Niederlande
- Nigeria
- Nordirland
- Norwegen
- Portugal
- Schottland
- Schweden
- Schweiz
- Spanien
- Ungarn
- Uruguay
- USA
- Wales
- Österreich
- Legendäre Legionäre
- Alexander Zickler
- Antonin Panenka
- Axel Lawaree
- Branko Boskovic
- Carsten Jancker
- Dejan Savicevic
- Geir Frigard
- Hamdi Salihi
- Hansi Müller
- Jan Åge Fjørtoft
- Jocelyn Blanchard
- Joey Didulica
- Jonathan Soriano
- Kevin Kampl
- Lajos Détári
- Maciej Sliwowski
- Marek Kincl
- Mario Kempes
- Mario Tokic
- Milenko Acimovic
- Nestor Gorosito
- Nikica Jelavic
- Nikola Jurčević
- Olaf Marschall
- Oliver Bierhoff
- Patrik Jezek
- Radoslaw Gilewicz
- Rene Wagner
- Roger Ljung
- Sadio Mané
- Samir Muratovic
- Sigurd Rushfeldt
- Somen Tchoyi
- Steffen Hofmann
- Szabolcs Sáfár
- Tibor Nyilasi
- Trifon Ivanov
- Valdas Ivanauskas
- Vladimir Janocko
- Zlatko Kranjcar
- Nationale Stars
- Aleksandar Dragovic
- Andi Ogris
- Andreas Herzog
- Andreas Ivanschitz
- Bruno Pezzey
- Christian Fuchs
- David Alaba
- Deni Alar
- Didi Kühbauer
- Ernst Happel
- Ernst Ocwirk
- Felix Gasselich
- Franz Wohlfahrt
- Friedl Koncilia
- Gustl Starek
- Hans Krankl
- Herbert Prohaska
- Heribert Weber
- Ivica Vastic
- Julian Baumgartlinger
- Kevin Wimmer
- Kurt Jara
- Marc Janko
- Marcel Sabitzer
- Mario Haas
- Marko Arnautovic
- Martin Harnik
- Martin Hinteregger
- Matthias Sindelar
- Michael Konsel
- Otto Konrad
- Peter Stöger
- Sebastian Prödl
- Toni Polster
- Ümit Korkmaz
- Veli Kavlak
- Walter Schachner
- Walter Zeman
- Zlatko Junuzovic
- Nationalmannschaft
- Österreichische Vereine
- Legendäre Legionäre
- Weltmeisterschaft