In der Vorwoche stellten wir die ACAKORO Football Academy vor. Heute präsentieren wir ein Interview mit Stefan Köglberger und Lukas Mott. Köglberger war Mitbegründer... Interview: „Die Möglichkeit etwas Einzigartiges zu schaffen“

In der Vorwoche stellten wir die ACAKORO Football Academy vor. Heute präsentieren wir ein Interview mit Stefan Köglberger und Lukas Mott. Köglberger war Mitbegründer der ACAKORO Football Academy, Lukas Mott arbeitet derzeit als Head of Sports der Akademie. Ein eindrückliches Gespräch über einprägsame Schockmomente, jubelnde Außenseiter, die verbindende Kraft des Fußballs und einen ÖFB-Präsidenten mit ausgeprägter sozialer Ader. Im Anschluss an das Interview findet ihr die Bankverbindung

abseits.at: Wann und wodurch entstand die Idee, eine Fußballschule in Afrika aufzubauen?

Stefan Köglberger: Mein Vater (Anm.: Ex-Nationalspieler Helmut Köglberger) war Zeit seines Lebens ein sozial extrem engagierter Mensch. Ganz sicher deshalb, weil er selbst es sehr schwer gehabt und durch den Fußball so viel erreicht hat, hat er sich immer für die Benachteiligten der Gesellschaft, für jene, die am Rand leben, eingesetzt. Das war schon in Österreich immer sein Hauptthema. Damals hatte er seine Funktion als Jugendleiter beim LASK zurückgelegt und war angefragt worden, bei einem größer gedachten Projekt mitzuwirken, dort eine Fußballschule aufzubauen. Ich war damals Jugendtrainer beim LASK und er bat mich, mit ihm hinzufliegen und eine Machbarkeitsanalyse durchzuführen. Uns war sehr schnell klar, dass die Möglichkeit besteht, etwas weltweit Einzigartiges zu schaffen, wenn man das gut aufsetzt und professionell arbeitet. Denn letzten Endes konnte es nur über Qualität gelingen.

abseits.at: Welche waren die ersten Schritte bei der Etablierung von ACAKORO?

Stefan Köglberger: Zu Beginn, 2013, waren wir drei Österreicher vor Ort. Meine Frau, Aldona, Bernhard Buchegger, ein Trainerkollege vom LASK, und ich. Während sich Aldona um die sozialen Aspekte kümmerte, sozusagen eine Struktur fand, wie man im allgemeinen Chaos, das im Korogocho-Slum herrscht, eine kindgerechte Ordnung herstellen kann, war Bernhard für den sportlichen Teil zuständig. Ich habe sozusagen das Ganze geleitet, mein Vater kam ca. alle drei Monate.

Der Anfang war richtig hart: Die Brutalität eines der ärmsten Slums der Welt, das Elend, das unglaubliche Dinge mit den Leuten macht. In der ersten Woche nach unserer Ankunft wurde ein kleines Mädchen erschossen, als die Polizei auf einen Dieb schoss. Das Mädchen lag drei Tage auf der Straße und wir mussten jeden Tag an dem leblosen Körper vorbei. Das war Irrsinn. In derselbe Woche fand der Anschlag auf die Westgate Mall statt, bei dem mehr als 300 Leute umkamen. Der Anfang war in der Tat so, dass wir alle drei gesagt haben, wenn das so weitergeht, müssen wir wieder nach Hause, das schaffen wir nicht. Die Situation wurde aber etwas besser, wenngleich im Korogocho-Slum extreme Gewalt herrscht. Ein Toter ist da jetzt nicht unbedingt eine Unmöglichkeit. Man kann jedoch mit der Zeit viel besser damit umgehen.

Organisatorisch haben wir es so angelegt, dass wir sämtliche Schulen, Straßenkinderzentren und Waisenhäuser in Korogocho eingeladen haben, ihre Schülerinnen und Schüler zwischen 7 und 13 zu einer Fußballeinheit vorbeizubringen. Das war im Wesentlichen ein riesiges Scouting, wie man jetzt sagt. 6000 Kinder in nur vier Wochen, es war schlichtweg enorm. Zum Glück hatten wir schon sechs kenianische Helfer, von denen die meisten noch immer bei uns sind. Zudem war mein Vater da und hat mitgeholfen. Es ging um 7:00 Uhr los und bis 19:00 Uhr durch. Alle Kinder bekamen eine warme Mahlzeit, trinken, wurden umsorgt.

