Fußball und Integration sind beides Themen von unbestreitbarer gesellschaftlicher Relevanz. Ihre gegenseitige Verstrickung ist aktueller denn je. Die Serie „Integration durch Fußball“ beleuchtet die... Fußball und Integration (1) – Die Fratze des Fußballs

Fußball und Integration sind beides Themen von unbestreitbarer gesellschaftlicher Relevanz. Ihre gegenseitige Verstrickung ist aktueller denn je. Die Serie „Integration durch Fußball“ beleuchtet die Möglichkeiten eines Konzepts und seine Chancen für Fußball und Gesellschaft. Dieser erste von insgesamt drei Artikeln beschäftigt sich mit Gewalt und Diskriminierung als den Ausgangsbedingungen von Integrationsarbeit im Fußball.

Fußball hat viele Gesichter“ lautet ein oft bemühter Slogan. Der Tiefsinn von Weisheiten zum Fußball endet ja meistens genau dort wo er beginnt. In manchen Fällen aber bergen solche Sätze eine ungewollte Doppeldeutigkeit, die die Wahrheit  mitten ins Kreuzeck trifft.

Fußball als Spiegel der Gesellschaft

Ohne Zweifel meint obiger Ausspruch eigentlich einen Vorzug des Fußballs, nämlich seine ethnische, kulturelle sowie soziale Vielfalt. Und tatsächlich, der Fußball ist eine wunderbar bunte Angelegenheit. Aber wie auf tausend weiße Schafe ein schwarzes folgt mischen sich unter viele freundliche Gesichter mitunter boshafte. Kurzum: Der Fußball hat auch Schattenseiten.

Fußball ist keine hermetisch abgeriegelte Eigenwelt, sondern ein gesellschaftliches Phänomen und insofern den Auswirkungen gesellschaftlicher Vorgänge ausgesetzt. Wie die Menschheit, die ihn hervorgebracht hat, leidet auch er an den Auswüchsen von Gewalt. Entgegen verbreiteter Meinungen ist Gewalt im Fußball keine Erscheinung erst der letzten Jahrzehnte. Gewalttätige Eskalationen gibt es seit das Leder zum ersten Mal rollte. Wie jede Sportart lebt Fußball von Konkurrenz und Siegeswillen. Emotionen – nicht zuletzt Aggressionen – sind dabei ein Tribut an unsere menschliche Natur, sie werden den Sport immer begleiten.

Dennoch gilt: Sapere aude! Benutze deinen Verstand! – Seit Kant und der Aufklärung wird hirnloses Handeln nicht mehr entschuldet. Spontane Gefühlsausbrüche können Rowdytum im Fußball weder begründen noch rechtfertigen. Die Gewalt im Fußball ist ein soziales Problem, dessen Ursachen in der Gesellschaft zu suchen sind. Nicht nur, aber vor allem junge Fußballfans mit geringem gesellschaftlichen Status und schlechten sozialen Aussichten fallen vermehrt als Hooligans auf. Auf der Suche nach prestigeträchtiger Identifikation schließt man sich zu Gruppen zusammen – in gleichzeitiger, oft feindseliger Abgrenzung von anderen – und äußert Widerstand gegen die als ungerecht empfundene Gesellschaft. Durch die Anhängerschaft zu einem erfolgreichen Klub kann mangelndes Selbstwertgefühl und ausbleibende private Anerkennung aufgewogen werden.

Gewalt ist nicht zuletzt Ablenkung von der Monotonie des Alltags, die das Bedürfnis nach Spannung befriedigt. Eine hohe Gewaltbereitschaft gilt als Furchtlosigkeit und kann das Ansehen in der Gemeinschaft fördern. Solche Aspekte eines „Heldentums“ verlangen Öffentlichkeit. Die Medien sind dabei behilflich, indem sie gewalttätige Akteure in Szene setzen. Man erinnere sich etwa an jenen griechischen Fan, der es als „Hass-Grieche“ auf die Titelseiten der österreichischen Boulevardzeitungen schaffte und zum Symbol eskalierender Fanwut wurde. Jüngste Stadion-Krawalle wie die beim 297. Wiener Derby markieren die traurige Aktualität des Themas.

Bilder von Gewalt in Fußballstadien schlagen über die Medien große Wellen. Auf öffentlichen Druck folgen rasche, vermeintlich durchschlagende politische Maßnahmen. Der Gewalt wird mit polizeilicher Gewalt begegnet, was zwar oft eine sicherheitstechnische Notwendigkeit, aber sicherlich keine Lösung des Problems darstellt. Überlegte präventive Schritte wären erforderlich, bleiben jedoch meist aus.

„Toleranz“ heißt das Zauberwort

Jetzt aber eine gute Nachricht: Der Fußball kann sich selbst helfen und darüber hinaus etwas für die Allgemeinheit leisten. Natürlich kann er sie nicht von all ihren sozialen Missständen befreien. Soweit jedoch Fußballgewalt das Ergebnis fehlender Aufgeschlossenheit ist, kann er eine positive Bewusstseinsbildung unterstützen, die über Stadien und Fußballplätze hinaus wirkt. Probleme wie Rassismus, Homophobie und Sexismus betreffen Fußball und Gesellschaft gleichermaßen. Die Antwort darauf muss schlichtweg „mehr Toleranz!“ heißen. Was für manche kitschig klingen mag, ist das einzig nachhaltige Mittel gegen Anfeindungen im Fußball. In der Praxis ist dies  war nicht immer einfach, aber eine grundsätzlich Offenheit für alle Beteiligten ist Voraussetzung um Diskriminierungen jeder Art aus dem Fußball verbannen zu können.

Was braucht es also? Auf alle Fälle engagierte und gezielte Integrationsarbeit. Wie und durch wen die funktioniert wird im zweiten Teil dieser Serie interessieren. Ebenso die Frage, warum gerade der Fußball die Menschen einander näher bringen können soll. So viel sei hier schon verraten: „Fußball verbindet“. Diese Weisheit scheint zwar unbedeutend weniger abgeschmackt zu sein als vorige, dafür ist sie gänzlich unzweideutig zu verstehen.

Markus Grill, abseits.at

Markus Grill

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