Im Zuge trauriger Meldungen über Burnout-Fälle und Depressionen im professionellen Fußball- oder Sportbusiness vergisst man nicht selten auf die Ursachenforschung. Klar – wenn ein... Kopfsache | Die Vorbeugung beginnt im Kindesalter (Teil 1)

Im Zuge trauriger Meldungen über Burnout-Fälle und Depressionen im professionellen Fußball- oder Sportbusiness vergisst man nicht selten auf die Ursachenforschung. Klar – wenn ein Profisportler seine Depressionen öffentlich macht, muss er den Sport eine Weile ruhen lassen; nur so kann er sich erholen und Abstand finden. Wie steht es jedoch um die Prophylaxe derartiger Erkrankungen?

Auch Kinder und Jugendliche können unter dem Burnout-Syndrom und Depressionen erkranken – wenn auch oft nur unterbewusst, dann aber nicht selten in Erwachsenenjahren im Hinterkopf schlummernd. Einen wesentlichen Faktor spielen dabei die Eltern der Kinder, die sich oft zu intensiv in die angehenden Karrieren ihrer Sprösslinge hineinleben – und ihren eigenen Traum von einer Sportlerkarriere oft zu zweidimensional auf ihr Kind projizieren. Klar sollen Kinder und Jugendliche ermutigt werden den Sport zu betreiben, der ihnen Spaß macht, allerdings ist dabei ein durch die Eltern unterstütztes, „gesundes“ Zeit-Management das Um und Auf.

Ruhig und bedächtig

Das Beispiel eines erfolgreichen englischen Fußballers zeigt, dass es nicht immer gut ist, wenn Kinder zu früh mit ausgeprägtem Konkurrenzdenken oder harten Wettbewerben konfrontiert werden. Der Vater dieses Fußballers forcierte zwar die sportliche Entwicklung seines Sohnes, vermied es aber, ihn an nervenaufreibenden Turnieren teilnehmen zu lassen, bis er 16 Jahre alt war. Das Resultat: Der Spieler entwickelte sich fernab jeglichen Drucks und genoss trotzdem eine gute fußballerische Ausbildung – und erst als er in ein Alter kam, in dem er Verantwortung übernehmen musste, schickte man ihn ins „echte“ Rennen. Ein weiteres lobenswertes Muster findet sich in den Niederlanden: Auf Nachwuchsebene findet man zwar Spielpläne und talentierte Kicker, die dem runden Leder hinterherjagen, aber des Öfteren keine Tabellen. Die Message ist klar: Bis ein Spieler in einem Alter ist, in dem er Ligafußball spielen könnte, sind es nicht die Ergebnisse, die zählen. Was zählt ist die ungestörte Entwicklung der Talente!

Mentale Ausgeglichenheit, Talent richtig einschätzen

Währenddessen ist es auch wichtig keinen „Überfokus“ zu erzeugen. Kindern muss stets klar sein, dass Fußball EIN Aspekt ihres Lebens ist, nicht jedoch die ultimative Quintessenz, die über allen anderen Werten, Interessen und Freuden des Jungen steht. Mit der richtigen pädagogischen Herangehensweise sind eine erfolgreiche Fußballerkarriere und mentale Ausgeglichenheit durchaus im Bereich des Möglichen. Kinder verfügen allgemein über große Energie – sowohl physisch als auch psychisch – und sollten daher nicht zu stark in ein einzelnes Ressort gepresst werden, sondern in viele verschiedene Richtungen ihre Talente austesten. Familienbedingter Überfokus kann einen jungen Fußballer schleichend mental ruinieren, wie man etwa an Nikon El Maestro beobachten konnte, der von Familienseite aus stets großem psychischen Stress ausgesetzt war („du bist der beste Kicker der Welt – also musst du (!) zu einem der größten Klubs der Welt“). Ein anderer, verwandter Aspekt ist die falsche Potentialanalyse durch ein Elternteil. Studien beweisen, dass junge Kicker – vielleicht elf, zwölf Jahre alt – ihre noch nicht einmal begonnenen Karrieren beenden, weil sie über wenig Talent verfügten, ihre Eltern sie dennoch über ihre Möglichkeiten hinaus zu Höchstleistungen zu drillen versuchten. Ebendiese Studien zeigen auch, dass diese Kinder später anfälliger sind, vor dem Computer zu versumpern und sich in späteren Jahren von sportlichen Aktivitäten fernzuhalten.

Lerne deinen Körper kennen!

Ein weiterer Aspekt sind Verletzungen und sonstige körperliche Probleme. Viele Kinder trainieren zu viel, falsch, zu verbissen – oft zeigen sich die Spätfolgen erst viele Jahre später in Form von Abnutzungserscheinungen oder chronischen Verletzungen. Ein Nachwuchstrainer, der seinen Schützlingen bereits im Kindesalter Saisonvorbereitungen zumutet wie einem Erwachsenen, macht seinen Job falsch. Das Kind muss mit seinem Körper wachsen, die Signale seines Körpers richtig erkennen – nur wie viele Achtjährige kennen Sie, die eine Pause einlegen und diese mit „ich höre auf die Signale meines Körpers“ begründen? Es liegt an Nachwuchstrainern und Eltern zu erkennen, wenn ein Kind überstrapaziert wird. Was also auf mentaler Ebene sowieso Aufgabe der Bezugspersonen ist, wird auf körperlicher Ebene oft unterschätzt. An Spätfolgen – manchmal erst 30 Jahre später – wird zu wenig gedacht.

Selbstkontrolle für Körper und Geist

Fußball ist ein Sport, der Millionen von Kindern auf der Welt Freude bereitet. Nur müssen diejenigen, die sich dazu entschließen diesen Sport zu ihrer Profession zu machen, auf der ganzen Linie unterstützt werden: Wenn man es als Elternteil und/oder Trainer schafft, körperlicher Erschöpfung von klein auf vorzubeugen und den Kindern klar zu machen, dass es sie selbst sind, die sich realistische Ziele für ihr Leben mit dem Fußball stecken sollten, erzeugt man einen Zustand, der für das gesamte weitere Leben des Kindes zu einem Konzept werden kann – nämlich Selbstkontrolle über Körper und Geist. Und was viele Menschen unterschätzen ist die Prägung, die ein Kind durch Handeln oder Zuwiderhandeln dieser Leitsätze davonträgt. Es geht nie nur um die Kindheit – genau hier beginnt die Burnout-Prophylaxe!

Im zweiten Teil erzählt Erich Klarer, der Vater eines Rapid-Nachwuchsspielers, welche Anforderungen an die Familie gestellt werden, wenn der Sohn eine Profikarriere anstrebt.

 

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