Es war klar, dass wir mit 80 Kindern starten werden, 50% davon aufgrund ihres sportlichen Talents, 50% aufgrund dessen, dass ACAKORO ihre einzige Chance war, irgendwie durchzukommen. Wir haben 160 Kids ausgesucht und eine Woche später nochmals ein Turnier mit ihnen gespielt. 60 Jungen und 20 Mädchen haben wir dann gebeten, sie mögen ihre Eltern bzw. gesetzlichen Vertreterinnen oder Vertreter bringen.

Die Freude der Eltern und auch der Kinder war schon am Beginn so groß, das hat uns wahrscheinlich sehr geholfen. Es waren nicht nur wir, die daran geglaubt haben, sondern vor allem alle rundherum, weil sie im Korogocho-Slum, der wirklich das reinste Elend verkörpert, so sehr davon überzeugt waren, dass jetzt endlich einmal etwas Gutes für die Kinder passiert.

abseits.at: Warum fiel die Wahl schlussendlich auf Kenia/Nairobi?

Stefan Köglberger: Wie gesagt, wir wurden angefragt. Die Zusammenarbeit mit dem groß angelegten Projekt haben wir beendet, weil viele Dinge, die in anderen Projektbereichen vorgefallen sind, für meinen Vater und mich persönlich absolut nicht mehr tragbar waren. Dazu möchte ich nicht mehr sagen.

abseits.at: Welche Reaktionen kamen aus dem eigenen Umfeld in Österreich bzw. aus dem Umfeld des Standortes in Kenia?

Stefan Köglberger: Zu Beginn war eine große Euphorie da. Mein Vater hat mächtig die Werbetrommel gerührt und auch Leo Windtner, damals ÖFB-Präsident und immer mit großem sozialem Engagement, hat viele Leute für die Idee begeistern können. Im Leben ist es oft so, dass Dinge, die für unmöglich gehalten werden, eine starke Eigendynamik bekommen, wenn einer den ersten Schritt macht. In diesem Fall waren das eben zufällig wir. Und bis heute muss ich sagen, dass die Spendenbereitschaft in Österreich, von Privaten und Unternehmen, wirklich gut ist. Es muss nur Transparenz herrschen und einen Sinn machen, dann braucht es wenig Werbung und Marketing. Für dieses Engagement, dass viele an den Tag legen, sind wir extrem dankbar. Dass wir 2015 und 2016 das wohl bestbesetzte U11-Turnier, den von Andreas Lindenbauer organisierten Donauauencup in Niederösterreich, gewonnen haben, hat uns nochmal richtig Schub gegeben. Das war dann weltweit zu lesen und natürlich eine Riesensensation, dass die Nobody-Kids aus einem kenianischen Slum gegen Barcelona, Dortmund, Juventus, Porto, Liverpool und Galatasaray triumphieren. Im Grunde konnten wir das selbst gar nicht richtig glauben, schon gar nicht beim ersten Sieg, im Finale 1:0 gegen FC Barcelona. Beim 2. Mal nach Elfmeterschießen gegen Atletico Madrid schon ein bisschen mehr, aber noch immer nicht so richtig.

In Kenia waren wir einfach ein Unikum. Der Ansatz von Sports-for-Development, wo Fußball quasi zur Lebensschule wird, gepaart mit schulischer Ausbildung, mit Mahlzeiten, medizinischer und sozialer Betreuung, das war vollkommen neu. Umso schöner war es, dass unsere Idee nicht abgelehnt wurde, sondern, wenngleich zu Beginn skeptisch, doch einmal interessant war. Durchgesetzt und richtig populär hat uns auch dort der Donauauencup gemacht. An dieser Stelle muss Andreas Lindenbauer wirklich immer gedankt werden. Er hatte uns damals eingeladen und alle Kosten übernommen, eine Wahnsinnsgeschichte! Heute stellt ACAKORO in jeder Jugendnationalmannschaft Kenias ca. ein Drittel der Spielerinnen und Spieler, manchmal mehr. Wir haben es in der Tat geschafft, dass Korogocho in Kenia landesweit nicht mehr als einer der ärmsten und gefährlichsten Slums wahrgenommen wird, sondern dass es als der Ort der talentiertesten jungen Fußballerinnen und Fußballer gilt. Das ist für das Selbstbewusstsein der Einwohner ein Riesengewinn!

abseits.at: Mit welchen Schwierigkeiten hattet ihr anfangs zu kämpfen?

