Ohne sie würde Fußball nicht funktionieren – und dennoch ist niemand derart massiver Kritik ausgesetzt: die Schiedsrichter. Gerade in unteren Spielklassen der Männer werden... Genug ist genug: Berliner Schiedsrichter streiken

Ohne sie würde Fußball nicht funktionieren – und dennoch ist niemand derart massiver Kritik ausgesetzt: die Schiedsrichter. Gerade in unteren Spielklassen der Männer werden dabei viel zu häufig Grenzen überschritten – sei es verbal oder gar körperlich.

Die Schiedsrichter in Berlin haben nun reagiert – per Streik. Am Wochenende fand auf den Plätzen der Amateurvereine der deutschen Hauptstadt daher kein Fußball statt, fast 1500 Spiele wurden abgesagt. „Wir wollen auf die Gewalt auf Fußballplätzen aufmerksam machen“, sagte Schiedsrichtersprecher Ralf Kisting gegenüber dem Deutschlandfunk. Im September streikten bereits zuvor die Schiedsrichter im Saarland wegen Gewaltvorfällen.

Wie der Schiedsrichter–Ausschuss des Berliner Fußballverbandes berichtet, wurden allein in der laufenden Saison bereits 109 Vorfälle von Gewalt und Diskriminierung notiert. Die Schiedsrichter seien dabei in 53 Fällen Opfer gewesen.

„Natürlich hätten wir gerne gespielt, ich habe aber vollstes Verständnis für die Schiedsrichter“, zeigte sich zum Beispiel Mario Reichel, Trainer des Sechstligisten TSV Rudow, im Tagesspiegel solidarisch. Er bewundere jeden, „der das jede Woche macht“, denn er selbst wollte in Berlin kein Schiedsrichter sein.

Schon heute gebe es laut Ralf Kisting im Schiedsrichterwesen, aufgrund des teils gewalttätigen Umgangs, ein Nachwuchsproblem. Darauf habe man den Berliner Fußballverband schon im Frühjahr hingewiesen. Eine für die Schiedsrichter angemessene Reaktion blieb aber aus. Ihren Vorschlag, einen gemeinsamen Streik mit dem BFV zu organisieren, lehnte der Landesverband ab.

„Die zunehmende Gewaltbereitschaft gegenüber Schiedsrichtern sehe ich auch mit großer Sorge“, so BFV-Präsident Bernd Schultz in der taz. „Hier gilt es, gemeinsam gegen die Täter vorzugehen und alle Möglichkeiten der Sportgerichtsbarkeit auszuschöpfen. Gleichzeitig kann ein Ausstand von Schiedsrichtern immer nur letzte Konsequenz sein.“ Begeistert war der Verband von dem Streik daher nicht, musste ihn aber hinnehmen und den Spieltag letztlich absagen.

Gerade die von Schultz angesprochene Sportgerichtsbarkeit ist laut den Schiedsrichter aber Teil des Problems. Erst vor kurzem gab es im Fall des Berlin-Ligisten BSV Al-Dersimspor ein Urteil, welches den Schiedsrichtern gar nicht schmeckte. Bei einem Spiel im September musste Schiedsrichter Stefan Paffrath vier Rote Karten verteilen. Die Atmosphäre war äußerst aggressiv, nach der Partie wurde Paffrath von einem Spieler im Kabinengang geschlagen.

Das Sportgericht sprach darauf aber ein recht mildes Urteil: Der Verein darf weiter in der Liga antreten, muss nun lediglich pro Spiel fünf Ordner stellen, während der Täter für ein Jahr gesperrt wurde. Der Streik war auch Resultat dieses Verdikts.

Professionellere Sportgerichte sind daher ein Teil der im Zuge des Streiks erhobenen Forderungen. Ebenfalls dazu gehören ein besserer Schutz der Schiedsrichter durch Ordner, schärfere Sanktionen, wenn die Vereine keinen Schiedsrichter stellen und verpflichtende Regelschulungen für Erste Mannschaften sowie die A-bis C- Jugend.

Ob die steigende Gewaltbereitschaft gegenüber Unparteiischen die Konsequenz eines sich generell aufheizenden Klimas in der Gesellschaft ist, ist schwer zu beurteilen. Jedoch ist zu beobachten, dass die Hemmschwelle in vielen Bereichen fällt, der Respekt im Umgang abnimmt.

Während der Ball auf den Berlinern Amateursportplätzen nicht rollte, kam es in Hessen zu einem schrecklichen Vorfall. Bei einem Spiel in der Fußball-C-Liga Dieburg zwischen dem FSV Münster und dem TV Semd wurde der 22-jährige Schiedsrichter von einem Spieler per Faustschlag niedergestreckt. Dieser hatte zuvor die Gelb-Rote Karte gesehen. Der Unparteiische verlor das Bewusstsein, ein Rettungshubschrauber musste gerufen werden.

Laut Klassenleiter Theo Greiner sei mit Hirn und Kopf des Schiedsrichters aber alles in Ordnung, allerdings habe er Sprachschwierigkeiten. „Das muss und wird Konsequenzen haben“, sagte Greiner dem Darmstädter Echo. Ein solches Ereignis sollte bis in die Verbandsebene hinein zu Diskussionen führen, wie Schiedsrichter noch besser geschützt werden können, so Greiner.

Ralf Kisting warnt, „es darf nicht den ersten toten Schiedsrichter in Deutschland geben“ bevor etwas passiert.