Ultras am Scheideweg – where do you go to my lovely?
Gesellschaft & Ethik 7.Oktober.2011 Daniel Mandl 0
Immer öfter geistern in der letzten Zeit Artikel über die Radikalisierung der Fanszene durch die Medien. In den Boulevardblättern sind die Ultras schnell als die Schuldigen ausgemacht, selbige fühlen sich als Opfer. Zu dieser ohnehin schon undurchsichtigen Situation trägt auch die Exekutive ihr Scherflein bei. Eine Besserung der Situation ist nicht in Sicht, die Fronten verhärten sich zusehends.
Wenn man Anfang der 90er-Jahre in Österreich ein Fußballstadion betrat kam es nicht selten vor das man die sprichwörtliche Stecknadel fallen hörte. Die ersten Ultragruppierungen waren zwar schon geboren, steckten fantechnisch allerdings noch in den Kinderschuhen. Dies änderte sich im Folgejahrzehnt radikal, die Ultras eroberten landesweit die Kurven und sorgten mit Choreos, pyrotechnischen Artikeln und bedingungslosem Support für ein nie da gewesenes Fußballerlebnis.
Anfänge
Die Anfänge der Ultrakultur liegen im Italien der 60er-Jahre. Anfang der 90er schwappte die Welle auch auf Österreich über und brachte eine völlig neue Definition des Fandaseins in den trostlosen Bundesligaalltag. Am Anfang oft als Modeerscheinung belächelt sind Ultras viel mehr als das. Fan zu sein heißt für die Ultras mehr als nur am Wochenende zum Fußball zu gehen, man lebt dieses Gefühl mit jeder Faser seines Körpers an jedem Tag der Woche. Wochenlang werden Choreografien vorbereitet, Gesänge getextet und einstudiert. Die Hingabe zu den eigenen Farben und die Liebe zum Verein sind für Ultras das höchste Gut. Von Anfang an wandten sie sich auch gegen die Kommerzialisierung des Fußballs, die just in jener Zeit zu ungeahnten Höhenflügen ansetzte. Zusammenarbeit mit dem Verein und der Polizei sind verpönt, wobei ersteres sehr flexibel gehandhabt wird. Vor allem aber tolle Choreografien und laute, kreative Fangesänge, machten sie alsbald zu einem nicht mehr wegzudenkenden Teil des Erlebnisses Fußball. Doch auch außerhalb der Stadien sorgten die Ultras rasch für Aufsehen. Immer wieder kam es zu Auseinandersetzungen mit anderen Fanszenen, das „Fetzen ziehn“ wurde zum Trendsport. Noch sollten sich diese Nebenerscheinungen allerdings in Grenzen halten.
Radikalisierung
Mit dem Auftauchen der neuen Medien wurde die Gangart schlagartig härter. Jede Gruppierung konnte sich von nun an im Internet präsentieren und dieser Umstand wurde ausgiebig genutzt. Jeder wollte der Beste, Größte und Tollste sein. Um diesem Anspruch gerecht zu werden wurde der „Kampf“ auch immer mehr auf die Straße verlagert und ging weit über die üblichen „Capture the Flag“ Spielchen hinaus. Die Polizei reagierte auf diese, für sie neue Situation, mit überhartem und undifferenziertem Vorgehen was das gegenseitige Verständnis füreinander auf null reduzierte. Der, Anfangs positive, Grundtenor gegenüber den Ultras schlägt seitdem immer öfter in offene Anfeindungen um. Anstatt jedoch aus diesem Umstand zu lernen reagierte man beleidigt und forderte mehr Toleranz für sich ein. Gleichzeitig schaffte man es allerdings nicht sich selbst auf seine ursprünglichen Ziele zu besinnen und so der Gewaltspirale Einhalt zu gebieten. Anstelle dessen eskalierte die Situation immer weiter und gipfelt im Augenblick in einem strafrechtlichen Prozess gegen gleich 85 Angeklagte.
Status Quo und der Weg aus der Misere
Im Augenblick stellt sich die Situation in den Stadien verzwickt dar. Die Kommunikation zwischen Ultras, Fans und Vereinen ist auf ein notwendiges Minimum heruntergefahren und somit ist keine Besserung in Sicht. Die Gesetzgebung und die Vereine antworten mit immer weiteren Einschnitten in die Fankultur was die Lage weiter verschärft.
Ein Ausweg wird sich wohl nur finden lassen wenn alle Seiten den Respekt und das Verständnis das man für sich selbst einfordert auch seinem Gegenüber entgegenbringen. Vor allem die Ultras sollten sich auf ihre Wurzeln und ihre ursprünglichen Ziele besinnen ansonsten töten sie diese wunderbare Sache und König Fußball schneller als es die Kommerzialisierung jemals könnte.
Simon Bolivar, abseits.at
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Daniel Mandl Chefredakteur
Gründer von abseits.at und austriansoccerboard.at | Geboren 1984 in Wien | Liebt Fußball seit dem Kindesalter, lernte schon als "Gschropp" sämtliche Kicker und ihre Statistiken auswendig | Steht auf ausgefallene Reisen und lernt in seiner Freizeit neue Sprachen
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