Stefan Köglberger: Wie schon gesagt, ist der Korogocho-Slum und auch die umliegenden Slums, aus denen die Kinder bei ACAKORO stammen, nicht unbedingt eine Gegend, wo man gerne lebt. Die Umgangsformen sind sehr heftig, Gewalt steht an der Tagesordnung. Insbesondere Kinder haben es wirklich schwer. Mehr als einmal kamen blutbedeckte Kinder, die von ihren Eltern heftig verprügelt worden waren. Wir haben dann intensive Gespräche mit den Eltern geführt, ihnen gesagt, dass ihr Kind nicht mehr bei uns bleiben kann, wenn sie es schlagen. Hier endet unser Verantwortungsbereich. Es gab in den fast 10 Jahren nur einen einzigen Fall, in dem die Eltern sich nicht gebessert haben. Selbst der eine ist unglaublich schade und traurig. Aber Konsequenz ist in einem solchen Umfeld alles.

abseits.at: Welche Ziele setzte man sich vor der Gründung von Acakoro und sind diese Ziele erreicht worden?

Stefan Köglberger: ACAKORO ist ein sehr hybrides Projekt. Hauptsache ist natürlich, dass alle Kinder umfassend versorgt sind, dass sie eine gute Schulbildung, sogar eine handwerkliche Ausbildung erlangen und dabei trotzdem eine annehmbare Kindheit erleben dürfen. Auf der anderen Seite haben wir schon den Anspruch, sportlich so gut wie möglich zu sein, ein Top-Training zu bieten und die Talente der Kinder weiterzuentwickeln. Es ist unrealistisch zu sagen, dass ein Mädchen oder ein Junge es schaffen wird, im Santiago Bernabeu zu spielen, dazu sind unsere Möglichkeiten viel zu begrenzt. Aber das Ziel muss es bleiben, denn sonst könnten wir, wie mein Vater immer gesagt hat, ja gleich „Ball über die Schnur spielen“. Wir verlangen von Kindern, dass sie sich voll reinhauen, also müssen wir dasselbe tun.

abseits.at: Wie viele MitarbeiterInnen sind am Standort tätig und wie viele Kinder werden vor Ort betreut?

Stefan Köglberger: Derzeit umfasst unser Team vor Ort 16 Personen. 15 davon sind Kenianer, allesamt mit einer besonderen Verbindung zum Korogocho-Slum. Auf das legen wir Wert, denn nur dann wissen die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen, wie schwierig es für die Kinder tagtäglich ist. Seit Mitte 2021 haben wir mit Lukas Mott einen jungen Tiroler in Korogocho. Das ist eine extrem positive Sache. Lukas bringt so viel mit, nicht nur was sportliches und organisationsrelevantes Wissen anlangt, sondern auch die Professionalität, der wir Österreicher und Österreicherinnen uns selten bewusst sind. Wir arbeiten alle sehr hart und genau und beharrlich, bis die Dinge laufen, wie sie laufen sollen. Das liegt wohl in unserer Kultur. Und Lukas hat das in einem halben Jahr schon wieder sehr gut reingebracht bei ACAKORO. Aus eigener Erfahrung weiß ich, wie schwer das ist. Aber er macht das richtig stark und fast so gut, dass ich meine vorherige Aussage mit dem Santiago Bernabeu überdenken muss.

Wir haben derzeit 160 Kinder im Programm, davon 50 Mädchen und 110 Jungen. 10 Kinder haben eine mentale Beeinträchtigung, sind aber voll integriert.

Bei 160 ist absolut stopp. Wir haben weder die räumlichen noch die finanziellen Ressourcen, um mehr Kinder aufzunehmen. Im Normalfall bleiben die Kinder ja bei uns, bis sie 18, 19 Jahre alt sind. Ich denke, dass es mittelfristig sinnvoll ist, die Grenze bei 150 Kindern einzuziehen. Wenn wir alle Kinder aufnehmen würden, die zu uns kommen, dann hätten wir wohl ein Programm mit 6000 Kindern. Aber das führt zu nichts. Wenn ich 60.000 Euro zur Verfügung habe, dann hat jedes dieser Kinder wieder so gut wie nichts. Daher macht es für mich mehr Sinn, hier auf Konzentration zu setzen, weniger Kinder zu fördern, dafür wirklich nachhaltig, sodass sie etwas aus ihrem Leben machen können. Oftmals wird bei Entwicklungsprojekten leider nur auf die Anzahl derjenigen geschaut, denen geholfen wird. Aber 10 Euro im Jahr sind für niemanden eine Hilfe und reichen auch im afrikanischen Slum nicht zum Überleben. Das ist ein Trugbild, das sich irgendwie in der westlichen Welt eingeschlichen hat und an dessen Verbreitung die Entwicklungsorganisationen wohl selbst eine Teilschuld haben.

abseits.at: Wie darf man sich den typischen Tag eines Kindes in der Acakoro-Fußballschule vorstellen?

