Mitten in der Corona-Krise könnte Newcastle United einen neuen Eigentümer bekommen, denn der britische Milliardär Mike Ashley scheint genug von seinem „Spielzeug“ zu haben.... Kommentar: Geld weicht Moral auf

Mitten in der Corona-Krise könnte Newcastle United einen neuen Eigentümer bekommen, denn der britische Milliardär Mike Ashley scheint genug von seinem „Spielzeug“ zu haben. Bereits in der Vergangenheit machte er in Interviews keinen Hehl daraus, dass er den Kauf der Magpies bereue und den Klub lieber heute als morgen verkaufen würde. Nun scheint es so, als ob Ashleys Wunsch in Erfüllung geht – doch die Fans sind alles andere als glücklich.

Newcastle United wollte den Eigentümerwechsel bisher noch nicht bestätigen, doch laut dem Telegraph, der sich auf mehrere Quellen bezieht, ist die Tinte auf dem Vertrag bereits trocken. Der saudi-arabische Public Investment Fund, der mit einem geschätzten Gesamtvermögen von rund 400 Milliarden Dollar zu den größten Staatsfonds der Welt zählt, soll für rund 300 Millionen Pfund 80 Prozent der Anteile am Verein erworben haben. Der Vorsitzende dieses Staatsfonds ist kein Geringerer als der saudische Kronprinz Mohammed bin Salman, der bei den strategischen Investment-Entscheidungen stets ein Wort mitredet. Der Staatsfond besitzt unter anderem fünf Prozent an Uber und Tesla, investierte in US-Firmen wie Lockheed Martin und General Electric und steht hinter dem Red Sea Project sowie dem Mega-Projekt Neom. Im März 2019 wurde zudem bekannt, dass der Public Investment Fund einem New Yorker PR-Unternehmen jeden Monat 120.000 Dollar überweist, damit der diplomatische Schaden nach der Ermordung des saudi-arabischen Journalisten Jamal Khashoggi in Grenzen gehalten wird – man tut eben was man kann.

Womit wir auch schon bei den zahlreichen Menschenrechtsverletzungen sind, die vielen Newcastle-United-Fans nun schwer im Magen liegen. Im Jemen werden seit vielen Jahren unter anderem Krankenhäuser und Schulen bombardiert, Saudi-Arabien gehört zu den Ländern mit den meisten Hinrichtungen weltweit, regierungskritische Stimmen werden brutal unterdrückt, weggesperrt und gefoltert. Religiöse Minderheiten werden systematisch diskriminiert, Frauenrechtlerinnen und Homosexuelle müssen mit Haft- und sogar der Todesstrafe rechnen.

Der moderne Fußball – insbesondere die Premier League – mutierte ohnehin längst zu einem Spielball von Investoren. Der Haupt-Gesellschafter von Manchester City, die Abu Dhabi United Group, pumpt auch hunderte Millionen in die Citizens um das Image der Vereinigten Arabischen Emirate aufzupolieren. PSG-Eigentümer Qatar Sports Investments machte unter anderem 222 Millionen Euro für Neymar locker und die Inter-Spieler hatten bei einem Meisterschaftsspiel gegen Bologna ihre Spielernamen in chinesischen Schriftzeichen auf ihren Trikots verewigt.

Die Magpies wären also bei weitem nicht der einzige Verein, der zweifelhafte Investoren anlockt, wobei sich die Dimensionen dann eben doch unterscheiden. Newcastle-United-Fans machen deshalb ihren Ärger deutlich:

I’d rather toil in mediocrity for a lifetime than win the Champions League with these twats at the helm, using our club to whitewash their tyranny.”

I love Newcastle and they have been the Premier League team I followed for like the last 20 years, but it feels like there could not have been a worse party to sell the club to.”

Es ist aber immer bequem mit dem Finger auf andere zu zeigen, während man selbst ein winzig kleines Rädchen in diesem System ist. Die Frage, wie abseits.at beispielsweise mit der Weltmeisterschaft 2022 in Katar umgehen wird, beschäftigt mich und meinen Kollegen Daniel Mandl immer wieder. Reicht es aus von Zeit zu Zeit mit kritischen Artikel auf die Missstände aufmerksam zu machen? Sollen wir die Weltmeisterschaft 2022 boykottieren und keine Vorschauen, Berichte und Taktikanalysen verfassen? Würde das einen kleinen Unterschied machen, oder wäre das letztendlich sowieso umsonst, weil es keine spürbaren Auswirkungen auf die geopolitische Gesamtentwicklung haben wird? Wenn man die Endrunde in Katar boykottiert, müsste man dann nicht auch angesichts der dubiosen Eigentümer die Premier League links liegen lassen? Wo ist die Grenze, wenn es überhaupt eine gibt? Ich habe keine Ahnung.

Ich war seit den 90er-Jahren ein recht glühender Manchester-City-Fan und habe bei den zahlreichen Auf- und Abstiegen des Underdogs mitgezittert – Shaun Goater ist heute noch einer meiner absoluten Lieblingsspieler. Heute ist es mir dank der Abu Dhabi United Group egal, wer englischer Meister wird. Mich der Liga verweigern kann und will ich aber trotzdem nicht, dazu liebe ich diesen Sport zu sehr. Die Verbundenheit zu City ist weg, mein Pay-TV-Abo möchte ich dennoch nicht canceln. Letztendlich entscheiden wir alle als Konsumenten wohin die Reise geht, denn ohne zahlendes Publikum in den Stadien und vor den TV-Apparaten, lässt sich auch kein Image mehr aufpolieren.

Zum Abschluss: Ein Blick auf die Seite der Wirtschaftskammer zeigt, dass natürlich nicht nur der Fußball dieses Problem hat. Auf der WKO-Unterseite zur saudi-arabischen Wirtschaft wird lobend erwähnt, dass Frauen nicht mehr vom Autofahrverbot betroffen sind und welche Chancen für österreichische Unternehmen bestehen. Ein Wort über Menschenrechtsverletzungen sucht man hier vergeblich – das zu erwarten, war aber wahrscheinlich auch ein wenig naiv. Um es wie der deutsche Spieleautor Torsten Marold zu formulieren: „Geld weicht Moral auf.“

Stefan Karger

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