„FIFA has taken the lead“ – Sepp Blatter und der kuriose Tweet über ethische Verantwortung
Gesellschaft & Ethik 27.September.2014 Daniel Mandl 0
Der wahrscheinlich unbeliebteste Mann in der gesamten Welt des Fußballs ist nicht etwa ein Überläufer von einem Erzrivalen zum anderen oder ein unsportlicher Abwehrspieler, dessen Spielweise polarisiert, sondern ein 78-jähriger Schweizer. Bei kaum einem anderen Protagonisten des Weltfußballs sind sich Fußballfans einiger: Ausgerechnet Oberboss Sepp Blatter ist für sehr viele Menschen das personifizierte Böse. Er sieht das naturgemäß anders – und ließ vor einigen Tagen mit einem interessanten Tweet aufhorchen.
Sepp Blatter meint also: „Jeder in der Fußballgemeinschaft hat die Verpflichtung ethisch zu handeln. Fußballfans fordern das korrekterweise ein. Fifa hat die Führung übernommen.“ Einfach so.
Was das FIFA-Exekutivkomitee angeht, haben wir schon vor einigen Monaten beschrieben, was in der Machtzentrale des Fußballs verkehrt läuft.
Was Blatter betrifft:
- Der ehemalige FIFA-Präsident Joao Havelange und sein Ziehsohn Ricardo Texeira erhielten vom TV-Vermarkter ISL Millionen, um ebendiesem Vermarkter die WM-TV-Rechte zuzusichern. Blatter wusste von diesem Bestechungsversuch, nannte ihn – als der öffentliche Druck größer wurde – jedoch „Provisionszahlung“. Insgesamt soll die ISL geschätzte 114 Millionen Euro an rund ein Dutzend Funktionäre gezahlt haben.
- „1998 kaufte sich Josef Blatter die nötigen Stimmen für eine Mehrheit bei seiner Erstwahl zum FIFA-Präsidenten“ – diesen Vorwurf erhoben mit dem damaligen DFB-Präsidenten Egidius Braun und dem englischen Investigativjournalisten David Yallop keine No-Names.
- Auch die Wahl 2002 verlief teilweise dubios. Farah Addo, ein somalischer FIFA-Delegierter, erklärte, dass ihm Geld für eine „Blatter-Stimme“ angeboten wurde.
- Der Präsident der CONCACAF (Fußballverband für Nord- und Mittelamerika sowie die Karibik) Jack Warner, behauptet in einer Presseerklärung, Blatter habe Warners Verband auf dem CONCACAF-Kongress „eine Spende von einer Million Dollar (umgerechnet rund 700.000 Euro) zur freien Verwendung“ überreicht.
- Auf 44 Tote auf einer Stadionbaustelle in Katar reagierte Blatter wie folgt: „In jedem Land der Welt kann es passieren, dass es Todesfälle auf Baustellen gibt, insbesondere auf WM-Baustellen.“
- „Ich denke, sie [die Fans, Anm.] sollten jegliche Sexualität unterlassen“, ist Blatters Meinung angesichts der Tatsache, dass im Ausrichtungsland der WM 2022 Homosexualität unter harter Strafe verboten ist.
- Abgesehen von falscher Selbsteinschätzung ließ es sich Blatter auch nicht nehmen, das durchschnittliche Fußballpublikum zu beleidigen: „Stars werden immer ausgebuht, also bin ich ein Star. So muss man das nehmen. Ich dachte, das Olympia-Publikum wäre ein bisschen gebildeter“, meinte er nach einem Pfeifkonzert gegen seine Person im Rahmen der Olympischen Spiele 2012.
- Zuletzt wurden Gerüchte über (teils auch nur versuchte)„Uhrengeschenke“ an Funktionäre laut. Schon im Zuge der CONCACAF-Affäre wurden Mitglieder des Verbands Laptops und Projektoren geschenkt, um eine Wiederwahl zu „erleichtern“.
- Die FIFA betreibt im Marketingbereich großes finanzielles Missmanagement. Dafür wurde Blatter unter anderem vom einstigen FIFA-Generalsekretär Michel Zen-Ruffinen kritisiert. Im Bereich Marketing ist von Verlusten um die 100 Millionen US-Dollar die Rede. Untersucht sollte dieser Vorfall natürlich – so wie viele andere – ebenfalls werden. Blatter legte aber sein Veto ein und entließ seinen Kritiker Zen-Ruffinen. Die interne Untersuchung fand somit nicht statt.
- Von Spielerinnen- und Frauenverbänden erntete Blatter Kritik, nachdem er engere, freizügigere Kleidung für Fußballspielerinnen forderte, wie man sie etwa vom Volleyball kennt. Er betonte zudem, dass Frauenfußball ohnehin schon ein paar andere „Regeln“ hat, als der Männerfußball, wie einen leichteren Ball. Dass der Frauenfußball so vom Männerfußball „abgehoben“ wurde, war vielen Verbänden ein Dorn im Auge.
- Nach dem großen italienischen Wettskandal meinte Blatter: „Ich hätte verstanden, wenn so etwas in Afrika passiert wäre – aber nicht in Italien!“
- In einem anderen Interview behauptete Blatter, dass es auf dem Feld keinerlei Rassismus gäbe. Zahlreiche Spieler, unter anderem Rio Ferdinand, reagierten daraufhin geschockt. Auch weil Blatter einen tollen Vorschlag hatte: „Es gibt keinen Rassismus auf dem Platz, aber vielleicht gibt es hie und da ein Wort oder eine Geste, die nicht korrekt ist. Der Betroffene sollte sich sagen, dass es ein Spiel ist und man sollte sich nachher die Hände schütteln.“
Und so sehen die Follower auf Blatters Twitter-Seite seinen etwas kuriosen, neuesten Tweet…
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Daniel Mandl Chefredakteur
Gründer von abseits.at und austriansoccerboard.at | Geboren 1984 in Wien | Liebt Fußball seit dem Kindesalter, lernte schon als "Gschropp" sämtliche Kicker und ihre Statistiken auswendig | Steht auf ausgefallene Reisen und lernt in seiner Freizeit neue Sprachen
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