Lukas Mott: Alle Kinder, die bei ACAKORO Fußball spielen, gehen in eine unserer Partnerschulen. Davon gibt es eine Primary School, drei Secondary Schools und zwei Voactional Training Centers. Das heißt, wir decken vom Alter her theoretisch die Bereiche zwischen 6 und 20 Jahren ab. Nach Unterrichtsende kommen die Kinder zu uns in die Akademie, wo sie entweder gemeinsam spielen oder in Nachhilfestunden gehen, die von ACAKORO kostenlos angeboten werden. Vor allem Kindern, die sich in der Schule etwas schwerer tun, wird so in kleinen Gruppen geholfen.

Danach ziehen sich die Kinder in den Umkleidekabinen um und bereiten sich auf das Training vor. Dieses findet ca. 500 m vom Büro entfernt auf einem Sportplatz einer unserer Partnerschulen statt. Die jüngeren Kinder bis U15 trainieren von 16:00 Uhr bis 17:30 Uhr. Die älteren Kinder sind danach bis ca. 18:30 Uhr dran. Nach dem Training kommen die Kinder zurück zur Akademie und haben ein gemeinsames Abendessen. Dieses Abendessen ist von großer Wichtigkeit, da die beim Sport und Lernen verbrauchte Energie ja irgendwoher kommen muss und es nicht selbstverständlich ist, dass bei den Eltern zu Hause etwas auf den Tisch kommt.

Die Kinder trainieren täglich mit der Ausnahme von Donnerstag und haben an den Wochenenden Spiele, Turniere, Events oder Trainings, womit sie beschäftigt werden. Das Wochenende wird auch für weitere Nachhilfestunden genutzt.

abseits.at: Welche Ziele habt ihr euch für die nächsten Jahre gesteckt?

Lukas Mott: Zusammen mit den Vorstandsmitgliedern aus Kenia und Österreich erarbeitete das Management eine Vision. Kernelement dieser Vision ist es, von den gemieteten Objekten (Büro, Sportplatz) wegzukommen und auf eigenem Grund und Boden Infrastruktur zu schaffen. Diese Vision beinhaltet neben einem eigenen Sportplatz vor allem die Errichtung einer eigenen Schule mit Internatsmöglichkeit für Kinder mit prekären Verhältnissen im Elternhaus. Diese Vision fußt auf den drei Säulen Sport, Bildung und soziale Fürsorge.

Der Fußball ist ein hartes Geschäft, in dem am Ende nur die Besten einen bezahlten Job bekommen. Das ist auch dem Management bewusst und deswegen ist es unsere Strategie, den Spielerinnen und Spielern durch eine bessere Bildung in einer eigenen Schule höhere Chancen in einem Job abseits des Fußballs zu ermöglichen. In Kenia ist es gang und gäbe, dass in einer Klasse 100 Schülerinnen und Schüler von einem Lehrer unterrichtet werden. Auch ist es den Spielerinnen und Spielern hin und wieder nicht möglich, das Training zu besuchen, da die Schule deren Anwesenheit für Tests oder interne Nachhilfe fordert.

In der Zukunft wollen wir diese drei Säulen verzahnen, um den Kindern bessere Chancen zu ermöglichen. Das geht unserer Ansicht nach am besten, wenn man über die nötige Infrastruktur selbst und frei verfügt. Auch für das Ziel, das Projekt den einheimischen Mitarbeitern zu übergeben, ist es förderlich, Fixkosten wie Mieten zu senken, damit das Projekt eine langfristige Zukunft und Wirkung hat.

abseits.at:Wir danken für das spannende Gespräch!

Wer etwas Gutes tun will, kann dieses spannende und wichtige Projekt mit einer Spende unterstützen!
Hilfsverein ACAKORO – Football for the Future
Raiffeisenlandesbank OOE
Kontonummer: 2.845.170
IBAN: AT06 3400 0000 0284 5170
BIC: RZOOAT2L

Julian Berger

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