Der Gebrauch von Schmerzmitteln ist im Profifußball weitverbreitet. Zu diesem Thema hat die ARD-Dopingredaktion und die Rechercheplattform CORRECTIV zuletzt viele Ergebnisse geliefert. Laut einer... Schmerzmittelgebrauch im Fußball: Raubbau am Körper

Der Gebrauch von Schmerzmitteln ist im Profifußball weitverbreitet. Zu diesem Thema hat die ARD-Dopingredaktion und die Rechercheplattform CORRECTIV zuletzt viele Ergebnisse geliefert.

Laut einer Recherche der ARD-Dopingredaktion und CORRECTIV hat der Fußball in Deutschland ein massives Problem mit dem Missbrauch von Schmerzmitteln. Das Recherche-Team hat zu dem Thema mit über 150 aktuellen und ehemaligen Bundesliga-Spielern, Trainern, Teamärzten, Wissenschaftlern und Teamärzten gesprochen.

Die Ergebnisse sind alarmierend. „Was ich in den letzten 14 Jahren mitbekommen habe – Ibuprofen wird wie Smarties verteilt“, sagt zum Beispiel Neven Subotic, Verteidiger von Union Berlin. „Wenn man drauf angewiesen ist zu spielen, dann ist es einfach nicht realistisch, ohne Schmerzmittel weiterzumachen“, so der ehemalige Bundesliga-Profi Dani Schahin. Er nahm Schmerzmittel dabei auch „prophylaktisch“ ein. Schahin wollte sich keine Gedanken darüber machen, „dass mein Knie jetzt doch anfängt zu schmerzen in der 15. oder 20. Minute.“

Jochen Kientz spielte in der Bundesliga einst für 1860 München und Hansa Rostock. Heute ist der 47-Jährige Sportlicher Leiter beim Drittligisten SV Waldhof Mannheim. „Ich habe es auf jeden Fall übertrieben“ berichtet Kientz über seinen Gebrauch von Schmerzmittel während der aktiven Karriere. „Das ist Raubbau am Körper, und das schleppt man dann auch die Jahre danach mit.“

Wie gefährlich der übermäßige Konsum von Schmermitteln sein kann, zeigt der Fall Ivan Klasnic. Der heute 40-Jährige stürmte in der Bundesliga einst für Werder Bremen. Mittlerweile ist Klasnic auf seine dritte Spenderniere angewiesen. Er erhebt in diesem Zusammenhang schwere Vorwürfe gegenüber dem Bremer Mannschaftsarzt, dem er u.a. fehlerhafte Behandlung mit Schmerzmitteln vorwirft. Seit 2008 ist der Fall vor Gericht.

Ibuprofen und Co. greifen Herz, Niere, Magen und Leber an. Verletzungen können durch den Gebrauch zudem verschleppt und schließlich chronisch werden. Dennoch ist der teils unverantwortliche Konsum im Fußball Gang und Gebe. „Es heißt dann immer, wenn du spielen willst, kannst du das nehmen, dann fühlst du dich gut und dann spielst du. Und das war`s“, prangert Subotic eine mangelnde Sensibilisierung zu dem Thema Schmerzmittel seitens der Vereine an. Diese hätten natürlich ein Interesse daran, die Spieler so schnell wie möglich wieder auf den Platz zu bekommen.

Vereine und Trainer ignorieren hierbei in vielen Fällen den Rat der Teamärzte, setzen sich über deren Vorgaben hinweg, um den Spieler früher zurück zu bekommen. Laut Subotic beruhe dieses System auf einer „Weitergabe von Druck“. „Der gibt’s auf den Nächsten, auf den Nächsten, auf den Nächsten. Und am Ende hat der den meisten Druck, der am meisten zu verlieren hat“, so Subotic.

Der Gebrauch von Schmerzmitteln ist aber auch häufig auf Eigenmotivation von Spielern zurückzuführen. Dabei geht es darum den Platz im Team nicht zu verlieren oder eben um vermeintliche Männlichkeitsideale. „Hey Doc, ich brauche eine Ibu“ ist so ein Satz den Konstantinos Cafaltzis als Mannschaftsarzt von Waldhof Mannheim öfters zu hören bekommt. „Wir sind da sehr restriktiv, geben nicht gleich so eine Schmerztablette“, sagt Cafaltzis.

Ähnlich äußert sich Thomas Frölich, Mannschaftsarzt der TSG Hoffenheim. Auch er gibt den Spielerwünschen nicht gleich nach. „Dann ist natürlich die erste Frage: `Warum? Weshalb brauchst du das?` Wenn er dann sagt: `Das habe ich immer genommen`, dann muss man versuchen, ihm das abzugewöhnen“, sagt Frölich.

Probleme mit Schmerzmitteln gibt es aber nicht nur im Profibereich. Die ARD-Dopingredaktion und das CORRECTIV starteten eine deutschlandweite Befragung zum Thema. 1142 Fußballer nahmen daran teil. Das Ergebnis: 47 Prozent der Teilnehmer nehmen mehrmals pro Saison Schmerzmittel, 21 Prozent sogar einmal pro Monat oder mehr. Zudem wollen 42 Prozent mit der Einnahme nach eigener Angabe Einfluss auf ihre Leistung nehmen. Die Welt-Anti-Doping-Agentur (WADA) deklariert die Einnahme von Schmerzmitteln aber nicht als Doping.

DFB-Präsident Fritz Keller zeigte sich ob der Ergebnisse der Umfrage „schockiert“ und will für mehr Sensibilisierung sorgen. Gerade im Amateurbereich sei Sport „zur Gesunderhaltung gedacht, nicht dafür, dass man sich kaputt macht.“

Leistungssport jedoch ist nicht förderlich für die Gesundheit, das haben schon vorherige Untersuchungen ergeben. Ob das so sein muss, ist wohl auch eine Systemfrage. Wenn es aber um das große Geld geht, dann steht die körperliche Unversehrtheit oft eben nur an zweiter Stelle.

Die TV-Dokumentation Geheimsache Doping: „Hau rein die Pille“ ist unter sportschau.de sowie in der ARD-Mediathek abrufbar. Mehr Infos zu dem Thema gibt es in den Sozialen Netzwerken auch unter dem Hashtag #Pillenkick.

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